Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitliches Vertragswerk
Leitsatz (NV)
Der Vertrag über den Kauf eines Grundstücksmiteigentumsanteiles und die außerdem vereinbarte ,,Bauherrengemeinschaftsordnung" sind ein einheitliches, auf den Erwerb von fertig bebautem Teileigentum gerichtetes Vertragswerk.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I.1. a) Die Kläger schlossen am 7. Januar 1982 mit Frau D und Frau S einen notariell beurkundeten Vertrag, der als Kaufvertrag über Teileigentum bezeichnet wird. In Teil I des Vertrages wird erwähnt, daß die als ,,Verkäufer" bezeichneten Eigentümerinnen auf dem genannten Grundstück ein Wohn- und Geschäftshaus errichten werden. ,,Mit der Bebauung wurde soeben begonnen und die Baugrube erstellt." Der Grundbesitz sei in Wohnungs-/Teileigentum umgewandelt worden. Den Klägern werde zu je 1/2 ein Miteigentumsanteil von . . ./1000 verkauft, verbunden mit dem Sondereigentum an dem im Erdgeschoß rechts gelegenen Ladenlokal nebst dem im Kellergeschoß gelegenen Lagerraum, Personalraum und Toiletten, Nr. 2 des Aufteilungsplanes.
In Teil II des Vertrages heißt es: ,,Die Käufer errichten und vollenden das Teileigentum in Eigenverantwortung."
Der Kaufpreis wurde auf . . . DM beziffert (Teil III des Vertrages). Das Kaufobjekt sollte mit dem Tag des Vertragsabschlusses übergeben werden (Teil IV des Vertrages). Wegen der Größe und Lage des Teileigentums wurde auf die Teilungserklärung vom 28. Oktober 1981 Bezug genommen (Teil V des Vertrages). Die Auflassung wurde erklärt (Teil VI des Vertrages).
b) Ebenfalls am 7. Januar 1982 wurde zwischen den unter a) genannten Grundtückseigentümerinnen und den Klägern ein weiterer notariell beurkundeter Vertrag - ,,Bauherrengemeinschaftsordnung" genannt - abgeschlossen. Darin wird auf den abgeschlossenen Grundstückskaufvertrag, den Erwerb des (näher bezeichneten) Teileigentums verwiesen. ,,Mit dem Bauvorhaben wurde soeben begonnen; die Baugrube ist erstellt. Die Kläger treten dem Bauvorhaben der Damen D/S hiermit in der Weise bei, daß sie mit diesen eine Bauherrengemeinschaft bilden" (Teile I und II des Vertrages). Die Vertragspartner seien sich darüber einig, auf dem Grundbesitz ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten. Maßgebend hierfür seien die Pläne des Architekten R vom 25. November 1980 sowie die Baubeschreibung vom 12. November 1981. Die Baugenehmigung sei am 3. August 1981 erteilt worden (Teil III des Vertrages). Die Zahlung der Baukosten wurde in Teil IV des Vertrages geregelt. Bis zur Fertigstellung des Baues unterwarfen sich ,,die Bauherren gemeinsamer Willensbildung der Gemeinschaft in Hinsicht auf Planänderungen, koordinierender Geschäftsführung, Änderung der Gemeinschaftsordnung sowie Auflösung der Gemeinschaft" (Teil V des Vertrages). Mit der Geschäftsführung wurde der Bauingenieur D betraut. Seine Aufgabe sei die koordinierte Baudurchführung. Sie ende mit der Baufertigstellung. Eine Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers beruhe nur auf einer vom einzelnen Bauherren erteilten Vollmacht (Teil VI des Vertrages). Herr D verpflichte sich, den Anteil der Kläger am gemeinschaftlichen Bauvorhaben zu einem Festpreis von . . . DM zu erbringen (Teil IX des Vertrages).
