Leitsatz (amtlich)
Der Nießbraucher eines Miteigentumsanteils an einem Einfamilienhaus kann erhöhte Absetzungen nach § 7 b EStG nicht in Anspruch nehmen, wenn ihm der Nießbrauch unentgeltlich eingeräumt worden ist.
Normenkette
EStG §§ 7b, 9 Abs. 1, § 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin zu 2.) erbte von ihrer Mutter den Miteigentumsanteil an dem Grundstück K-Straße mit der Auflage, ihn gegen Bestellung eines Nießbrauchsrechts für sich und ihren Ehemann (Kläger und Revisionskläger - Kläger zu 1. -) auf ihre Kinder (geboren 1955 und 1958) - die Kläger und Revisionskläger (Kläger zu 3. und 4.) - zu übertragen. Die Kinder verkauften den erworbenen Anteil für 141 666 DM und erwarben sodann das Grundstück T-Straße. Auf diesem Grundstück wurde von einer Wohnbaufirma ein schlüsselfertiges Reihenhaus errichtet. Da die Kinder insgesamt nur 144 000 DM aufbringen konnten, verpflichteten sich die Eltern, die darüber hinausgehenden Kosten zu tragen.
Entsprechend der voraussichtlichen Kostenbeteiligung der Eltern an den Gesamtkosten für das Grundstück und das gemeinschaftlich fertigzustellende Haus wurden ihnen von den Kindern durch notariellen Vertrag vom 4. Oktober 1972 Miteigentumsanteile eingeräumt. An ihren eigenen Miteigentumsanteilen räumten die Kinder der Mutter und - im Falle ihres Todes - dem Vater gemäß der Auflage im Testament der Großmutter ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht ein. Die Eltern verpflichteten sich, sämtliche Lasten und Aufwendungen für das Grundstück wie ein Eigentümer zu tragen, ohne Ersatzansprüche gegen die Kinder geltend machen zu können.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte für das Streitjahr 1972 einen Bescheid, in dem er die erhöhten Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Klägern entsprechend ihren Miteigentumsanteilen zurechnete.
Die hiergegen gerichtete Sprungklage, mit der die Kläger begehrten, die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG insgesamt nur bei den Klägern zu 1. und 2. (Eltern) zu berücksichtigen, blieb erfolglos.
Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) ist der Nießbraucher grundsätzlich nicht berechtigt, die Absetzungen nach § 7 b EStG geltend zu machen. Auch die Zustimmung der Kinder als Eigentümer könne hier die Berechtigung dazu nicht begründen. Die Eltern seien trotz ihrer Verpflichtung, auch außerordentliche Lasten zu übernehmen, keine wirtschaftlichen Eigentümer des Miteigentumsanteils der Kinder geworden.
Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Der angefochtene Bescheid sei schon deshalb fehlerhaft, weil er keine Feststellung über die Höhe der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern lediglich über die Absetzung für Abnutzung (AfA) und die Schuldzinsen treffe.
Die Eltern hätten Anspruch auf die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG auf das ganze Haus, weil sie durch ihre Beteiligung an den Baukosten den Wertverzehr zu tragen hätten. Das Grundstück T-Straße sei im übrigen das Surrogat für den Miteigentumsanteil an dem Grundstück K-Straße, bei dem die Eltern die AfA hätten geltend machen dürfen. Das FG würdige auch nicht die Verpflichtung der Eltern zur Tilgung der Hypothekendarlehen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Jahr 1972 in der Weise zu ändern, daß für die Kläger zu 1. und 2. ein Verlustanteil von je 4 120 DM festgesetzt wird. Hilfsweise beantragen sie, die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG den Klägern zu 1. und 2. entsprechend ihrem Anteil an den Baukosten zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FA hat zu Recht einen Bescheid gemäß § 215 der Reichsabgabenordnung (AO) erlassen. Die hier streitige Frage, ob die Eltern allein zur Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen berechtigt sind, ist im Verfahren über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu entscheiden. In diesem Verfahren ist auch zu entscheiden, wer an den Einkünften beteiligt ist. Im Streitfall konnte davon nicht gemäß § 215 Abs. 2 Nr. 4 AO (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung - AO 1977 -) abgesehen werden, wenn allein die Eltern an den Einkünften beteiligt gewesen sein sollten. Auch dann wäre im Hinblick auf den Nießbrauch und seine Auswirkungen auf die AfA-Berechtigung der Kläger kein Fall von geringerer Bedeutung gegeben.
Die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG kann als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 b EStG) nur geltend machen, wer den Tatbestand einer Einkunftsart verwirklicht. Ob die Eltern im Streitjahr den Tatbestand des § 21 Abs. 2 1. Alternative EStG erfüllt haben, d. h. im eigenen Haus wohnten, kann der Senat nicht entscheiden, weil nicht feststeht, ob sie noch 1972 als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen worden sind. Auf diese Feststellung kommt es jedoch hier ausnahmsweise nicht an, weil FA und FG den Eltern die erhöhten Absetzungen insoweit zugesprochen haben. Das Revisionsgericht könnte sie ihnen danach nicht absprechen, weil dies auf eine Verböserung hinausliefe, die unzulässig ist (§ 96 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Hinsichtlich des Miteigentumsanteils der Kinder stehen den Eltern die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG nicht zu.
