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BFH Urteil vom 28.04.2004 - I R 24/03 (NV)

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzung der wirtschaftlichen Eingliederung im Rahmen einer Organschaft

 

Leitsatz (NV)

Die wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft ist u.a. nur dann gegeben, wenn das beherrschende Unternehmen eine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltet, die durch den Betrieb der Organgesellschaft gefördert wird und die im Rahmen des Organkreises keine lediglich untergeordnete Bedeutung hat. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, beantwortet sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).

 

Normenkette

KStG 1984 § 14 Nr. 2; GewStG 1984 § 2 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes (Urteil vom 05.02.2003; Aktenzeichen 1 K 381/98; EFG 2003, 644)

 

Tatbestand

I. Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob zwischen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, und der W-GmbH im Streitjahr 1985 ein gewerbesteuerrechtliches Organschaftsverhältnis bestand.

Die Klägerin produziert und verwertet Fernsehfilme und fertigt auf der Basis eines Rahmenvertrages Produktionen (Serien, Shows, usw.) für das Werberahmenprogramm des SR, einer rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts. In dem mit dem SR geschlossenen Rahmenvertrag ist vornehmlich die Zusammenarbeit bei der Herstellung von Filmwerken sowie bei Produktionen für das Werberahmenprogramm geregelt (u.a. betreffend die Erbringung von Sach- und Dienstleistungen, die Abstellung von Mitarbeitern, die Einräumung von Nutzungs- und Leistungsschutzrechten sowie Verrechnungs- und Finanzierungsangelegenheiten). In den Jahren 1984 bis 1990 bewegten sich die Umsätze der Klägerin aus Produktionen für das Werberahmenprogramm des SR zwischen ca. 2,6 Mio. DM und ca. 7,2 Mio. DM.

Alleinige Gesellschafterin der Klägerin ist die W-GmbH, die die Durchführung der Wirtschaftswerbung und die Vermittlung der Ausstrahlung derselben im Hör- und Fernsehfunk des SR betreibt. Deren alleiniger Gesellschafter ist der SR.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, dass die Klägerin wirtschaftlich und organisatorisch nicht in den Betrieb der W-GmbH eingegliedert und deswegen nicht deren Organgesellschaft sei.

Das Finanzgericht (FG) des Saarlandes gab der Klage gegen den hiernach ergangenen Gewerbesteuermessbescheid statt. Das Urteil vom 5. Februar 2003  1 K 381/98 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 644 veröffentlicht.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet.

Die Vorinstanz ist vom Bestehen eines Organschaftsverhältnisses zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der W-GmbH als Organträgerin gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1984) i.V.m. § 14 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1984) --jeweils in den im Streitjahr geltenden Fassungen-- ausgegangen und hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Klägerin sowohl wirtschaftlich als auch organisatorisch (vgl. § 14 Nr. 2 KStG 1984) in die W-GmbH eingegliedert war. Diese Würdigung greift die Revision ohne Erfolg an.

1. a) Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats, an welcher festgehalten wird, setzt die wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG 1984 i.V.m. § 14 Nr. 2 KStG 1984 voraus, dass das herrschende Unternehmen (Organträger) eigene gewerbliche Zwecke verfolgt, denen sich das beherrschte Unternehmen im Sinne einer Zweckabhängigkeit unterordnen kann (Senatsurteile vom 26. April 1989 I R 152/84, BFHE 157, 127, BStBl II 1989, 668; vom 13. September 1989 I R 110/88, BFHE 158, 346, BStBl II 1990, 24; Senatsbeschlüsse vom 5. Juni 1995 I B 113/95, BFH/NV 1996, 928; vom 24. Juli 1998 I B 7/98, BFH/NV 1999, 373). Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn das beherrschende Unternehmen eine eigene gewerbliche Tätigkeit entfaltet, die durch den Betrieb der Organgesellschaft gefördert wird und die im Rahmen des Organkreises nicht von untergeordneter Bedeutung ist. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse beurteilt werden (vgl. Senatsurteil vom 18. April 1973 I R 120/70, BFHE 110, 17, BStBl II 1973, 740).

