Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wird in einem Erbauseinandersetzungsvertrag einem Erben das Recht eingeräumt, den forstwirtschaftlichen Aufwuchs auf bestimmten Parzellen nach Erreichung der Schlagreife abzuholzen, so unterliegen die vom Erben hieraus erzielten Einnahmen nicht der Einkommensteuer. Sie gehören weder zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft noch aus Kapitalvermögen.
Normenkette
EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1, § 20/1/4
Tatbestand
Die im Jahre 1950 verstorbene Ehefrau des Steuerpflichtigen (Stpfl.) - Gast- und Forstwirt - hat im Jahre 1937 mit zwei Brüdern ihren Vater beerbt, der land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz hinterlassen hatte. Der landwirtschaftliche Betrieb ging auf einen Bruder über. Durch notariellen Vertrag vom 29. August 1938 übernahm er die Verpflichtung, seiner Schwester den forstwirtschaftlichen Aufwuchs auf bestimmten Grundstücksflächen zu überlassen. Sie hatte das Hochholz innerhalb von 10 Jahren von den Parzellen auf ihre Kosten zu entfernen. Im Jahre 1949 wurden die Holzbestände geschlagen und für 51.544,49 DM verkauft. Das Finanzamt nahm an, daß diese Einnahmen im Rahmen der land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte zugeflossen seien. Es ließ von dem Betrag einen Abzug von 40 v. H. der Einnahmen zu und zog 30.927 DM als außerordentliche Waldnutzung zur Einkommensteuer heran. Der Beschwerdeführer wandte hiergegen ein, es liege ein einmaliger Vermögenszufluß vor, der nicht einkommensteuerpflichtig sei. Der Grundeigentümer sei im übrigen mit den Parzellen seit Jahren zur Durchschnittsbesteuerung herangezogen worden. Damit seien auch die Einnahmen aus dem Holzverkauf abgegolten.
Das Finanzgericht sah ebenfalls die umstrittenen Beträge nicht als einkommensteuerpflichtig an. Die Ehefrau des Stpfl. habe ursprünglich einige Grundstücke erhalten sollen. Als sich dies durch behördliche Maßnahmen zerschlagen habe, habe es nahe gelegen, ihr zum Ausgleich eine Geldabfindung zu geben. Dies sei jedoch an der mangelnden Zahlungskraft ihres Bruders gescheitert. Man habe deshalb die Lösung gefunden, ihr den Aufwuchs einiger Waldparzellen zuzusprechen, den sie zu einem geeigneten Zeitpunkt in Geld habe umsetzen können. Sie habe also als Erbanteil einen Sachwert erhalten, der nunmehr zu Geld gemacht werde. Eine andere Betrachtungsweise wäre nur möglich, wenn man ab 1938 einen forstwirtschaftlichen Betrieb der Ehefrau unterstellen wollte. Gegen diese Unterstellung spreche alles. Rechtlich gesehen sei sie nicht Eigentümerin des Aufwuchses gewesen, sondern erst bei der Abholzung geworden. Steuerlich sei der Aufwuchs dem Grundeigentümer im Rahmen der Durchschnittsbesteuerung zugerechnet worden. Tatsächlich sei die Ehefrau infolge ihres Gesundheitszustandes zu einer Bewirtschaftung überhaupt nicht in der Lage gewesen. Unter diesen Umständen sei es nicht angängig, einen forstwirtschaftlichen Betrieb der Ehefrau anzunehmen.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzvorstehers vertritt die bei der Veranlagung eingenommene Auffassung. Auch der Nießbraucher oder Nutzungsberechtigte eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes beziehe Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Daß die Ehefrau des Stpfl. infolge ihres Gesundheitszustandes den Wald nicht selbst gepflegt habe, sei nicht entscheidend. Ihr Bruder habe ihr Hand- und Spanndienste geleistet.
Entscheidungsgründe
Der Rb. muß der Erfolg versagt werden.