Den Tatbestand des § 21 Abs. 2 1. Alternative EStG haben die Kläger insoweit auch dann nicht verwirklicht, wenn ihnen im Streitjahr zivilrechtlich wirksam ein Nießbrauch am Miteigentumsanteil der Kinder bestellt worden sein sollte. Aufgrund des Nießbrauchsrechts sind sie nicht bereits wirtschaftliche Eigentümer der belasteten Anteile geworden (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1967 VI 263/65, BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311) und ebensowenig durch die vertragliche Übernahme sämtlicher Lasten und Aufwendungen für die Unterhaltung des Nießbrauchsobjekts (§ 3 des Vertrags vom 4. Oktober 1972). Anders als in den BFH-Urteilen vom 8. März 1977 VIII R 180/74 (BFHE 122, 64, BStBl II 1977, 629) und vom 21. Juni 1977 VIII R 18/75 (BFHE 124, 313, BStBl II 1978, 303) haben die Eltern sich hier nicht den Nießbrauch vorbehalten und damit auch nicht Nutzungen, die sie in gleicher Weise und in gleichem Umfang bereits vorher hatten, weiterhin gezogen (so auch BFH-Urteil vom 11. Dezember 1973 VIII R 47/68, BFHE 112, 27, BStBl II 1974, 509). Die Übernahme der Unterhaltungskosten und die Tilgung der Darlehen, die zur Finanzierung ihres Kostenanteils aufgenommen wurden, verschaffte ihnen gegenüber den Miteigentümern keine stärkere Stellung als sie der Nießbraucher normalerweise innehat.
Die Eltern sind auch nicht aufgrund der Vereinbarung oder der Erklärung der Kinder vom 13. August 1975 zu den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG befugt. Eine zivilrechtliche Vereinbarung kann nicht fehlende gesetzliche Voraussetzungen für den Abzug der Absetzungen ersetzen (BFH-Urteil in BFHE 88, 168, BStBl III 1967, 311). Der vorliegende Sachverhalt ist auch nicht mit dem zu vergleichen, der dem BFH-Urteil vom 25. August 1961 VI 180/60 U (BFHE 73, 593, BStBl III 1961, 482) zugrunde lag. Dort war vereinbart, die erhöhten Absetzungen entsprechend den Anteilen an den Baukosten zu verteilen (vgl. auch Abschn. 53 Abs. 6 der Einkommensteuer-Richtlinien 1972 - EStR 1972 -). Dazu besteht hier nach den tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) kein Anlaß.
Sind die Eltern nicht Eigentümer des Miteigentumsanteils der Kinder geworden, scheidet auch die Möglichkeit, erhöhte Absetzungen gemäß § 7 b EStG von den Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers (§ 11 d der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -) vorzunehmen, aus (vgl. dazu Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 7 b EStG Anm. 97).
Als Nießbraucher erfüllten die Eltern möglicherweise den Tatbestand des § 21 Abs. 2 2. Alternative EStG. AfA, insbesondere die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG, können sie gleichwohl nicht in Anspruch nehmen, weil insoweit nicht sie, sondern nur die Kinder Herstellungskosten für das Gebäude aufgewendet haben. Da es sich bei den AfA nach § 7 EStG und auch bei den erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG um Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) handelt, muß derjenige, der sie geltend macht, auch Aufwendungen (vgl. dazu Offerhaus, Betriebs-Berater 1979 S. 617 - BB 1979, 617 -) gehabt haben (vgl. allgemein Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 7 EStG Anm. 41 ff.).
Der Umstand, daß die Kinder die Herstellungskosten aufgewendet und die Nutzung des Grundstücksanteils den Eltern unentgeltlich überlassen haben, bewirkt nicht, daß ihre Herstellungskosten oder der auf die Nutzungszeit der Eltern entfallende Anteil bei diesen als Werbungskosten zu behandeln sind. Das Einkommensteuerrecht gestattet nicht, daß AfA in jedem Falle anzusetzen sind, in dem ein Wirtschaftsgut genutzt wird, für das von einem Dritten Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufgewendet wurden (vgl. auch Bundesrats-Drucksache 29/66 vom 21. Januar 1966 zur Begründung des § 11 d EStDV). Auch eine analoge Anwendung des § 11 d Abs. 1 EStDV, wonach AfA auf ein Wirtschaftsgut, das der Steuerpflichtige unentgeltlich erworben hat, von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers möglich sind, scheidet aus. Als Nießbraucher sind die Eltern nicht die Rechtsnachfolger ihrer Kinder; die Kinder haben auch keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut "Nutzungsmöglichkeit", sondern für das Grundstück und das Gebäude aufgewendet.
Hinsichtlich des Hilfsantrags ist die Revision ebenfalls unbegründet, weil sie sich auf Tatsachen stützt, die erst in der Revision vorgetragen wurden. Sie sind vom FG nicht festgestellt. Die Revision hat insoweit auch keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben (§ 118 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 74276 |
BStBl II 1982, 454 |
BFHE 1981, 409 |