Entscheidungsstichwort (Thema)
(Erbauseinandersetzung durch Einräumung eines Wohnrechts - Ablösung des Wohnrechts - Ausgleichszahlungen bei Erbauseinandersetzung - Abfindung für vorzeitige Auflösung des Mietverhältnisses)
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Erbauseinandersetzung kann auch in der Weise durchgeführt werden, daß einem Erben ein Wohnrecht in dem einem anderen Miterben zugeteilten Gebäude eingeräumt wird. Dieses Wohnrecht ist nicht gegen Entgelt bestellt.
2. Die Ablösung des Wohnrechts durch den Miterben führt zu nachträglichen Anschaffungskosten.
Orientierungssatz
1. Erhält ein Miterbe in der Auseinandersetzung mehr, als ihm nach seinem Erbteil zusteht, und muß er hierfür eine Ausgleichsleistung erbringen, so entstehen ihm Anschaffungskosten, während sich für den weichenden Miterben ein Veräußerungserlös ergibt (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Eine Abfindung, mit der der Grundstückseigentümer den Mieter zum vorzeitigen Auszug veranlaßt, um anschließend eine Neuvermietung vorzunehmen, kann als Werbungskosten abgezogen werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 7 Abs. 4, § 16
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind die Miterben nach dem 1990 verstorbenen A. A und seine beiden Geschwister waren zu je 1/3 Miterben nach ihrem im Februar 1974 verstorbenen Vater. Zum Nachlaß gehörten ein Zweifamilienhaus im Verkehrswert von 300 000 DM, weiteres Vermögen im Werte von 77 000 DM und Verbindlichkeiten von 16 000 DM. Im Mai 1974 vereinbarten die Geschwister die Erbauseinandersetzung. Danach erhielt A das Grundstück zu Alleineigentum. Zum Ausgleich hatte er an seinen Bruder B 100 000 DM zu zahlen. Seiner Schwester C räumte er zur Abgeltung aller Erbauseinandersetzungsansprüche ein unentgeltliches Wohnrecht an der Wohnung im 2.Obergeschoß auf die Dauer von 30 Jahren ein; der Jahresmietwert wurde mit 3 600 DM angenommen. Der restliche Nachlaß wurde nach Erbquoten aufgeteilt. In der Folgezeit bewohnte A die Wohnung im Erdgeschoß und im 1.Obergeschoß, C die Wohnung im 2.Obergeschoß. Da C im Jahre 1979 heiratete und eine Eigentumswohnung erwerben wollte, verzichtete sie im Juni 1979 gegen Zahlung von 82 000 DM auf ihr Wohnrecht; der Betrag ist unter Zugrundelegung eines Erbquotenwerts von 100 000 DM und unter Abzug des Mietwerts für 5 Jahre ermittelt worden.
Nach dem Auszug der C im Juli 1979 stand die Wohnung zunächst leer; A ließ Reparaturen durchführen, um sie zu vermieten. Im Jahre 1982 gab der A nach eigener Angabe die Vermietungsabsicht auf und benützte auch die Räume im 2.Obergeschoß für eigene Wohnzwecke. 1984 wurden sämtliche Räume des Hauses zu einer einzigen Wohnung umgestaltet. Zum 1.Januar 1985 wurde das Haus als Einfamilienhaus bewertet.
In der Einkommensteuerveranlagung 1979 berechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Einkünfte des A aus Vermietung und Verpachtung nach dem Mietwert der Wohnung im Erdgeschoß und im ersten Obergeschoß; er setzte hierbei die dem Vater des A zustehende Absetzung für Abnutzung (AfA) von 397 DM und weitere Werbungskosten ab. A begehrte demgegenüber, AfA von 1 732 DM und den für den Verzicht auf das Wohnrecht aufgewendeten Betrag einschließlich Nebenkosten als Werbungskosten abzuziehen. Seine Klage blieb im wesentlichen erfolglos. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß C das Nutzungsrecht im Wege der Realteilung aus dem Nachlaß erhalten habe und daß der zur Abgeltung gezahlte Betrag Anschaffungskosten des A auf das Grundstück darstelle. Das FG erhöhte jedoch die AfA auf 1 611 DM.
Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Die Kläger beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Einkommensteuer 1979 auf 0 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden.
