Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Von dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist gegenüber den Vorschriften des Lastenausgleichsgesetzes über die Hypothekengewinnabgabe nur mit größter Vorsicht Gebrauch zu machen.
Zur abgabenrechtlichen Behandlung spätvalutierter Hypotheken.
Normenkette
LAG §§ 145, 101 Abs. 1; StAnpG § 1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist auf Grund des notariellen Kaufvertrages vom 18. Juli 1953 Eigentümer des im Grundbuch von X in Band 7 Blatt Nr. 220 eingetragenen bebauten Grundstücks Forstweg 14 in B. Der Voreigentümer B. hat das Grundstück in Abt. III unter Nr. 16 zugunsten der Sparkasse der Stadt B. mit einer zu 4 1/2 bis 5 1/2 v. H. jährlich verzinslichen und mit jährlich 160 RM zu tilgenden Hypothek von 16.000 RM belastet. Diese am 15. Oktober 1947 eingetragene Hypothek übernahm der Bf. in Anrechnung auf den Kaufpreis.
Das Finanzamt hat die vorerwähnte Hypothek in Höhe von 4.842,16 RM als spätvalutiert im Sinne von § 101 Abs. 1 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) anerkannt, dagegen hinsichtlich des übrigen Betrages von 11.157,84 RM dem Bf. den Hypothekengewinnabgabebescheid vom 24. Januar 1955 mit der Begründung zugestellt, die Post Nr. 16 habe in dieser Höhe der Ablösung der alten Post Nr. 14 gedient, die ebenfalls zugunsten der Sparkasse der Stadt B., und zwar seit 1937, eingetragen, mit 5 bis 6 v. H. jährlich verzinslich und am 1. April 1947 zur Rückzahlung fällig gewesen sei; bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sei die Post Nr. 16 insoweit lediglich die Fortsetzung der Post Nr. 14 und daher als altvalutiert anzusehen gewesen. Insoweit unterliege sie der Hypothekengewinnabgabe nach § 99 in Verbindung mit § III LAG.
Um diese Auffassung des Finanzamts geht der Rechtsstreit. Der Einspruch des Bf. ist durch Bescheid vom 4. Juli 1955 als unbegründet zurückgewiesen worden. Dasselbe Schicksal hatte die Berufung des Bf.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Bf.
Entscheidungsgründe
Die Auffassung des Finanzamts, daß die Post Nr. 16, soweit sie zur Ablösung der aus 1937 stammenden Post Nr. 14 gedient habe, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise lediglich als fortdauernde Post Nr. 14 anzusehen sei und deshalb nicht im Sinne des § 101 Abs. 1 LAG als spätvalutiert gelten könne, vielmehr in vollem Umfange hypothekengewinnabgabepflichtig sei, ist jedenfalls für den vorliegenden Streitfall nicht haltbar.
Der Sinn und Zweck des § 101 Abs. 1 LAG und auch des für Berlin (West) geltenden § 145 LAG, der ebenfalls den Eigentümer von Hypothekengewinnabgabeleistungen entbindet und außerdem den Abzug eines Pauschalbetrages von 20 v. H. bei Festsetzung der Vermögensabgabe zuläßt, ist durch die überlegung begründet, man dürfe dem Grundstückseigentümer die Hypothekengewinnabgabepflicht in dem allgemeinen Umfange nicht in einem Falle zumuten, in welchem er die Valuta erst nach dem 8. Mai 1945 in bereits entwerteter RM ausgezahlt erhalten habe. Der Gesetzgeber hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß diese überlegung, abgesehen vom Falle des § 101 Abs. 2 LAG, allgemein durchgreife. Der Ausnahmefall von § 101 Abs. 2 LAG rechtfertigt sich dadurch, daß der Grundstückseigentümer in dem hier geregelten Falle mit Hilfe seiner Aufwendungen in entwerteter RM einen vollwertigen Gegenwert in Gestalt des erworbenen Grundstücks erhalten hat.
