Entscheidungsstichwort (Thema)

Zurechnung des Nutzungswerts eines den Verkäufern unentgeltlich weiterüberlassenen Hauses

 

Leitsatz (NV)

1. Wird bei Verkauf eines Einfamilienhauses durch die Beteiligten vereinbart, daß die Verkäufer das Objekt noch ein Jahr lang unentgeltlich weiterbewohnen dürfen, so ist dessen Nutzungswert den Verkäufern zuzurechnen. Die Käufer können für diesen Zeitraum weder erhöhte Absetzungen noch sonstige Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen.

2. Zur Saldierung von möglicherweise anzuerkennenden Werbungskosten mit vom FA zu Unrecht anerkannten Werbungskosten.

 

Normenkette

EStG § 7 Abs. 4, §§ 7b, 9 Abs. 1 Sätze 1-2, 3 Nr. 7, § 21 Abs. 2; BGB § 313

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Ehefrau und Alleinerbin des inzwischen verstorbenen Klägers und früheren Revisionsbeklagten (Revisionsbeklagte) erwarb durch notariell beurkundeten Vertrag vom 28. April 1978 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück für 200 000 DM. Nach dem Kaufvertrag sollte ihr das Grundstück am 1. Mai 1978 übergeben werden; zum gleichen Zeitpunkt sollten Gefahr und Nutzungen übergehen. Im Rahmen der Verkaufsverhandlungen hatten sich die Verkäufer und die Revisionsbeklagte dahingehend geeinigt, daß die Verkäufer das Grundstück noch eine Zeitlang unentgeltlich nutzen sollten. Dazu heißt es in einem Schreiben der Revisionsbeklagten und ihres verstorbenen Ehemannes vom 2. Mai 1978 an die Verkäufer: ,,Laut persönlicher Abmachung überlassen wir . . . Ihnen das Haus zur Nutzung, und zwar ab 1. Mai 1978 bis 30. April 1979, ohne daß Sie eine Nutzungsgebühr bezahlen. Eine Verlängerung ist für 2 Monate möglich gegen Zahlung eines monatlichen Entgeltes von 400 DM." Die Verkäufer bewohnten das Einfamilienhaus vereinbarungsgemäß bis März 1979; die Revisionsbeklagte und ihr verstorbener Ehemann zogen am 14. April 1979 ein. Im Laufe des Streitjahres 1978 hatten die Revisionsbeklagte und ihr Ehemann im Dachgeschoß des Einfamilienhauses weitere Zimmer mit einem Aufwand von 9727 DM ausgebaut (Fertigstellung im Dezember 1978), ferner Außenanlagen errichtet und Gartenarbeiten durchgeführt.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1978 wiesen die Revisionsbeklagte und ihr verstorbener Ehemann bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Einfamilienhaus einen Werbungskostenüberschuß von . . . DM aus. Sie setzten dabei den Mietwert mit 0 DM an und zogen Schuldzinsen, Notarkosten und Gebäudeversicherungsaufwendungen sowie erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) kürzte zunächst bei der Einkommensteuerfestsetzung den Werbungskostenüberschuß um einen Mietwert von monatlich 500 DM für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1978, weil die Revisionsbeklagte das Einfamilienhaus den Verkäufern unentgeltlich überlassen habe. Im Einspruchsverfahren vertrat das FA die Rechtsauffassung, der Nutzungswert sei nach § 21 a EStG zu ermitteln. Im Ergebnis zog es deshalb nur noch die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG als Werbungskosten ab.

Mit seiner Klage begehrte der verstorbene Kläger, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung den Nutzungswert mit 0 DM anzusetzen und davon Werbungskosten von insgesamt . . . DM abzuziehen (Zinsen usw. . . . DM, Absetzung für Abnutzung - AfA - nach § 7 b EStG . . . DM, AfA nach § 7 Abs. 4 EStG für die den Höchstbetrag übersteigenden Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten . . . DM). Die Klage blieb im Ergebnis im wesentlichen erfolglos.

Das FA rügt mit seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision, das FG habe zu Unrecht weitere Werbungskosten anerkannt, obwohl es zutreffend den Nutzungswert des Einfamilienhauses im Streitjahr noch den Verkäufern zugerechnet habe.

