Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung bei unangemessener Gesellschafter-Geschäftsführer-Vergütung
Leitsatz (NV)
1. Für die Angemessenheit der Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers gibt es keine festen Regeln. Die obere Grenze ist im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln. Die Schätzung obliegt dem FG. Der BFH kann sie nur darauf hin überprüfen, ob der Begriff zutreffend angewendet und die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet wurden.
2. Das FG-Urteil, das die Klage wegen Feststellung des vEK ohne jegliche zu seiner revisionsrechtlichen Überprüfung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen und ohne jede Begründung abweist, ist aufzuheben. Die Sache ist insoweit an das FG zurückzuverweisen.
Normenkette
KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2, § 27 Abs. 3 S. 2, § 47
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin ist eine am 11. 11. 1975 gegründete GmbH, deren Geschäftsanteile von G zu 98 v. H. und von E zu 2 v. H. gehalten wurden. G und E waren Eheleute. G wurde zum Geschäftsführer und E zur Prokuristin bestellt. G und E erhielten ab dem 1. 1. 1976 Geschäftsführergehälter von 7 000 DM (G) bzw. 5 000 DM (E). Mit Wirkung ab dem 1. 5. 1977 wurden die Gehälter auf 14 000 DM (G) bzw. 8 000 DM (E) erhöht. Das FA hielt für die Zeit ab dem 1. 5. 1977 nur Gehälter in Höhe von 9 000 DM (G) bzw. von 6 000 DM (E) für angemessen. Es behandelte den überschießenden Betrag sowohl als verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 als auch als andere Ausschüttung i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977.
Einspruch und Klage richteten sich sowohl gegen die KSt-Bescheide 1977 und 1978 als auch gegen die vEK-Bescheide 31. 12. 1977 und 31. 12. 1978. Sie blieben ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nur teilweise begründet. Sie ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Abweisung der Klage wegen Körperschaftsteuer 1977 und 1978 durch das FG richtet. Insoweit war sie zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Dagegen ist sie begründet, soweit sie die Abweisung der Klage wegen Feststellung des vEK zum 31. Dezember 1977 und 1978 betrifft. In diesem Umfang war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
A. Die von der Klägerin erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung durch das FG ist erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist und damit verspätet geltend gemacht worden. Sie greift deshalb schon aus Gründen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO nicht durch. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
B. Die Annahme des FG, die Klägerin habe in den Geschäftsjahren 1977 und 1978 Gewinne in Höhe von 63 000 DM (1977) bzw. 91 000 DM (1978) i. S. von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 verdeckt ausgeschüttet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Februar 1989 I R 44/85, BFHE 156, 177, BStBl II 1989, 475). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH seit seinem Urteil vom 16. März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Nur in Ausnahmefällen hat der BFH die Denkfigur eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters nicht herangezogen und die Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis nach einem anderen Maßstab beurteilt (BFH-Urteile vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673, und vom 17. Oktober 1984 I R 22/79, BFHE 142, 276, BStBl II 1985, 69). Diese zuletzt genannte Rechtsprechung greift jedoch im Streitfall nicht durch. Der Abschluß eines Geschäftsführervertrages mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer läßt regelmäßig den Vergleich mit einem Vertrag zu, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer abgeschlossen haben würde.
2. Für die Angemessenheit der Bezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers gibt es keine festen Regeln (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234). Die obere Grenze ist im Einzelfall durch Schätzung zu ermitteln. Innerbetriebliche und außerbetriebliche Merkmale können einen Anhaltspunkt für die Schätzung bieten. Beurteilungskriterien sind Art und Umfang der Tätigkeit, die künftigen Ertragsaussichten des Unternehmens, das Verhältnis des Geschäftsführergehaltes zum Gesamtgewinn und zur verbleibenden Kapitalverzinsung sowie Art und Höhe der Vergütungen, die gleichartige Betriebe ihren Geschäftsführern für entsprechende Leistungen gewähren. Die Schätzung obliegt grundsätzlich dem FG (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Dabei gehört es auch zum Bereich der vom FG zu treffenden Sachverhaltsfeststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO), welchen Kriterien bei der Beurteilung der Angemessenheit der Geschäftsführervergütung im Einzelfall der Vorrang einzuräumen ist. Der BFH kann die Schätzung des FG nur darauf hin prüfen, ob der Rechtsbegriff Schätzung zutreffend angewendet wurde und ob alle nach den Denkgesetzen und nach den Erfahrungssätzen für die Schätzung wesentlichen Tatsachen in die Würdigung des FG einbezogen wurden (BFH-Urteil vom 25. Februar 1958 I 337/56 U, BFHE 66, 596, BStBl III 1958, 229).