1. Zu Recht hat das FG entschieden, daß A die von ihm geleistete Abstandszahlung weder als Werbungskosten noch als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen konnte.
a) A und seine Geschwister haben sich über den Verbleib des ihnen als Miterben gesamthänderisch zustehenden Vermögens der Erbengemeinschaft (§§ 1922 Abs.1, 2032 Abs.1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) im Erbauseinandersetzungsvertrag vom 24.Mai 1974 verständigt. Eines solchen Vertrags bedurfte es auch dann, wenn eine Teilungsanordnung (§ 2048 BGB) des Erblassers vorlag. Eine derartige Vereinbarung führt als sog. Realteilung nicht zu Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäften zwischen den Miterben, soweit sie lediglich den von vornherein bestehenden Auseinandersetzungsanspruch der Miterben realisieren und den Nachlaß dementsprechend untereinander aufteilen. Dies ist jedoch anders, wenn ein Miterbe in der Auseinandersetzung mehr erhält, als ihm nach seinem Erbteil zusteht. Muß er hierfür eine Ausgleichsleistung erbringen, entstehen ihm Anschaffungskosten, während sich für den weichenden Miterben ein Veräußerungserlös ergibt. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat diesen zuvor schon vom IX.Senat für die Erbauseinandersetzung über Privatvermögen vertretenen Grundsatz (vgl. BFH-Urteile vom 9.Juli 1985 IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722; vom 22.September 1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250) allgemein für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft übernommen (Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837).
b) Im Streitfall hat A in Gestalt des Zweifamilienhauses den wichtigsten Nachlaßwert zu Alleineigentum erhalten; da das übrige Nachlaßvermögen gleichmäßig unter den Erben aufgeteilt worden ist (Ziffer V des Vertrages vom 24.Mai 1974), mußte er an seinen Bruder eine Ausgleichsleistung von 100 000 DM erbringen. Hieraus sind ihm Anschaffungskosten in gleicher Höhe entstanden.
Dies gilt jedoch nicht für die Einräumung des dinglichen Wohnrechts (§ 1093 BGB) zugunsten der C. Zwar ist im Erbauseinandersetzungsvertrag vorgesehen, daß das Wohnrecht zur Abgeltung aller erbrechtlichen Ansprüche gegen den A von diesem eingeräumt werde. Tatsächlich ist die Eintragung des Wohnrechts aber von allen Miterben als den gesamthänderischen Eigentümern des Grundstücks bewilligt und beantragt worden. Hierin wird deutlich, daß das Wohnrecht nicht als Gegenleistung des A, sondern in Erfüllung des Erbauseinandersetzungsanspruchs der C begründet worden ist. Dieser Anspruch ging grundsätzlich auf die Teilung des Nachlaßvermögens in Natur oder die Teilung des Reinerlöses aus der Versilberung des Nachlaßvermögens (§ 2047 Abs.1, § 2042 Abs.2 i.V.m. § 753 BGB).
Die Miterben können aber auch eine andere Art der Aufhebung der Gemeinschaft vereinbaren. Die Gestaltung dieser Vereinbarung steht ihnen frei (vgl. Dütz in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2.Aufl., § 2042 Rdnr.33 f.). Sie kann auch in der Abrede bestehen, daß einem Miterben die Nutzung an Nachlaßvermögen während bestimmter Zeit zustehen soll, er am Vermögensstamm aber nicht beteiligt wird. Bei einem entsprechenden Umfang des Nutzungsrechts kann der Miterbe auch dadurch einen seinem Erbteil entsprechenden Vermögenswert aus dem Nachlaß erhalten. Da das Nutzungsrecht zur Erfüllung des Auseinandersetzungsanspruchs eingeräumt wird, kann auch in diesem Fall nicht davon gesprochen werden, daß der Miterbe gegen ein Entgelt im Werte des Nutzungsrechts auf seinen Anteil am Nachlaßvermögen verzichtet habe und damit für ihn ein Veräußerungsgeschäft, für die mit dem Nutzungsrecht belasteten Miterben aber ein Anschaffungsgeschäft vorliege. Vielmehr handelt es sich, wie das FG zutreffend erkannt hat, für die Beteiligten um eine besondere Erscheinungsform der Realteilung.