Das FA hat im Laufe des Revisionsverfahrens wegen der Höhe des Grundfreibetrages und des allgemeinen Tariffreibetrages einen vorläufigen Änderungsbescheid erlassen, den die Revisionsbeklagte zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hat.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat im Ergebnis zu Unrecht höhere Werbungskosten als in der Einspruchsentscheidung anerkannt.

1. Die Vorinstanz ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Nutzungswert des Einfamilienhauses im Streitjahr nicht der Revisionsbeklagten, sondern gemäß § 21 Abs. 2 EStG den Verkäufern zuzurechnen ist, weil diese das Einfamilienhaus aufgrund einer gesicherten Rechtsposition unentgeltlich nutzten. Es entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung, daß der Nutzungswert in einem solchen Fall dem Nutzenden zuzurechnen ist. Das hat zur Folge, daß der Eigentümer keine Werbungskosten abziehen kann, weil er nicht den Tatbestand der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung verwirklicht (Senatsurteile vom 8. November 1988 IX R 25/86, BFH/NV 1989, 223, und vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628). Das FG hat zutreffend festgestellt, daß die Verkäufer im Streitfall die Wohnung aufgrund einer gesicherten Rechtsposition, nämlich aufgrund der Vereinbarung auf der Grundlage des Schreibens vom 2. Mai 1978, nutzten. Dabei kann offenbleiben, ob die Vereinbarung über die Weiternutzung durch die Verkäufer gemäß § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zunächst der notariellen Beurkundung bedurfte, weil sie in diesem Punkt den Kaufvertrag abänderte (vgl. zum Formerfordernis bei Abänderung von Grundstückskaufverträgen Münchener Kommentar zum BGB - Kanzleiter, § 313 Rdnr. 47 bis 49; Palandt / Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 313 Rn. 42, jeweils m. N.). Denn der Formfehler wurde jedenfalls mit der Eintragung der Revisionsbeklagten im Grundbuch geheilt (Palandt / Heinrichs, a. a. O., § 313 Rn. 55). Außerdem sind die Vertragsparteien des Kaufvertrages übereinstimmend davon ausgegangen, daß die Vereinbarung über die Weiternutzung durch die Verkäufer wirksam war; es bestand aus diesem Grunde für die Verkäufer keine Gefahr, daß die Revisionsbeklagte das Nutzungsverhältnis einseitig beenden würde. Die Revisionsbeklagte hatte den Verkäufern das Nutzungsrecht auch unentgeltlich eingeräumt; das ergibt sich unmittelbar aus dem Schreiben vom 2. Mai 1978. Anhaltspunkte dafür, daß der Kaufpreis durch den Vorbehalt des Nutzungsrechts beeinflußt war, bestehen nicht. Schließlich ist es auch unerheblich, daß die unentgeltliche Nutzungsmöglichkeit für die Verkäufer nur verhältnismäßig kurze Zeit bestand. Jedenfalls im Streitjahr hatte die Revisionsbeklagte keine Möglichkeit, das Einfamilienhaus zu nutzen.

War der Nutzungswert der Wohnung in dem Einfamilienhaus im Streitjahr noch den Verkäufern zuzurechnen, so konnte die Revisionsbeklagte weder erhöhte Absetzungen noch sonstige Werbungskosten, insbesondere Zinsen, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen.

2. Ob im Streitfall ausnahmsweise ein Teil der Werbungskosten, soweit sie auf das von den Verkäufern nicht genutzte Dachgeschoß entfallen, abziehbar sein könnte, braucht nicht entschiedenen zu werden. Auch dann, wenn man mit dem FG die auf die Ausbaukosten entfallenden erhöhten Absetzungen - die das FG und das FA übereinstimmend mit . . . DM beziffern - sowie Zinsen, die die Revisionsbeklagte möglicherweise auf Darlehen zur Finanzierung der Ausbaukosten von rund 9000 DM gezahlt hat, als Werbungskosten anerkennen würde, wäre der insgesamt abziehbare Werbungskostenbetrag jedenfalls nicht höher als die vom FA in der Einspruchsentscheidung - zu Unrecht - anerkannten Werbungskosten. Da dem Senat insoweit eine Verböserung verwehrt ist, muß es bei diesem Abzug verbleiben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418430

BFH/NV 1992, 732

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge