Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Sonstiges Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 3a EStG und gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 IHG in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarktes vom 15. Mai 1953 (BGBl 1953 I S. 190, BStBl 1953 I S. 114) steuerfreie Zinseinnahmen sind nicht mit dem auf Grund des § 10d EStG 1955 abzugsfähigen Verlust zu verrechnen.
KStG 1955 § 6 Abs. 1; KStDV 1955 § 15 Ziff. 1; EStG 1953 § 3a; EStG 1955 § 10d; IHG § 5 Abs. 3
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1; KStDV § 15 Ziff. 1; EStG §§ 3a, 10d; IHG § 5 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob nach § 3a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1953 steuerfreie Zinseinnahmen und gemäß § 5 Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (IHG) vom 7. Januar 1952 (BGBl 1952 I S. 7, BStBl 1952 I S. 77) in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes für Förderung des Kapitalmarktes vom 15. Mai 1953 (BGBl 1953 I S. 190, BStBl 1953 I S. 114) den Steuern vom Einkommen und Ertrag nicht unterliegende Zinsen für Aufbringungsbeträge den gemäß § 6 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1955, § 10d EStG 1955 abzugsfähigen Verlust mindern.
Die Steuerpflichtige machte anläßlich der Körperschaftsteuerveranlagung 1955 (Streitjahr) einen aus dem Veranlagungszeitraum 1954 stammenden Verlust geltend. Bei der Berechnung des Verlustbetrages sind 10 907,46 DM als Einnahmen nicht angesetzt worden, die sich aus gemäß § 3a EStG 1953 steuerfreien Zinsen und Zinsen für Investitionshilfe-Aufbringungsbeträge zusammensetzten. Das Finanzamt versagte den Abzug in Höhe von 9540 DM, die auf gemäß § 3a EStG 1953 steuerfreie Zinseinnahmen entfielen. Vor dem Finanzgericht vertrat das Finanzamt darüber hinaus die Ansicht, der abzugsfähige Verlust sei auch um die Zinsen für die Aufbringungsbeträge nach dem IHG zu kürzen. Das Finanzgericht folgte den Anschauungen des Finanzamts nicht. Es gab der Sprungberufung statt. Die Vorinstanz begründete die in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1958 S. 59 veröffentlichte Entscheidung wie folgt: Dem Finanzamt sei zuzugeben, daß der Reichsfinanzhof und der Bundesfinanzhof in ihrer Rechtsprechung zur Behandlung der Schachteldividende, des Sanierungsgewinns und der steuerfreien Prämien der Ansicht gewesen seien, die genannten Steuervergünstigungen seien beim Verlustabzug als verlustmindernd zu berücksichtigen. Diese Rechtsprechung sei im Streitfall jedoch nicht anwendbar. Der Wortlaut des § 3a EStG 1953 und des § 5 Abs. 3 IHG zwinge nicht zu dieser Auslegung. Beide Bestimmungen könnten auch in dem Sinne gedeutet werden, daß die Zinsen bei der Besteuerung außer Betracht bleiben müßten und somit den abzugsfähigen Verlust nicht mindern dürften.
Mit der hiergegen gerichteten Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt der Vorsteher des Finanzamtes seinen im Berufungsverfahren gestellten Antrag. Er ist der Ansicht, die von der Vorinstanz angeführte Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs sei auch im vorliegenden Fall anwendbar. § 10d EStG 1955 beziehe sich auf Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG. Da weder § 3a EStG noch § 5 Abs. 3 IHG steuerliche Gewinnermittlungsvorschriften seien, sondern sachliche Steuerbefreiungsbestimmungen enthielten, könne als Verlust nur der Betrag abgezogen werden, der sich nach Hinzurechnung der steuerfreien Zinserträge ergebe. Nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen könne sich eine sachliche Steuerbefreiung nur in den Jahren auswirken, in denen die steuerbegünstigten Einnahmen zugeflossen seien. Das Urteil des Reichsfinanzhofs I A 79/35 vom 21. Juni 1935 (RStBl 1935 S. 1048, Slg. Bd. 38 S. 75) stehe dieser Auffassung nicht entgegen, weil sich die Vergünstigung für Steuergutscheine auf mehrere Jahre habe erstrecken sollen.
Auf Ersuchen des Senats ist der Bundesminister der Finanzen dem Verfahren beigetreten. Er ist der Ansicht, die Rechtsprechung zu den steuerfreien Sanierungsgewinnen und der Schachteldividende könne auf den Streitfall nicht angewandt werden. Die Voraussetzung dieser Rechtsprechung, der Zusammenhang zwischen der Vereinnahmung der steuerfreien Zinsen und dem Betrieb des Steuerpflichtigen, liege hier nicht vor. Aus dem Hinweis in § 10d EStG 1955 auf die §§ 4 Abs. 1 und 5 EStG könne nicht geschlossen werden, daß § 3a EStG 1953 bei der Berechnung des abzugsfähigen Verlustes nicht anzuwenden sei. Die sachlichen Steuerbefreiungen in §§ 3 und 3a EStG hätten die Folge, daß die dort bezeichneten Einnahmen so zu behandeln seien wie die nicht innerhalb einer der Einkunftsarten des EStG anfallenden Einnahmen. Die steuerbefreiten Einnahmen seien für die Einkommensbesteuerung als nicht vorhanden zu betrachten. Für die Verrechnung mit dem abzugsfähigen Verlust sei daher kein Raum. Die Richtigkeit dieser Auffassung ergebe sich auch aus dem Zweck des § 3a EStG, wie er im Urteil des Bundesfinanzhofs I 15/57 U vom 28. Januar 1958 (BStBl 1958 III S. 115, Slg. Bd. 66 S. 297) umschrieben worden sei. Die nach dieser Entscheidung durch den Verzicht auf die Besteuerung garantierte Mindestnettoverzinsung werde nicht erreicht, wenn die Zinseinnahmen mit einem abzugsfähigen Verlust verrechnet würden. Diese Auslegung erscheine auch aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung geboten, auf die das Finanzgericht bereits hingewiesen habe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Auffassung des Bundesministers der Finanzen, nach § 3a EStG steuerfreie Zinseinnahmen seien nicht mit dem abzugsfähigen Verlust zu verrechnen, ist beizutreten. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs über die Anrechnung des Sanierungsgewinns und der Schachteldividende auf abzugsfähige Verluste (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 46/50 U vom 16. Januar 1951, BStBl 1951 III S. 63, Slg. Bd. 55 S. 166, mit weiteren Nachweisen über die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs) ist auf den Streitfall nicht anwendbar. In dem Urteil I 46/50 U wurde in übereinstimmung mit dem Reichsfinanzhof ausgesprochen, daß steuerfreie Einnahmen in der Regel abzugsfähige Verluste mindern. Eine Ausnahme von dieser Regel hat der Reichsfinanzhof in dem zu § 34 der Durchführungsbestimmungen zur Steuergutscheinverordnung vom 26. September 1932 (RGBl I S. 459) ergangenen Urteil I A 79/35 zugelassen. Er hat aus dem Zweck der Steuervergünstigung geschlossen, daß diese nicht auf das Jahr beschränkt sein solle, in dem die Einnahme zu bilanzieren war.
Eine solche Ausnahme liegt auch im Streitfall vor. Zutreffend weist der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme auf den im Urteil des Senats I 15/57 U näher dargestellten Zweck der Bestimmung des § 3a EStG 1953 hin. Wie in dem Urteil ausgeführt ist, handelt es sich bei den Steuerbefreiungen des § 3a EStG wirtschaftlich und sachlich um kapitalmarktpolitische Maßnahmen. Mit der Steuerbefreiung sollte aus Steuermitteln ein Zuschuß gewährt werden. Durch den Steuerverzicht sollte den Eigentümern der Wertpapiere ein Mindestnettozins garantiert werden. Diese Zweckbestimmung gebietet es, die nach § 3a EStG 1953 steuerfreien Zinseinnahmen nicht mit dem abzugsfähigen Verlust zu verrechnen. Sie würde, worauf der Bundesminister der Finanzen in seiner Stellungnahme hinweist, im Falle der Verrechnung nicht voll erreicht. Wirtschaftlich wird die garantierte Nettoverzinsung, die dem Steuerpflichtigen ungeschmälert erhalten bleibt, wenn er in dem Veranlagungszeitraum der Vereinnahmung und im folgenden Erhebungszeitraum Gewinne erzielt, dann beeinträchtigt, wenn die Zinseinnahmen mit dem abzugsfähigen Verlust verrechnet werden. Die Heranziehung der Zinseinnahmen würde im Jahre der Vornahme des Verlustabzugs zu einer höheren Steuer führen. Der vom Gesetzgeber gewollte Steuerverzicht (Urteil des Bundesfinanzhofs I 15/57 U) bliebe entgegen dem Zweck der Vorschrift des § 3a EStG 1953 nicht in vollem Umfang erhalten.
Die vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend auch für die gemäß § 5 Abs. 3 IHG von den Steuern vom Einkommen und Ertrag befreiten Zinseinnahmen aus Aufbringungsbeträgen. Bereits nach der Entstehungsgeschichte sind diese Zinsen ebenso zu behandeln wie die gemäß § 3a EStG 1953 steuerfreien Zinsen. Der Abgeordnete Naegel hat als Berichterstatter des Ausschusses für Wirtschaftspolitik anläßlich der 2. Beratung des Entwurfs des Gesetzes zur änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft (Sitzungsbericht des Bundestags, 220. Sitzung am 26. Juni 1952, S. 9763 C) ausgeführt, daß für diese Zinsen die gleiche Vergünstigung gelten solle, wie dies für Wertpapiererträgnisse in dem Gesetz zur Förderung des Kapitalmarktes vorgesehen sei. Für den wirtschaftlichen Zusammenhang der Steuerbefreiung der Zinsen gemäß § 5 Abs. 3 IHG mit der auf Grund der Kapitalmarktförderung spricht schließlich auch, daß § 5 Abs. 3 IHG in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft vom 22. August 1952 (BGBl 1952 I S. 585, BStBl 1952 I S. 747) durch Art. 3 des Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarktes vom 15. Mai 1953 geändert wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 409447 |
BStBl III 1959, 366 |
BFHE 1960, 275 |
BFHE 69, 275 |
BB 1959, 910 |
DB 1959, 1422 |