Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs gemäß § 10d EStG
Leitsatz (NV)
Ein verbleibender Verlustvortrag ist auch dann erstmals gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr zwar bestandskräftig ist, darin aber keine nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte berücksichtigt worden sind (Änderung der Rechtsprechung gegenüber BFH-Urteilen vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97, BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3, HFR 1999, 544, und vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817, HFR 2002, 106).
Normenkette
EStG § 10d Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Einkommensteuer der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für das Streitjahr 1999 mit Bescheid vom 23. November 2000 auf 0 DM fest; der Festsetzung legte das FA einen Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 33 339 DM zugrunde.
Im Jahr 2005 machte die Klägerin erstmals einen Auflösungsverlust aus der Beteiligung an einer GmbH für das Streitjahr geltend und beantragte die gesonderte Feststellung des zum 31. Dezember 1999 verbleibenden Verlustvortrags. Das FA lehnte den Antrag ab.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, der zum 31. Dezember 1999 verbleibende Verlustvortrag sei nicht gesondert festzustellen, da der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr geändert werden könne (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97, BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil und den Ablehnungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1999 gesondert festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entgegen der Auffassung des FG ist ein zum 31. Dezember 1999 verbleibender Verlustvortrag gesondert festzustellen.
1. Ein verbleibender Verlustvortrag ist auch dann erstmals gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) gesondert festzustellen, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr bestandskräftig ist und darin keine nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte berücksichtigt worden sind; entgegen der Auffassung des FG ist im Streitfall § 10d Abs. 4 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) anzuwenden. Zur Begründung nimmt der Senat auf sein Urteil vom 17. September 2008 IX R 70/06 (zur Veröffentlichung bestimmt, BFHE …) Bezug.
2. Nach diesen Maßstäben ist der zum 31. Dezember 1999 verbleibende Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen; im bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr sind keine nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, sondern lediglich ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte ausgewiesen. Auch die für seine gesonderte Feststellung geltende Feststellungsfrist ist nicht abgelaufen. Sie begann mit Ablauf des Kalenderjahres 2002, da die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt keine Feststellungserklärung eingereicht hatte (vgl. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--; hierzu BFH-Urteil vom 10. Juli 2008 IX R 90/07, zur Veröffentlichung bestimmt, BFHE …). Ihr Ablauf ist gemäß § 171 Abs. 3a AO, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO bis zu einer unanfechtbaren Entscheidung über die Klage gehemmt, da der Kläger innerhalb der --frühestens mit Ablauf des Jahres 2006 endenden (vgl. § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO)-- Feststellungsfrist den Ablehnungsbescheid vom 18. November 2005 mit einem Einspruch angefochten hat.
3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob und in welcher Höhe ein verbleibender Verlustvortrag besteht. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Fundstellen