Das Finanzgericht hat festgestellt, daß nicht die Ehefrau des Stpfl., sondern ihr Bruder die Waldparzellen bewirtschaftet hat. Die Ehefrau des Stpfl. hat lediglich das Recht auf Abholzung des schlagreifen Holzes gehabt. Dies allein bewirkt keinen forstwirtschaftlichen Betrieb. Ein forstwirtschaftlicher Betrieb setzt voraus, daß forstwirtschaftliche Flächen bewirtschaftet, d. h. bestellt und abgeerntet werden. Eine Nutzung ist auch dann gegeben, wenn der Betriebsinhaber auf Grund einer schuldrechtlichen Verpflichtung das Abernten einem Dritten überläßt und sich auf diese Weise von der Schuld befreit. Auch beim aussetzenden Forstbetrieb erschöpft sich die Tätigkeit des Betriebsinhabers nicht im Abschlagen des schlagreifen Holzes, sondern es ist eine Betreuung der Flächen bis zur Hauptnutzung notwendig. Der Hauptnutzung geht im übrigen die Vornutzung voraus. Unbestritten hat das Finanzamt den Bruder der Ehefrau des Stpfl. bei der Veranlagung als den Bewirtschafter der Flächen angesehen. Das Finanzgericht konnte jedenfalls zu der von ihm getroffenen Feststellung kommen.
Nimmt man keinen forstwirtschaftlichen Betrieb der Ehefrau des Stpfl. an, so ist weiter zu prüfen, ob nicht Kapitalnutzung i. S. des § 20 Abs. 1 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorliegt. Wirtschaftlich betrachtet sollte die Ehefrau des Stpfl. mit Geld abgefunden werden. Man könnte in dem Vorgang eine Sachwertverpflichtung erblicken, deren Erfüllung bis zum Jahre 1949 gestundet war. Des weiteren könnte man annehmen, daß von dem im Jahre 1949 fälligen Gesamtbetrag ein Teilbetrag auf steuerpflichtige Stundungszinsen entfällt.
Es bestehen jedoch auch hiergegen Bedenken. Es mag zutreffen, daß der Vorgang, im Rahmen einer Restkaufschuld betrachtet, in dieser Weise behandelt werden könnte. Man spaltet die gestundeten Kaufpreisraten in Kaufpreis und Stundungszinsen auf. Siehe Entscheidung des Reichsfinanzhofs IV 157/43 vom 27. Januar 1944, Reichssteuerblatt (RStBl.) 1944 S. 363. Im Streitfalle liegt aber wirtschaftlich betrachtet kein verzinsliches Darlehen vor. Die Beteiligten haben nicht in dieser Weise gerechnet. Die Schwester sollte durch die Nutzung des schlagreifen Holzes lediglich in ihren erbrechtlichen Ansprüchen befriedigt werden. Der Begriff der Kapitalnutzung setzt voraus, daß ein Darlehen mit entsprechender Verzinsung wirtschaftlich betrachtet gegeben werden soll. Ob dies zutrifft, muß nach den Verhältnissen des einzelnen Falles entschieden werden. Der Reichsfinanzhof hat in seiner Entscheidung I A 40/21 vom 3. Juni 1921, Slg. Bd. 6 S. 63, in Antizipationszinsen aus den gleichen Erwägungen heraus lediglich eine Herabsetzung des Kaufpreises und keine Verzinsung einer Kapitalforderung gesehen. In der Entscheidung VI 435/40 vom 8. Januar 1941, Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform, EStG 1938/39 § 22 Ziff. 1 Rechtsspr. 3, hat er unverzinslich gestundete Kaufpreisraten anerkannt. Auch im vorliegenden Falle wird man eine verzinsliche Forderung nicht annehmen können. Die Ehefrau des Beschwerdeführers wurde im Jahre 1949 ausschließlich auf Grund ihrer erbrechtlichen Ansprüche tätig. Verneint man eine verzinsliche Kapitalforderung, so entfällt die Einkommensteuerpflicht. Das Einkommensteuergesetz 1925 und ihm folgend das Einkommensteuergesetz 1934 haben den im § 5 EStG 1920 enthaltenen Schanz'schen Vermögenszuwachsbegriff fallen lassen, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob nicht auch für dieses Gesetz die Vorschrift des § 12 Ziff. 1 einer Besteuerung entgegengestanden hätte.
Die Rb. muß als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407479 |
BStBl III 1952, 268 |
BFHE 1953, 697 |
BFHE 56, 697 |