3. Das FG hat seine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach nicht verkannt. Es hat sich an dem Beurteilungsmaßstab des Handelns eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters orientiert. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
4. Die vom FG vorgenommene Schätzung ist auch der Höhe nach unbedenklich:
a) Das FG hat seine Schätzung wesentlich an den Gewinnen der Klägerin vor Abzug der an G und an E zu zahlenden Gehälter orientiert. Dazu hat es festgestellt, daß die Klägerin in 1976 einen Gewinn von 109 560 DM bei Gehaltszahlungen an G und E von insgesamt 156 000 DM erzielte. Für 1977 erlitt sie einen Verlust von 181 475 DM bei Gehaltszahlungen an G und E von insgesamt 246 000 DM. Schließlich betrug der Verlust 1978 noch immer 106 717 DM bei Gehaltszahlungen an G und E in Höhe von insgesamt 286 000 DM. Angesichts dieser wirtschaftlichen Entwicklung der Klägerin verstößt es weder gegen die Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze, wenn das FG davon ausgegangen ist, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sich bemüht haben würde, die Verluste 1977 und 1978 so gering wie möglich zu halten. Zwar würde auch er Verluste der Klägerin in dem Umfang hingenommen haben, in dem Vergütungen an die leitenden Angestellten mindestens geboten waren. Dies hätte aber nicht zu Gehaltssteigerungen für G von 100 v. H. und für E von 60 v. H. nach nur 16monatiger Betriebszugehörigkeit geführt.
b) Die Klägerin kann dieser Betrachtungsweise des FG nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Gehaltsfestsetzung sei leistungsorientiert zu betrachten. Es ist die Aufgabe der Klägerin als eines Erwerbsunternehmens, Gewinne zu erzielen und die Gewinne nach Möglichkeit zu steigern (vgl. BFH-Urteile vom 16. April 1980 I R 75/78, BFHE 133, 19, BStBl II 1981, 492; vom 10. Juni 1987 I R 149/83, BFHE 150, 524, BStBl II 1988, 25). Mit dieser Aufgabenstellung verträgt sich die leistungsorientierte Betrachtungsweise der Klägerin jedenfalls dann nicht, wenn sie der Klägerin keine angemessene Gewinnteilhabe in Aussicht stellt. Eine rein leistungsorientierte Betrachtungsweise kann nur dann herangezogen werden, wenn dem Unternehmen trotz der leistungsgerechten Vergütung seiner leitenden Angestellten noch ein angemessener Gewinn verbleibt.
c) Ebenso greift der Hinweis auf eine Haftung des Geschäftsführers im Konkursfall nicht durch. Es ist die primäre Aufgabe des Geschäftsführers, den Eintritt eines Konkurses zu verhindern. Dieser Aufgabe dient auch das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Dieser hätte gerade deshalb, um einen andernfalls denkbaren Konkurs zu vermeiden, dem Geschäftsführer kein unangemessenes Gehalt gezahlt.
5. a) Hat aber das FG zu Recht verdeckte Gewinnausschüttungen für die Jahre 1977 und 1978 angenommen, so folgt die dadurch ausgelöste Korrektur bei der Einkommensermittlung aus § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977. Für 1977 wirkt sich die Korrektur auf den Ansatz der tariflichen Körperschaftsteuer nicht aus, weil das zu versteuernde Einkommen negativ war. Für 1978 bemißt sich die tarifliche Körperschaftsteuer auf 56 v. H. von 82 700 DM = 46 312 DM.
b) Das FG hat zwar die Herstellung der Ausschüttungsbelastung für beide Streitjahre nicht näher geprüft und auch die für die Prüfung notwendigen EK-Bestände in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt. Jedoch konnte die Klägerin zum 31. Dezember 1976 nur EK 03 haben. Da das Einkommen 1977 negativ war, kann sich auch zum 31. Dezember 1977 kein positives EK 56 oder EK 36 ergeben. Dann aber sind die verdeckten Gewinnausschüttungen 1977 und 1978 mit dem EK 0 zu verrechnen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 54 Abs. 7 KStG 1984, weil die Klägerin für 1978 keinen entsprechenden Antrag gestellt hat. Die Verrechnung der verdeckten Gewinnausschüttungen mit dem EK 0 bedeutet zwangsläufig eine Körperschaftsteuererhöhung für 1977 in Höhe von 1/16 von 63 000 DM = 35 437 DM und für 1978 in Höhe von 1/16 von 91 000 DM = 51 187 DM. Dies entspricht den Ansätzen in den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheiden, weshalb die festgesetzten Körperschaftsteuern rechtmäßig sind. Die Klage wurde insoweit zu Recht abgewiesen.
C. Jedoch ist die Revision insoweit begründet, als das FG auch die Klage wegen Feststellung des vEK zum 31. Dezember 1977 und 1978 abgewiesen hat. Insoweit enthält das angefochtene Urteil weder die zu seiner Überprüfung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen noch eine Begründung. Dies ist ein von Amts wegen zu berücksichtigender materieller Fehler des Urteils, der zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zwingt (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Bei einer zulässigen Klage, die sich gegen einen Bescheid gemäß § 47 KStG 1977 richtet, muß das FG von Amts wegen innerhalb des gestellten Klageantrags prüfen, ob die festgestellten Bestände des vEK zutreffend ermittelt wurden. Dazu muß es wegen der Regelung in § 30 Abs. 1 Satz 2 KStG 1977 die Bestände des zum Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres festgestellten vEK sowie die Zu- und die Abgänge für das laufende Jahr ermitteln. Fehlt in dem FG-Urteil jede Aussage über die festgestellten Bestände des vEK zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres sowie jede Feststellung über die Zu- und Abgänge zum vEK im laufenden Wirtschaftsjahr, so ist dem BFH als Revisionsgericht eine Überprüfung der Vorentscheidung nicht möglich (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 1988 I R 107/84, BFHE 154, 12, BStBl II 1989, 43). Da der BFH selbst keine tatsächlichen Feststellungen treffen darf, muß er insoweit nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO verfahren.
Fundstellen
Haufe-Index 416506 |
BFH/NV 1990, 130 |