Leitsatz (amtlich)
Tritt auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte am PKW des Steuerpflichtigen ein Motorschaden ein, so ist die Feststellung, ob die Kosten für einen Austauschmotor zu den außergewöhnlichen, nicht durch die Kilometer-Pauschbeträge gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG abgegoltenen Aufwendungen gehören, vom FG aufgrund der Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles zu treffen. Eine Typisierung ist insoweit ausgeschlossen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) legte im Streitjahr 1976 die Strecke zwischen seiner Wohnung und seiner Arbeitsstätte mit seinem PKW Mercedes 240 D arbeitstäglich zurück. Am 18. Oktober 1976 erlitt er auf der Fahrt zur Arbeitsstätte beim Kilometerstand von 56 165 km einen Motorschaden. Nach den Feststellungen der Herstellerfirma handelte es sich um einen Lagerschaden, der auf Ölmangel zurückzuführen sei; der Kulanzantrag des Klägers wurde deshalb abgelehnt.
In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1976 machte der Kläger die Aufwendungen für den Austauschmotor in Höhe von 4 542,55 DM neben den Kilometer-Pauschbeträgen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Er vertrat die Auffassung, daß der eingetretene Schaden wegen geringen Alters und niedriger Fahrleistung des PKW außergewöhnlich sei. Insbesondere könne er nicht auf unzureichende Wartung zurückgeführt werden, da er noch am 30. August 1976 bei einem Kilometerstand von 49 155 km einen Ölwechsel durchgeführt habe. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ den streitigen Betrag nicht zum Abzug zu.
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 441 (EFG 1979, 441) veröffentlichten Urteil aus, im Gegensatz zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der Aufwendungen auf den PKW neben den Kilometer-Pauschbeträgen als außergewöhnlicher Verschleiß nur unter strengen Voraussetzungen abziehbar seien, sei eine großzügigere und zugleich typisierendere Auslegung geboten. Zur Abgrenzung sei ausschließlich auf die übliche Lebensdauer der jeweiligen Fahrzeugart bzw. des Motors abzustellen. In Anlehnung an die Bedingungen der Reparaturschadensversicherungen sei ungeachtet der Fahrzeugart bei einer Motorleistung bis zu 60 000 km innerhalb der ersten drei Jahre ein Motorschaden grundsätzlich immer als atypischer Schaden anzusehen. Erst recht gelte dies für einen Motor der hier zu Schaden gekommenen Art, da dessen Lebensdauer besonders hoch zu veranschlagen sei. Sonstige Abgrenzungsmerkmale, insbesondere personenbezogene Umstände wie Pflege des Fahrzeugs und Fahrverhalten des Benutzers, müßten schon wegen der Schwierigkeiten bei der Nachprüfung ausscheiden. Im übrigen seien die Ursächlichkeit der Aufwendungen und ein etwaiges Verschulden auch für die Anerkennung von Betriebsausgaben grundsätzlich unerheblich. Danach seien die streitigen Aufwendungen als außergewöhnlich anzusehen; sie könnten jedoch nicht ausschließlich dem beruflichen Bereich zugeordnet werden, weil die zugrunde liegenden Ursachen sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich gesetzt worden seien, so daß eine entsprechende Aufteilung erfolgen müsse. Die Aufteilung führe hier dazu, daß die streitigen Aufwendungen nur in Höhe eines Drittels abziehbar seien, da das Verhältnis der beruflichen zu den privat gefahrenen Strekken 1 : 2 betrage.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Nach der Rechtsprechung des BFH, der es sich anschließe, seien neben der dort zugebilligten Kilometerpauschale bei Fahrten des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nur außergewöhnliche Kosten berücksichtigungsfähig. Die hier geltend gemachten Aufwendungen seien nicht außergewöhnlich, da der Motorschaden den Kläger nicht so unvorhergesehen getroffen habe wie ein Unfall. Denn bei einer Kilometerleistung von 56 000 km müsse man - auch bei einem Dieselmotor - stets mit größeren Schäden rechnen, so daß ein Lagerschaden nicht mehr außerhalb der Wahrscheinlichkeit liege. Schon deshalb könne die Klage keinen Erfolg haben.