Darum kann vorliegend nicht angenommen werden, A habe das Wohnrecht vollentgeltlich gegen einen Verzicht der C auf den ihr als Gesamthänderin gebührenden Vermögensanteil am Zweifamilienhaus eingeräumt. Vielmehr ist entsprechend der tatsächlichen Abwicklung davon auszugehen, daß A das Grundstück, belastet mit einem Wohnrecht zugunsten der C, aus dem Nachlaß erhalten hat. Die Hinnahme des dinglichen Wohnrechtes bedeutete für ihn ebensowenig die Bewirkung einer Gegenleistung wie die Hinnahme eines dem bisherigen Eigentümer vorbehaltenen Nießbrauchs durch den Erwerber eines Grundstücks (vgl. BFH-Urteil vom 28.Juli 1981 VIII R 124/76, BFHE 134, 130, BStBl II 1982, 378). Selbst wenn das Wohnrecht seitens des A bestellt worden wäre, hätte dies kein anderes Ergebnis. Der zeitliche und sachliche Zusammenhang spräche auch in diesem Fall dafür, daß die Vereinbarung Bestandteil der Erbauseinandersetzung war und daß C die Nutzungsmöglichkeit noch im Wege der Realteilung erhalten hat (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, 845).
c) Hieraus ergeben sich Folgerungen für die einkommensteuerrechtliche Behandlung des vom A zur Ablösung des Wohnrechts gezahlten Betrages.
Da das Wohnrecht nicht gegen Entgelt bestellt worden ist, hatte A auch keine Gegenleistung seiner Schwester als Einnahme aus Vermietung und Verpachtung zu versteuern, wie dies sonst bei der entgeltlichen Einräumung eines Nutzungsrechts als erforderlich angesehen wird (vgl. BFH-Urteil vom 27.Juni 1978 VIII R 54/74, BFHE 125, 535, BStBl II 1979, 332). Die Abstandszahlung kann daher nicht den negativen Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zugerechnet werden. Ob an diesem Begriff festzuhalten ist und ob ein Abzug nicht auch deshalb unterbleiben müßte, weil A ein Nutzungsentgelt nicht versteuert hat (vgl. BFH-Beschluß vom 11.August 1987 IX B 41/86, BFH/NV 1988, 232), kann auf sich beruhen.
Die Abstandszahlung stellte auch keine Aufwendungen zur Erzielung von Einnahmen aus Fremdvermietung oder Eigennutzung (§ 21 Abs.2, 1.Alternative des Einkommensteuergesetzes 1979 --EStG--) und damit keine Werbungskosten i.S. von § 9 Abs.1 Satz 1 EStG dar. Zwar hat die Rechtsprechung eine Abfindung, mit der der Eigentümer den Mieter zum vorzeitigen Auszug veranlassen wollte, um anschließend eine Neuvermietung vorzunehmen, den Werbungskosten zugerechnet (BFH-Beschluß vom 2.März 1970 GrS 1/69, BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382; Urteile vom 25.Februar 1975 VIII R 115/70, BFHE 115, 563, BStBl II 1975, 730; vom 21.August 1990 VIII R 17/86, BFHE 162, 62, BStBl II 1991, 76). Hiermit ist aber der Streitfall nicht vergleichbar, in dem A das Grundstück mit einem der Miterbin vorbehaltenen Wohnrecht aus der Erbteilung erhalten hat. Erst mit der Ablösung dieses Wohnrechts hat A erstmals die uneingeschränkte Verfügungsmöglichkeit über das Grundstück erlangt. Die Aufwendungen zur Ablösung des Grundstücks stellen sich danach als nachträgliche Anschaffungskosten dar; als Anschaffungskosten sind nämlich die Aufwendungen anzusehen, die der Erwerber auf sich nimmt, um die Verfügungsgewalt über das Wirtschaftsgut zu erhalten (vgl. BFH-Beschluß vom 22.August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672; § 255 Abs.1 des Handelsgesetzbuches --HGB--). In dieser Weise hat der Senat auch Aufwendungen zur Ablösung eines vermächtnisweise eingeräumten Nießbrauchs beurteilt (Urteil vom 26.Juni 1991 XI R 4/85, BFH/NV 1991, 681). Anschaffungskosten wären im Streitfall auch entstanden, wenn A den als Ablösung vereinbarten Betrag von vornherein in der Erbauseinandersetzung an C gezahlt hätte; diese Vermögenslage haben die Beteiligten hier nachträglich hergestellt.
2. Die vom FG angestellte Steuerberechnung ist jedoch in einigen Punkten fehlerhaft ...
Fundstellen
Haufe-Index 63762 |
BFH/NV 1992, 22 |
BStBl II 1992, 381 |
BFHE 166, 263 |
BFHE 1992, 263 |
BB 1992, 691 |
BB 1992, 691-693 (LT) |
DB 1992, 612-613 (LT) |
DStR 1992, 388 (KT) |
HFR 1992, 279 (LT) |
StE 1992, 150 (K) |