Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 131 AO gilt nicht für den Anspruch des Bundes auf Rückzahlung zu Unrecht bewilligter Grundsteuerbeihilfen.

 

Normenkette

GrStG § 29; AO § 131

 

Tatbestand

Für die Grundstücke W...er Weg Nr. 50, 52/54, 56/58, 60/62 und 64/66 in N. hatte das Finanzamt ab 1. April 1942 Grundsteuerbeihilfen nach § 29 des Grundsteuergesetzes (GrStG) gewährt, diese aber vom 1. April 1951 ab wieder entzogen. Die Entziehung der Beihilfen ist durch den erkennenden Senat mit Urteil III 116/56 S vom 6. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 236, Slg. Bd. 63 S. 102) bestätigt worden. Auf Grund dieser Entscheidung hat das Finanzamt von der Stadtgemeinde N. die in der Zeit vom 1. April 1951 bis zum 31. März 1957 zu Unrecht empfangenen Grundsteuerbeihilfen zurückgefordert. Die Stadtgemeinde ihrerseits hat von den Grundeigentümern (den Bf.) die Nachentrichtung dieser Grundsteuerbeträge verlangt.

Mit Schreiben vom 28. Februar 1957 beantragten die Bf. beim Bundesminister der Finanzen, die Rückforderungen aus Billigkeitsgründen gemäß § 131 AO zu erlassen. Der Antrag wurde vom Bundesminister der Finanzen durch Bescheid vom 6. Mai 1957 mit folgender Begründung abgelehnt: Der Anspruch auf die Grundsteuerbeihilfe sei seinem Wesen nach ein Vergütungsanspruch im Sinne des § 158 AO. Die Zahlung der Grundsteuerbeihilfen erfolge aus Haushaltsmitteln des Bundes und sei nur für solche Besitzungen zulässig, die die Voraussetzungen der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten erfüllten. Die Vorschrift des § 131 AO gelte nur für Ansprüche aus Steuergesetzen, aber nicht für Zahlungen aus Haushaltsmitteln. Dadurch werde jedoch die Befugnis der Stadtgemeinde, die nachgeforderte Grundsteuer im Billigkeitswege nach § 131 AO ganz oder teilweise zu erlassen, nicht berührt.

Gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesministers der Finanzen legten die Bf. Berufung ein; sie hatten keinen Erfolg. Die Entscheidung des Finanzgerichts beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen: Der rechtmäßige Entzug der Beihilfe habe zur Folge, daß die Stadtgemeinde dem Bund die zu Unrecht gezahlten Grundsteuerbeihilfen zurückerstatten müsse. Dementsprechend könne die Stadtgemeinde von den Bf. die Nachzahlung der nicht mehr durch die Beihilfen gedeckten Grundsteuerbeträge verlangen. Mit ihrem Antrage auf Erlaß der Grundsteuer aus Billigkeitsgründen müßten sich die Bf. an die Stadtgemeinde (die Steuergläubigerin) wenden. Die Bf. hätten diesen Weg offenbar deswegen nicht beschritten, weil sie befürchtet hätten, daß ihr Antrag ganz oder teilweise an der mangelnden Finanzkraft der Stadtgemeinde scheitern könnte. Sie hätten sich deshalb mit ihrem Begehren an den Bund gewandt und beantragt, die entzogene Grundsteuerbeihilfe im Billigkeitswege für die Zeit vom 1. April 1951 bis 31. März 1957 weiter zu gewähren. Dieser Antrag sei mit Recht vom Bundesminister der Finanzen aus verfahrensrechtlichen Gründen abgelehnt worden; denn erlassen werden könnten nach § 131 AO nur Steuer- und Abgabenbeträge, die nach den Steuer- und Abgabengesetzen geschuldet würden, nicht aber Zuschüsse, die bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen von einem Gemeinwesen an ein anderes Gemeinwesen zu zahlen seien. Der Anspruch der Gemeinde auf Gewährung der Grundsteuerbeihilfe sei kein Steueranspruch im Sinne des § 131 AO. Die Voraussetzungen, unter denen die Grundsteuerbeihilfe gewährt werden dürfe, seien gesetzlich festgelegt. Nachdem die Rechtmäßigkeit des rückwirkenden Entzuges der Beihilfe feststehe, bestehe für den Bundesminister der Finanzen keine Möglichkeit, auf den Rückzahlungsanspruch gegenüber der Stadtgemeinde zu verzichten. Demgemäß sei in der Zurückweisung des Antrages ein Ermessensmißbrauch nicht zu erblicken. Eine Zuziehung der Stadtgemeinde als Beteiligte zum Verfahren komme nicht in Betracht, da deren Interesse durch die Entscheidung nicht berührt werde.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) bringen die Bf. vor allem folgendes vor: Das Finanzgericht habe den Grundsteuererlaß - ebenso wie der Bundesminister der Finanzen - nur aus formellen Gründen versagt. Es sei nicht geprüft worden, ob materiell ein Billigkeitserlaß gerechtfertigt und geboten sei. Aber auch die formellen Erwägungen, auf denen das angefochtene Urteil beruhe, seien rechtsfehlerhaft. Das Finanzgericht irre mit der Annahme, daß nur ein Ermessensmißbrauch die Aufhebung einer Verwaltungsentscheidung rechtfertige. Auch Ermessensüberschreitung und Ermessensfehler müßten zur Aufhebung von Ermessensentscheidungen der Verwaltungsbehörden führen. Ein Ermessensfehler liege dann vor, wenn die Entscheidung der Verwaltungsbehörde auf einem Rechtsirrtum beruhe. Ein solcher Fall liege hier vor. Der Bundesminister der Finanzen habe geglaubt, zu einer Billigkeitsmaßnahme nicht berechtigt zu sein. Diese Auffassung sei aber rechtsirrig. Wegen dieses Rechtsirrtums habe er überhaupt keine Ermessenserwägungen angestellt. Das Finanzgericht gehe zu Unrecht davon aus, daß ein Anspruch der Gemeinde auf Gewährung der Grundsteuerbeihilfe bestehe. Der Anspruch stehe dem Grundeigentümer und nicht der Gemeinde zu. Darauf komme es aber nicht unmittelbar an; es gehe nicht darum, ob die Beihilfe weiter gewährt werden müsse, sondern nur darum, ob die Rückforderung der Beihilfe unbillig sei. Rechtlich stelle die Rückforderung der Beihilfe einen Erstattungsanspruch im Sinne des § 157 AO dar. Auf solche Ansprüche, die ebenfalls Steueransprüche seien, finde § 131 AO genau so Anwendung wie auf solche Forderungen, die unmittelbar auf Bezahlung von geschuldeten Steuern gerichtet seien. Möglicherweise sei in der Praxis der Finanzgerichte der Fall, daß die Anwendbarkeit des § 131 AO auf eine bestimmte Art von Forderungen zweifelhaft sei, noch nicht vorgekommen. Die allgemeinen Verwaltungsgerichte und Verwaltungsbehörden, die nicht auf steuerlichem Gebiet tätig seien, hätten sich schon häufig mit der Frage befassen müssen, ob § 131 AO auch außerhalb des eigentlichen Steuerrechtes anzuwenden sei, und sie mit der Begründung bejaht, daß § 131 AO einen allgemeinen Rechtsgedanken enthalte. Wenn diese Vorschrift sogar außerhalb des Steuerrechtes anwendbar sei, dann könne ein Zweifel, daß sie im Steuerrecht zu gelten habe, erst recht nicht bestehen. Die Zuziehung der Stadtgemeinde sei zu Unrecht abgelehnt worden.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist unbegründet.

Den Bf. ist darin beizutreten, daß der Anspruch auf die Grundsteuerbeihilfe nach § 29 GrStG nicht der steuerberechtigten Gemeinde, sondern dem Schuldner der Grundsteuer - in der Regel also dem Eigentümer der Arbeiterwohnstätte - zusteht. Das ergibt sich unter anderem daraus, daß nach der Regelung der Verordnung über die Förderung von Arbeiterwohnstätten vom 1. April 1937 (RGBl I S. 437) der Schuldner der Grundsteuer die Gewährung der Beihilfe zu beantragen hat (ß 9 Abs. 1) und ihm gegenüber über die Gewährung oder Ablehnung der Beihilfe durch schriftlichen Bescheid des Finanzamts zu entscheiden ist. Der Anspruch des Steuerschuldners auf die Beihilfe wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß der Bund die Beihilfe nicht an den Steuerschuldner selbst, sondern aus Vereinfachungsgründen an den Fälligkeitsterminen der Grundsteuer unmittelbar an die hebeberechtigte Gemeinde zahlt und damit den Steuerschuldner jeweils von seiner Steuerzahlungspflicht befreit.

