Leitsatz (amtlich)
1. Bei von einem Realverband im Sinne des § 3 Abs.2 KStG 1968 erzielten Gewinnen aus der Veräußerung von Grund und Boden des Anlagevermögens können die Mitglieder des Verbands Abzüge nach § 6c EStG von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter ihres eigenen Betriebs vornehmen (Anschluß an BFH-Urteil vom 9.Oktober 1986 IV R 331/84, BFHE 148, 253, BStBl II 1987, 169). Die hieraus sich in den Einzelbetrieben ergebende Gewinnminderung ist durch Ansatz einer fiktiven Betriebseinnahme auszugleichen, während beim Verband vom Ansatz eines Zuschlags nach § 6c Abs.1 Nr.2 EStG abzusehen ist.
2. Nimmt der Verband bei seiner Gewinnermittlung einen Abzug nur in Höhe des auf einen Teil seiner Mitglieder entfallenden Veräußerungsgewinns vor, zieht das FA hingegen einen Betrag in Höhe des vollen Veräußerungsgewinns ab, so kann der Verband, wenn das FA bei der Gewinnfeststellung für ein folgendes Wirtschaftsjahr den Gewinn durch einen Zuschlag nach § 6c Abs.1 Nr.2 EStG erhöht, auch hinsichtlich des im Veräußerungsjahr vom FA abgezogenen Betrags geltend machen, in den Betrieben der Mitglieder seien begünstigte Investitionen erfolgt.
Normenkette
EStG 1975 § 4 Abs. 3, §§ 6b, 6c Abs. 1 Nr. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 4; KStG 1968 § 3 Abs. 2; EStG 1975 § 6b Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Entscheidung vom 26.11.1982; Aktenzeichen IX 118/82) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Realverband nach dem niedersächsischen Realverbandsgesetz vom 4.November 1969 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt --NiedersGVBl--, 1969, 187). Er erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt werden.
Im Wirtschaftsjahr 1973/74 (1.Oktober 1973 bis 30.September 1974) erzielte der Kläger Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken in Höhe von 10 459 DM. Davon übertrug er im Rahmen der Überschußrechnung gemäß §§ 6b, 6c EStG 2 771 DM auf eine im gleichen Wirtschaftsjahr angeschaffte Kehrmaschine. Den verbleibenden Betrag von 7 688 DM verteilte der Kläger auf seine 4 Mitglieder entsprechend dem Beteiligungsverhältnis. Für drei Mitglieder bildete der Kläger im Rahmen der Überschußrechnung Rücklagen nach §§ 6b, 6c EStG in Höhe des jeweiligen Gewinnanteils; für das weitere Mitglied wies er einen um den anteiligen Veräußerungsgewinn von 1 537,65 DM erhöhten Gewinn aus, wovon 385 DM auf den Veranlagungszeitraum 1973 entfielen. Bei der Feststellung des Gewinns für den Veranlagungszeitraum 1973 ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) von einem im Vergleich zur Erklärung um 1 537 DM niedrigeren Gesamtgewinn des Wirtschaftsjahrs 1973/74 aus und erläuterte dies im Bescheid mit dem Hinweis, "der verbleibende Veräußerungsgewinn" in Höhe von 7 688,23 DM sei einer Rücklage gemäß § 6c EStG zugeführt worden. Der Bescheid 1973 wurde bestandskräftig.
Im Wirtschaftsjahr 1974/75 erzielte der Kläger weitere Grundstücksveräußerungsgewinne in Höhe von 31 200 DM. Diese teilte er auf seine vier Mitglieder entsprechend dem Beteiligungsverhältnis auf und bildete in gleicher Höhe Rücklagen nach §§ 6b, 6c EStG. Das FA übernahm den erklärten Gewinn und führte in den Erläuterungen zum Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung 1974 aus, der Veräußerungsgewinn in Höhe von 31 200 DM sei einer Rücklage gemäß § 6c EStG zugeführt worden. Der Bescheid 1974 wurde bestandskräftig.
Da der Kläger selbst keine weiteren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens angeschafft hatte und das FA die Übertragung der Rücklage auf Anschaffungen der Mitglieder nicht anerkannte, löste das FA in der Überschußrechnung des Wirtschaftsjahrs 1975/76 die im Wirtschaftsjahr 1973/74 gebildete Rücklage von 7 668 DM und in der Überschußrechnung des Wirtschaftsjahres 1976/77 die im Wirtschaftsjahr 1974/75 gebildete Rücklage von 31 200 DM jeweils gewinnerhöhend auf. In den daraufhin für die Streitjahre ergangenen Bescheiden vom 12.Mai 1980 wurden die Gewinne entsprechend festgesetzt.
Einspruch und Klage, mit denen der Kläger jeweils geltend machte, er sei nach § 3 Abs.2 des Körperschaftsteuergesetzes 1968 (KStG a.F.) und § 13 Abs.1 Nr.4 EStG steuerrechtlich wie eine Personengesellschaft zu behandeln mit der Folge, daß der Abzug der Veräußerungsgewinne von Reinvestitionen seiner Mitglieder möglich sei, blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, inwieweit § 3 Abs.2 Satz 2 KStG die Realgemeinden und ähnliche Genossenschaften den Mitunternehmerschaften gleichstelle, zugelassen (§ 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Mit der Revision wird Verletzung materiellen Rechts gerügt.
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom 22.April 1981 aufzuheben und die Gewinne für die Streitjahre so festzustellen und aufzuteilen, wie sie sich ohne die Rücklagenauflösungen ergeben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 FGO).
