Entscheidungsstichwort (Thema)
Geräte zum Messen von ionisierenden Strahlen im Sinne des Zolltarifs
Leitsatz (NV)
1. Zum zolltariflichen Begriff ,,Geräte zum Messen oder zum Nachweis von ionisierenden Strahlen".
2. Geräte zum Messen von ionisierenden Strahlen (1.) müssen eine Anzeigevorrichtung aufweisen (hier: sog. Neutronendetektoren).
Normenkette
KN Unterpos. 9030 1090; KN Unterpos. 9032 9090; KN Anm. 2 a zu Kap. 90; KN Anm. 2 b zu Kap. 90; KN Anm. 6 b zu Kap. 90
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) - Nr. . . . - über ,,Neutronendetektoren (mit Eigenstromversorgung) - Leistungsdichtebegrenzungssystem" mit Zuweisung der Waren zu Unterposition 9030 1090 der Kombinierten Nomenklatur - KN - (,,andere" Instrumente, Apparte und Geräte zum Messen oder zum Nachweis von ionisierenden Strahlen). In der vZTA werden die zum ,,Messen" der Neutronenflußdichte in Kernreaktoren bestimmten Geräte beschrieben als Meßwertaufnehmer mit einem Rhodium-,,Emitter", der durch Neutroneneinfang beta-Teilchen emittiert. Eine Detektorgruppe besteht aus sieben Rhodium-Neutronendetektoren, einem Hintergrunddetektor und einen Thermoelement. Bei der Reaktion des Rhodiums wird ein Strom proportional zur thermischen Neutronenflußdichte des Reaktorkerns geliefert. Die Detektorsignale werden über Leitungen einer Prozeßrechenanlage (nicht Gegenstand der vZTA) aufgeschaltet. Anzeigevorrichtungen sind nicht vorhanden.
Der Einspruch der Klägerin, die die Position 9032 - Instrumente, Apparate und Geräte zum Regeln - für zutreffend hält, wurde zurückgewiesen.
Mit der Klage wird im wesentlichen vorgebracht, das System diene zur Leistungsdichteüberwachung und -begrenzung im Reaktorkern aufgrund der Auswertung der Innendetektorsignale; ein mit einer Anzeige verbundenes ,,Messen" ionisierender Strahlen finde nicht statt. Die von den Neutronendetektoren gesandten ionisierenden Strahlen - beta-Strahlen bzw. Elektronen - seien nicht Gegenstand einer ,,Messung", sondern ,,Medium" zur Ermittlung der Leistungsdichte im Reaktorkern; die ionisierende Wirkung der Neutronen sei nicht das Ziel einer ,,Messung".
Die OFD führt aus, zwar werde das komplette Überwachungssystem als Regelgerät von Position 9032 KN erfaßt, doch gelte dies nicht für die vorliegenden Erzeugnisse, die sich aufgrund ihrer Funktion - Istwert-Messung - als Waren der Position 9030 darstellten. Das gelte unabhängig davon, ob der Meßwert angezeigt werde.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Waren sind nicht wie geschehen einzureihen; sie sind vielmehr der Position 9032 zuzuordnen. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und der mit dieser angefochtenen vZTA (vgl. § 44 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) ist die OFD auf den im übrigen als Verpflichtungsbegehren aufzufassenden Klageantrag entsprechend zu verpflichten.
Die zu Kapitel 90 gehörenden Waren sind Bestandteile eines Regelsystems. Unbeschadet dessen wären sie der in Betracht kommenden Position 9030 - Unterposition 1090 - zuzuweisen, wenn es sich um Geräte zum Messen oder zum Nachweis von ionisierenden Strahlen (pour la mesure ou la détection des radiations ionisantes/for measuring or detecting ionizing radiations) handeln würde; Anm. 2 a zu Kapitel 90. Das ist jedoch entgegen der Auffassung der OFD nicht der Fall. Geräte zum Messen liegen nicht vor. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in bezug auf Geräte zum Messen oder Prüfen elektrischer Größen - auch Position 9030 - entschieden hat (Urteil vom 4. Dezember 1990 Rs C-218/89, EuGHE 1990 I, 4399, 4402, ergangen auf Vorlagebeschluß des Senats vom 16. Juni 1989 VII K 12-17/88, BFH/NV 1990, 134), müssen entsprechende Geräte solche sein, deren eigentlicher Zweck die Messung / Prüfung derartiger Größen ist; geschieht die Messung / Prüfung zu einem anderen Zweck (z. B. Erfassung usw. von Daten auf dem Gebiet der Chromatographie), so scheidet die Position 9030 aus. Meßgeräte im eigentlichen Sinne sind nach der Rechtsprechung des Senats (z. B. Urteil vom 26. April 1988 VII R 116/85, BFHE 153, 265, 267 f.) Geräte, die das Messen bestimmter Größen und das Anzeigen des Wertes dieser Größen zum Ziel haben (vgl. auch Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu Position 9030 Rz. 05.0, 06.0). Diese Erfordernisse gelten nicht nur für Geräte zum Messen elektrischer Größen, sondern allgemein, also auch für das Messen von ionisierenden Strahlen. Ob die vorliegenden Geräte ihrer Beschaffenheit nach überhaupt ,,Meßwerte" aufnehmen, kann offenbleiben. Jedenfalls fehlt ihnen eine Anzeigevorrichtung. Sie können somit zolltariflich nicht als Meßgeräte bzw. Meßvorrichtungen (ErlHS zu Position 9032 Rz. 43.0) angesehen werden. Inwieweit sie Meßgeräte im Sinne technischer Normen sind, ist nicht entscheidend.
Bei den Waren handelt es sich auch nicht um Geräte zum Nachweis von ionisierenden Strahlen. Ihr ,,eigentlicher Zweck" ist nicht der Nachweis solcher Strahlen, sondern die spezifische Funktion, die sie im Rahmen des Systems haben. Im übrigen sieht auch die OFD die Waren nicht als Nachweisgeräte an. ,,Neutronendetektoren" im Sinne der Erläuterungen (ErlHS zu Position 9032 Rz. 11.0) - als (Meß- oder) Nachweisgeräte - liegen hiernach nicht vor.
Als Teile eines Regelgeräts der Unterposition 9032 89 (vgl. auch Anm. 6 b zu Kapitel 90) sind die ihrer Beschaffenheit nach hierfür bestimmten Waren dementsprechend einzureihen (Anm. 2 b zu Kapitel 90), d. h. der Unterposition 9032 9090 - ,,andere" Teile - zuzuweisen. In diesem Sinne sind sie neu zu tarifieren.
Der Senat hat keine Zweifel an der hiernach zutreffenden Tarifierung, zumal der zolltarifliche Begriff ,,Meßgeräte" geklärt erscheint. Mithin erübrigt sich die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Fundstellen
Haufe-Index 418432 |
BFH/NV 1992, 851 |