In dem hier streitigen Falle ist dieser Ausnahmefall nicht gegeben. Vielmehr hat hinsichtlich der Post Nr. 16 der Vorgänger des Bf. im Jahre 1947 entwertete RM empfangen. Es greift hier deshalb die allgemeine überlegung Platz, die dem § 101 Abs. 1 sowie dem § 145 LAG zugrunde liegt. Die an die tatsächliche Entwicklung der Verhältnisse gebundene wirtschaftliche Betrachtungsweise kann zu keiner anderen Beurteilung führen (ebenso Harmening, Lastenausgleichsgesetz, § 101 Anm. 10). Der Grundstückseigentümer hat die Post Nr. 14 zurückgezahlt, löschen lassen und damit rechtlich und insofern auch tatsächlich zu einem völligen Ende gebracht, als er neue Valuta in entwertetem Gelde empfangen hat. Die Parteien haben sich nicht mit einer bloßen Schuldumschaffung begnügt (vgl. Enneccerus-Lehmann, Schuldrecht, 14. Bearbeitung 1954 S. 291). Deshalb würde der Standpunkt, die Post Nr. 14 sei als fortdauernd anzusehen, und zwar in Gestalt der Post Nr. 16, den Tatsachen widersprechen. Im vorliegenden Falle ist eine Konstruktion dieser Art nicht zulässig. Vielmehr ist die Post Nr. 16 in vollem Umfange als spätvalutiert anzuerkennen; sie ist nach § 145 LAG zu behandeln, weil es sich um einen Fall aus dem Bereich von Berlin (West) handelt. Es kann hier dahingestellt bleiben, wie in einem Fall bloßer Schuldumschaffung zu entscheiden sein würde.
Von dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist gegenüber den Vorschriften des LAG über die Hypothekengewinnabgabe trotz § 91 Abs. 2 LAG nur mit größter Vorsicht Gebrauch zu machen. Die allgemeine Geltung des Grundsatzes der wirtschaftlichen Betrachtungsweise kann im Gegensatz zu dem von Mundt in der Deutschen Steuer-Zeitung 1954 S. 229 ff. vertretenen Standpunkt für das Recht der Hypothekengewinnabgabe vom Senat nicht anerkannt werden. Dies ergibt sich schon aus dem engen Zusammenhang mit dem formal gehaltenen Recht der Grundpfandrechte und dem Zwangsversteigerungsrecht.
Schließlich ist es nicht vertretbar, eine tatsächlich spätvalutierte Hypothek im einen Falle, wenn sie zur Ablösung einer altvalutierten Hypothek desselben Hypothekars dient, als altvalutiert zu behandeln, dagegen in einem anderen Falle, wenn sie zur Ablösung der altvalutierten Hypothek eines anderen Hypothekengläubigers dient, unter sonst völlig gleichbleibenden Verhältnissen als spätvalutiert und hypothekengewinnabgabefrei anzuerkennen, wie dies die Auffassung von Kühne-Wolff, Lastenausgleichsgesetz, Anm. 3 zu § 101, ist. Der gesetzgeberische Grundgedanke von § 101 Abs. 1 und § 145 LAG wird in beiden Fällen gleichmäßig erfüllt. Deshalb sind beide Fälle abgabenrechtlich gleichmäßig nach § 101 Abs. 1 oder in Berlin (West) nach § 145 LAG zu behandeln.
Das angefochtene Urteil unterliegt deshalb ebenso wie die Einspruchsentscheidung der Aufhebung. Die Sache geht zur rechnerischen Ausführung im Sinne des § 145 LAG an das Finanzamt zurück, dem auch die Entscheidung über die Kosten des gesamten Rechtsmittelverfahrens und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes überlassen wird.
Fundstellen
Haufe-Index 408577 |
BStBl III 1956, 307 |
BFHE 1957, 286 |
BFHE 63, 286 |