Nach der Auffassung des Bundesministers der Finanzen handelt es sich bei dem Anspruch auf die Grundsteuerbeihilfe um einen Vergütungsanspruch im Sinne des § 158 AO. Die AO behandelt in den §§ 150 bis 159 die Erstattungs- und Vergütungsansprüche. Beiden Ansprüchen ist gemeinsam, daß sie öffentlich-rechtlicher Natur sind und mit Mitteln der AO geltend gemacht werden müssen. Der Unterschied besteht in folgendem: Der Erstattungsanspruch setzt voraus, daß eine Steuer oder eine andere Geldleistung, die nach den Steuergesetzen entrichtet worden ist, zu Unrecht gezahlt worden ist. Vergütungsansprüche werden in der Regel gewährt, um ein wirtschaftlich erwünschtes Verhalten (zum Beispiel die Ausfuhr) zu fördern. Während der Steuerpflichtige bei der Erstattung regelmäßig einen Betrag zurückerhält, den er selbst auf Grund der Steuergesetze geleistet hat, kann die Vergütung auch für eine vom Steuerzahler verschiedene Person in Betracht kommen. Die AO selbst enthält keine Vorschrift darüber, wann im einzelnen Vergütungen zu zahlen sind. Die Tatbestände, die einen Vergütungsanspruch begründen, sind vielmehr aus den Einzelsteuergesetzen zu entnehmen (vgl. § 158 Abs. 1 AO). Diese Vorschrift beschränkt sich im wesentlichen darauf, allgemein zu bestimmen, innerhalb welcher Frist Vergütungsansprüche, soweit nicht andere Fristen vorgeschrieben sind, geltend gemacht werden können. Aus § 158 AO ergibt sich nicht, daß Vergütungsansprüche immer nur an eine vom Steuerschuldner verschiedene Person gewährt werden könnten. Es werden keine Bedenken zu erheben sein, daß ein Einzelsteuergesetz - abweichend von der Regel - einen Vergütungsanspruch an den Steuerschuldner selbst einräumt. § 158 AO geht allerdings davon aus, daß ein Vergütungsanspruch in Betracht kommt, wenn die Steuer vorher einbezahlt worden ist. Für die Entstehung des Vergütungsanspruchs kann es aber nicht unbedingt auf die vorherige Bezahlung der Steuer ankommen. Die Einzelsteuergesetze beschränken sich auch nicht darauf, die Gewährung des Vergütungsanspruchs an die Voraussetzung der vorherigen Entrichtung der Steuer zu knüpfen. So sieht zum Beispiel § 16 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes bei der Ausfuhr von Gegenständen in das Ausland eine Ausfuhrvergütung bis zur Höhe der Steuer vor, die auf der Lieferung oder der Einfuhr der Bestandteile, Zubehörteile und Hilfsstoffe lastet, die bei der Erzeugung der Gegenstände verwendet worden sind; daß es sich hierbei um einen Vergütungsanspruch im Sinne des § 158 AO handelt, ist unbestritten. Demgemäß wird auch die Auffassung, daß der Anspruch auf die Grundsteuerbeihilfe einen Vergütungsanspruch im Sinne des § 158 AO darstellt, vertretbar sein.

Durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs III 116/56 S vom 6. Juli 1956 ist unanfechtbar festgestellt, daß die Beihilfe zu Unrecht in Anspruch genommen worden ist. Demgemäß hat der Bund einen Rückzahlungsanspruch, der sich unmittelbar gegen die Gemeinde richtet. Mit welchen Mitteln dieser Anspruch vom Bund zu verfolgen wäre, falls die Gemeinde die Rückzahlung ablehnen würde, braucht hier nicht entschieden zu werden, da der Streit nicht um diese Frage geht. Soviel kann jedoch gesagt werden, daß es sich bei dem Rückforderungsanspruch des Bundes nicht um einen Erstattungsanspruch im Sinne von § 157 AO handelt. Diese Vorschrift bezieht sich auf "andere Geldleistungen" als Steuern, die nach den Steuergesetzen entrichtet worden sind (zum Beispiel Erzwingungsgelder, Sicherungsgelder, Geldstrafen, Ordnungsstrafen, Kosten des Steuerermittlungs- und Rechtsmittelverfahrens, Kosten des Steuerstrafverfahrens, Zuschläge nach dem Steuersäumnisgesetz). Daß der Anspruch des Bundes auf Rückzahlung der Grundsteuerbeihilfe nicht unter die genannte Vorschrift fällt, bedarf keiner Erörterung. Hieraus ergibt sich weiter, daß der Rückforderungsanspruch auch nicht unter § 131 AO fällt; denn diese Vorschrift bezieht sich nur auf Steuern, die beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erlassen werden können. Ob und inwieweit von den Behörden oder Gerichten der allgemeinen Verwaltung außerhalb des Kommunalabgabenrechts, auf dem die Geltung des § 131 AO zumeist vorgeschrieben ist (zum Beispiel § 3 Abs. 3 Ziff. 2 AO), § 131 AO für anwendbar gehalten wird, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls wäre der Bundesfinanzhof für eine Entscheidung in diesem Sinne nicht zuständig.

Die Vorinstanz hat es auch mit Recht abgelehnt, die Stadtgemeinde nach § 241 Abs. 2 AO zu diesem Verfahren als Beteiligte zuzuziehen. Die Zuziehung zum Verfahren setzt eine steuerrechtliche Beteiligung voraus. Eine solche liegt hier nicht vor.

Den Bf. muß, worauf das Finanzgericht bereits hingewiesen hat, überlassen bleiben, ihren Antrag auf Erlaß von Grundsteuer aus Billigkeitsgründen an die Stadtgemeinde N. als Steuergläubigerin zu richten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409478

BStBl III 1959, 471

BFHE 1960, 565

BFHE 69, 565

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