1. Der Kläger konnte sich mit Einspruch und Klage gegen die Feststellungsbescheide für die Streitjahre wenden. Durch diese Bescheide war er beschwert, da höhere als die von ihm erklärten Gewinne festgestellt wurden. Der Kläger konnte zur Begründung auch vortragen, die Rücklagen aus den Wirtschaftsjahren 1973/74 bzw. 1974/75 hätten mit Rücksicht auf Reinvestitionen in den Einzelbetrieben der Mitglieder nicht gewinnerhöhend aufgelöst werden dürfen. Die Auflösung einer Rücklage nach § 6b Abs.3 EStG ist ein (buchmäßiger) Geschäftsvorfall des Jahres, in dem die Auflösung erfolgt. Die Auflösung führt zu einer Erhöhung des Gewinns. Mit Rechtsmitteln gegen den Bescheid für das Auflösungsjahr kann deshalb auch geltend gemacht werden, dieser Gewinnerhöhung fehle die gesetzliche Grundlage. Das gleiche gilt, wenn --wie im Streitfall-- bei der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG die Auflösung der Rücklage als Betriebseinnahme (Zuschlag) behandelt wird (§ 6c Abs.1 Nr.2 EStG). Unerheblich ist auch, daß das FA im Jahr der Veräußerung eine höhere als die vom Steuerpflichtigen gewährte Rücklage gebildet und damit insoweit unzulässigerweise das dem Steuerpflichtigen zustehende Wahlrecht, eine Rücklage zu bilden, ausgeübt hat. Wird der Bescheid, dem die (zu hohe) Rücklage zugrunde liegt, bestandskräftig, so ist der Steuerpflichtige dadurch nicht gehindert, mit dem Rechtsmittel gegen den Bescheid des Auflösungsjahrs die Rückgängigmachung der Auflösung und die Feststellung eines entsprechend niedrigeren Gewinns dieses Jahres anzustreben.
2. Der Senat hat im Urteil vom 9.Oktober 1986 IV R 331/84 (BFHE 148, 253, BStBl II 1987, 169) entschieden, daß Mitglieder einer Realgemeinde für die Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Anlagegüter, die ihnen gemäß § 3 Abs.2 KStG a.F. und § 13 Abs.1 Nr.4 EStG als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft unmittelbar zuzurechnen sind, auch die Begünstigungen nach §§ 6b, 6c EStG in Anspruch nehmen können. An dieser Entscheidung, auf die wegen der Einzelheiten der Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ist festzuhalten. Da der Kläger als Realverband im Sinne des niedersächsischen Realverbandsgesetzes eine Realgemeinde i.S. des § 3 Abs.2 KStG a.F. ist, konnten die Mitglieder des Klägers für die von diesem erzielten Grundstücksveräußerungsgewinne die Steuervergünstigung nach den §§ 6b, 6c EStG in Anspruch nehmen. Demgemäß konnten die Mitglieder des Klägers die Gewinne, soweit sie ihnen jeweils anteilig zuzurechnen waren, auch auf solche Wirtschaftsgüter i.S. des § 6c Abs.1 Nr.1 EStG übertragen, die sie im Rahmen ihrer Einzelbetriebe angeschafft bzw. hergestellt haben.
3. Das FG-Urteil war danach aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das Urteil des FG enthält, von seinem Standpunkt aus zutreffend, keine Feststellungen darüber, ob und in welchem Umfang in den Einzelbetrieben der Mitglieder des Klägers nach § 6c EStG begünstigte Reinvestitionen vorgenommen worden sind. Das FG wird entsprechende Feststellungen nachholen und auf der Grundlage dieser Feststellungen neu entscheiden müssen. Entgegen der Auffassung des FA kommen als begünstigte Reinvestitionen dabei auch Wirtschaftsgüter in Betracht, die die Mitglieder des Klägers im Wirtschaftsjahr 1973/74 angeschafft oder hergestellt haben. Die Bestandskraft der Bescheide für 1973 und 1974 steht dem nicht entgegen. Erfolgt eine Reinvestition nicht im Betrieb der Personengesellschaft oder, wie im Streitfall, einer Realgemeinde i.S. des § 3 Abs.2 KStG, sondern im Betrieb des Gesellschafters bzw. des Verbandsmitglieds, so wird die Rücklage gleichwohl bei der Gewinnermittlung der Gesellschaft bzw. der Realgemeinde gebildet; hier erfolgt deshalb auch der Abzug einer fiktiven Betriebsausgabe nach § 6c Abs.1 Nr.2 EStG. Dies ist erforderlich, weil bei der Gesellschaft bzw. bei der Realgemeinde als solcher der Gewinn angefallen ist, der durch die Rücklage neutralisiert wird. Die Übertragung der Rücklage auf in den Einzelbetrieben der Mitglieder angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter erfolgt in der Weise, daß ein gewinnmindernder Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wirtschaftsgüter vorgenommen und gleichzeitig zur Neutralisierung dieser Gewinnminderung eine fiktive Betriebseinnahme angesetzt wird (vgl. auch Abschn.41d Abs.2 der Einkommensteuer-Richtlinien). Allerdings muß auch die im veräußernden Betrieb gebildete Rücklage aufgelöst werden. Soweit jedoch begünstigte Reinvestitionen in Betrieben der Mitglieder erfolgt sind, wird die Rücklage nicht gewinnerhöhend, sondern gewinneutral aufgelöst. Diese gewinneutrale Auflösung kann ggf. auch in den Streitjahren nachgeholt werden. Im Rahmen der Überschußrechnung nach § 4 Abs.3 EStG erfolgt dies in der Weise, daß vom Ansatz eines Zuschlags im Sinne des § 6c Abs.1 Nr.1 EStG abgesehen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 62448 |
BStBl II 1988, 885 |
BFHE 153, 353 |
BFHE 1989, 353 |
BB 1988, 1659-1660 (L1-2) |
DB 1988, 1879-1880 (LT) |
HFR 1988, 621 (LT) |