In welcher Weise in diesem Zusammenhang das Merkmal der untergeordneten Bedeutung zu verstehen ist, beantwortet sich im Rahmen der anzustellenden Gesamtwürdigung am jeweiligen Einzelfall, wobei --wie sich an dem Urteil in BFHE 110, 17, BStBl II 1973, 740 erweist-- in erster Linie der Umsatzvergleich als aufschlussreich erscheint. Dies schließt nicht aus, dass ggf. auch andere Kriterien und Anhaltspunkte (z.B. die Gewinne) hilfreich sein können. Letztlich obliegt es aber tatrichterlicher Erkenntnis, die entsprechende Gesamtwürdigung vorzunehmen.

b) Das FG ist in dem angefochtenen Urteil von diesen Grundsätzen ausgegangen. Es hat entschieden, dass die von der W-GmbH ausgeübte gewerbliche Tätigkeit durch den Betrieb der Klägerin gefördert werde. Die W-GmbH bewerkstellige in leitender Funktion den Werbebereich des SR, während die Klägerin in weitem Umfang die hierfür erforderlichen Produktionen liefere. Der Umsatzanteil "für den durch die W-GmbH betreuten Werbebereich des SR" belaufe sich in dem Zeitraum 1985 bis 1990 auf rd. 35 v.H. Dieser Anteil lasse es nicht zu, von einer nur untergeordneten Bedeutung zu sprechen.

Diese tatrichterlichen Einschätzungen binden den Senat (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie wurden vom FA nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Soweit das FA in der Sache anderer Auffassung ist, setzt es lediglich seine eigene Sachverhaltswürdigung an die Stelle jener des FG, ohne dass diese dadurch gegen die Denkgesetze oder gegen Erfahrungssätze verstieße. Soweit geltend gemacht wird, die Klägerin produziere Fernsehfilme und sonstige Sendungen, die zwar zur Ausstrahlung im Werberahmenprogramm bestimmt seien, jedoch nicht die eigentliche Werbung beträfen und deswegen dem vom SR im Rahmen seines öffentlichen Auftrages wahrzunehmenden hoheitlichen Bereich zugeordnet werden müssten, rechtfertigt dieses Vorbringen ebenfalls keine abweichende Einschätzung. Denn auch wenn die Ausstrahlung des filmischen Rahmenprogramms hoheitlicher Natur wäre (sog. Trennungsgrundsatz zwischen Werbung und Programmbeiträgen; vgl. § 7 des Vierten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge --Vierter Rundfunkänderungsstaatsvertrag-- vom 16. Mai 1999, z.B. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz 2000, 118; s. dazu z.B. Ladeur, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht --ZUM-- 1999, 672; Kreile, ZUM 2000, 194; Platho, ZUM 2000, 46), so würde sich dieser Umstand doch nicht auf die Herstellung der Programmbeiträge auswirken. Im Übrigen beansprucht die Klägerin nicht die Anerkennung einer gewerbesteuerrechtlichen Organschaftsbeziehung zum SR, sondern zu der W-GmbH. Dieser ist die Herstellung jenes Rahmenprogramms, in das die Präsentation der eigentlichen "harten" Werbung eingebettet wird, aber auch dann förderlich, wenn diese Tätigkeit des beherrschten Unternehmens als solche partiell dem originär hoheitlichen Bereich des SR zuzuordnen wäre. Es könnte sich unter diesen Umständen allenfalls die Frage stellen, ob die W-GmbH ihrerseits Organgesellschaft des SR sein kann, worüber im Streitfall indes nicht zu befinden ist. Unabhängig davon ergibt sich aus den Akten, dass das FA seine diesbezüglichen Einwendungen erstmals zur Begründung seiner Revision vorbringt. Es handelt sich hierbei sonach um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann.

2. Das FG hat auch die erforderliche organisatorische Eingliederung der Klägerin in den Betrieb der W-GmbH bejaht. Zwar seien bei beiden Unternehmen verschiedene Personen als Geschäftsführer tätig gewesen. Eine einheitliche Meinungsbildung und Einflussnahme sei indes durch die Gesellschaftsstruktur und die rundfunkrechtlichen Rahmenbedingungen über die Aufsichtsgremien sichergestellt worden. Darauf, ob und in welchem Umfang die Geschäftsführer der GmbH tatsächlich Weisung erteilt hätten, komme es nicht an.

Auch dieser tatrichterlichen Einschätzung tritt das FA lediglich mit einer abweichenden Auffassung über die Einflussmöglichkeiten entgegen. Das FA hat die Überzeugung des FG, dass der SR seinen Willen gegenüber der W-GmbH und diese ihren Willen gegenüber der Klägerin über die Geschäftsführung und die Aufsichtsgremien in tatsächlicher und auch rechtlicher Hinsicht durchsetzen konnten, in revisionsrechtlicher Hinsicht nicht widerlegt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1241193

BFH/NV 2004, 1671

HFR 2004, 1231

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