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Wie der BFH wiederholt entschieden hat, sind mit den Kilometer-Pauschbeträgen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG die normalen, voraussehbaren Kosten, die dem Arbeitnehmer bei Benutzung des eigenen privaten PKW für berufliche Zwecke entstehen, abgegolten. Deshalb können insbesondere Kraftfahrzeugsteuern, Haftpflichtversicherungsprämien, übliche Reparaturkosten, Parkgebühren und Absetzung für Abnutzung (AfA) nicht neben den Kilometer-Pauschbeträgen als Werbungskosten abgezogen werden. In den Pauschbeträgen sind indessen nicht berücksichtigt Unfallkosten und sonstige Kosten, die ihrer Natur nach außergewöhnlich sind und sich einer Pauschalierung entziehen (Beschluß vom 13. November 1970 VI B 112/70, BFHE 100, 461, BStBl II 1971, 101; Urteil vom 17. Oktober 1973 VI R 214/72, BFHE 111, 67, BStBl II 1974, 188; vgl. auch Urteile vom 24. Februar 1978 VI R 177/73, BFHE 124, 524, BStBl II 1978, 380, und vom 30. November 1979 VI R 83/77, BFHE 129, 346, BStBl II 1980, 138). Die Frage, ob und inwieweit Reparaturaufwendungen, insbesondere der Einbau eines Austauschmotors, im Einzelfall zu den gewöhnlichen (auf Verschleiß beruhenden) oder zu den außergewöhnlichen Kosten gehören, ist eine Frage der Sachverhaltswürdigung, die grundsätzlich dem FG obliegt. An die Würdigung des FG ist der BFH gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden, sofern diese möglich erscheint und von den Beteiligten dagegen nicht zulässige und begründete Verfahrensrügen erhoben worden sind. Davon gehen die Entscheidungen in BFHE 100, 461, BStBl II 1971, 101, und in BFHE 111, 67, BStBl II 1974, 188 aus.
Dieser Rechtsprechung liegt die Erkenntnis zugrunde, daß sich keine allgemeinen Regeln dafür aufstellen lassen, inwieweit Reparaturaufwendungen zu den gewöhnlichen oder zu den außergewöhnlichen Kosten gehören. Hieran hält der Senat fest. Dabei ist nicht zu verkennen, daß eine "Typisierung" außergewöhnlicher Reparaturkosten, wie sie das FG vornehmen möchte, vom Standpunkt der Rechtssicherheit aus wünschenswert wäre. Sie erscheint jedoch nicht nur als solche, nämlich als Typisierung im Bereich des Atypischen problematisch, sondern ist nach Auffassung des Senats schon wegen der Vielfalt der Fahrzeugtypen und der Mannigfaltigkeit der Verschleißerscheinungen nicht möglich.
Im Streitfall kommt noch hinzu, daß das FG den Begriff der Außergewöhnlichkeit auch insofern verkannt hat, als es die Berücksichtigung personenbezogener Umstände ausschließen will. Wie der Senat bereits im nichtveröffentlichten Urteil vom 25. März 1977 VI R 222/75 ausgeführt hat, sind außergewöhnlich nur solche Schäden, die nicht voraussehbar und damit für den Steuerpflichtigen unabwendbar sind, ohne daß es dabei auf den Grad des Verschuldens ankäme. Im Urteil VI R 222/75 war ein Mercedes-Diesel-Motor nach einer Kilometerleistung von 68 000 km zu Schaden gekommen, weil der Steuerpflichtige trotz kochenden Kühlwassers weitergefahren war; der Senat beanstandete die Würdigung des FG, das die Außergewöhnlichkeit verneint hatte, u. a. deshalb nicht, weil der Steuerpflichtige nicht sofort angehalten hatte.
2. Die Vorentscheidung, die diesen Grundsätzen nicht entspricht, ist aufzuheben. Die Sache ist gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen. Das FG wird nunmehr anhand der Umstände des Einzelfalles zu würdigen haben, ob die aufgewandten Reparaturkosten außergewöhnlich waren. Dabei wird es gegebenenfalls auch Feststellungen dazu treffen müssen, ob der eingetretene Lagerschaden - wie die Herstellerfirma meint, der Kläger aber bestreitet - auf einen vom Kläger zu vertretenden Ölmangel im Motor zurückzuführen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 74223 |
BStBl II 1982, 325 |
BFHE 1982, 200 |