Entscheidungsstichwort (Thema)

Bezugsfertigkeit eines Zweifamilienhauses

 

Leitsatz (NV)

1. Gebäude sind dann als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen.

2. Das ist dann der Fall, wenn die wesentlichen Bauarbeiten ausgeführt sind und nur noch unerhebliche Restarbeiten verbleiben.

3. Muß bei einem Fertighaus der Fußboden noch bearbeitet werden, um den endgültigen Bodenbelag aufbringen zu können, so handelt es sich nicht mehr um unerhebliche Restarbeiten.

 

Normenkette

BewG §§ 72, 74

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) errichteten auf einem auf den 1. Januar 1981 als unbebautes Grundstück bewerteten Grundstück ein Zweifamilienhaus, bestehend aus einer Wohnung im Erdgeschoß mit 100 qm und dem Dachgeschoß mit 56 qm Wohnfläche. Das Gebäude wurde in Fertigbauweise errichtet. In der Dachgeschoßwohnung waren am 1. Januar 1982 die Böden noch nicht verlegt. Sie bestanden aus Spanplatten (32 mm stark), die auf den Balken befestigt, die Decke der Erdgeschoßwohnung bildeten. Über den Spanplatten lagen auf 5 bis 6 cm hohen Abstandshaltern offen Heizungsrohre und Wasserleitungen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte diesen Zustand der zweiten Wohnung anläßlich einer Ortsbesichtigung fest, nahm eine Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1983 vor und stellte die Grundstücksart Zweifamilienhaus fest.

Im Rechtsbehelfsverfahren begehrten die Kläger, das Grundstück bereits zum 1. Januar 1982 als Zweifamilienhaus zu bewerten. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der entsprechenden Verpflichtungsklage statt.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) wegen Divergenz zugelassenen Revision beantragt das FA, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet; das Urteil des FG war aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat im Streitfall zu Unrecht die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) angenommen und Bundesrecht dadurch verletzt, daß es das FA verpflichtete, eine Art- und Wertfortschreibung bereits zum 1. Januar 1982 vorzunehmen und dabei auf diesen Stichtag das Wohngrundstück als Zweifamilienhaus zu bewerten. Die zweite Wohnung im Dachgeschoß des Gebäudes der Kläger war zum 1. Januar 1982 noch nicht bezugsfertig.

Gebäude sind dann als bezugsfertig anzusehen, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, sie zu benutzen; die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde ist nicht entscheidend (§ 72 Abs. 1 Satz 3 BewG). Die Frage der Bezugsfertigkeit ist nach objektiven Kriterien unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juli 1980 III R 46/78, BFHE 132, 99, BStBl II 1981, 152; vom 19. Juli 1985 III R 139/80, BFH/NV 1986, 325). Ein Haus oder eine Wohnung sind dann als bezugsfertig anzusehen, wenn die wesentlichen Bauarbeiten ausgeführt sind und nur noch unerhebliche Restarbeiten verbleiben. Um solche geringfügige Restarbeiten handelt es sich im Streitfall nicht. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gebunden ist, da zulässige und begründete Verfahrensrügen nicht geltend gemacht worden sind (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), bestand zum streitigen Stichtag (1. Januar 1982) der Fußboden lediglich aus 32 mm starken Spanplatten, die auf die Deckenbalken montiert waren. Entlang bzw. quer zu diesem Boden waren Heizungsrohre auf Abstandshaltern offen verlegt. Um den endgültigen Belag aufbringen zu können, mußte noch ein Zwischenfutter eingefügt werden. Das Benutzen einer solchen Wohnung war objektiv nicht zumutbar.

Nach dem Urteil des III. Senats des BFH vom 19. Juli 1985 (BFH/NV 1986, 325), dem sich der erkennende Senat anschließt, ist eine Wohnung u. a. dann nicht als bezugsfertig anzusehen, wenn der Fußboden nicht so weit vorbereitet ist, daß nur noch ein entsprechend zugeschnittener Teppichboden oder ähnliches auszulegen ist. Muß, wie im Streitfall, der Untergrund noch bearbeitet werden, um den endgültigen Bodenbelag aufbringen zu können, so handelt es sich nicht mehr um unerhebliche Restarbeiten. Daran ändert die Tatsache nichts, daß es sich um ein Fertighaus handelt.

2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Aus diesem Grunde kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Die Sache ist entscheidungsreif. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen lagen zum 1. Januar 1982 die Voraussetzungen des § 74 Satz 1 BewG im Streitfall nicht vor; die Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1983 war rechtmäßig. Daher war die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 416511

BFH/NV 1990, 81

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