c) Bei Abschluß der unter 1. a) und b) der Urteilsgründe genannten Verträge wurden die Grundstückseigentümerinnen Frau D und Frau S durch den Ehemann der Erstgenannten, Herrn Bauingenieur D, vertreten. Grundlage war eine über den Tod der Vollmachtgeberinnen hinaus wirkende und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiende notariell beurkundete Vollmacht vom 12. November 1981. Danach konnte Herr D die Vollmachtgeberinnen in allen das Grundstück betreffenden Angelegenheiten gegenüber Dritten, Behörden und dem Grundbuchamt gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Insbesondere war er befugt, ,,die Wohnungs- und Teileigentumsanlage zu errichten und alle dazu erforderlichen Verträge mit den Bauhandwerkern abzuschließen und die gegenüber Behörden erforderlichen Erklärungen abzugeben".
2. a) Nach einer vom FA angeordneten Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der betreffende Prüfer die Auffassung, die Kläger seien keine Bauherren. Der Verkauf des Teileigentums an die Kläger für . . . DM sei gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei.
Das beklagte FA war ebenfalls der Ansicht, die Kläger hätten Eigentum am bebauten Grundstück (Teileigentum) erworben. Es setzte mit zwei Bescheiden gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer fest, berechnet nach dem Grundstückskaufpreis und dem Entgelt für die Bausubstanz gemäß Teil IX der ,,Bauherrengemeinschaftsordnung".
Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Die Klagen sind beim FG anhängig.
b) Den Antrag der Kläger, die Vollziehung der angefochtenen Steuerbescheide auszusetzen, lehnte das FA ab. Die Beschwerde wies die OFD zurück.
Auf die Klage verpflichtete das FG das FA, die Vollziehung der genannten Grunderwerbsteuerbescheide bis einen Monat nach der Endentscheidung in den anhängigen Hauptsachen in Höhe von jeweils X DM auszusetzen. An der Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide bestünden insoweit ernstliche Zweifel im Sinne des § 361 Abs. 2 Satz 2 AO 1977, als das FA die Steuer auch von dem Entgelt für die Bausubstanz berechnet habe.
Mit der Revision beantragt das FA, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet.
Es gibt keine ernstlichen Zweifel im Sinne des § 361 Abs. 2 AO 1977 an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide.
1. Entgegen der Auffassung des FG sind die Verträge vom 7. Januar 1982 über den Kauf des Miteigentumsanteils und über die Bauherrengemeinschaftsordnung ein auf den Erwerb von fertigem Teileigentum gerichtetes einheitliches Vertragswerk. Dieses ist nicht ,,teilbar".
Schon mehr als ein halbes Jahr vorher hatte Herr D die notariell beurkundete Vollmacht erhalten, auf dem Grundstück die Wohnungs- und Teileigentumsanlage zu errichten und alle dazu erforderlichen Verträge mit den Bauhandwerkern abzuschließen.
Die Baugenehmigung war bereits am 3. August 1981 erteilt worden, und bei Abschluß des Kaufvertrages über den Grundstücksmiteigentumsanteil war auch bereits - wie es in dem Vertrag heißt - mit der Bebauung begonnen und die Baugrube erstellt worden. Wenn die Kläger in Kenntnis dieses Bauprojektes den Kaufvertrag über den Grundstücksmiteigentumsanteil abschlossen, dann ist nicht ersichtlich, inwiefern es ihnen hätte freistehen sollen, ob und welche weiteren vertraglichen Bindungen sie hinsichtlich der entstehenden Bausubstanz eingehen wollten. Ihnen blieb nur die Wahl, entweder das Vertragsbündel als ganzes zu akzeptieren oder auf jeglichen Vertragsabschluß zu verzichten. Die Grundstücksverkäuferinnen Frau D und Frau S sowie der Bevollmächtigte Herr D konnten die vertraglichen Bedingungen vorformulieren und den Klägern als Vertragsbündel anbieten (vgl. den Beschluß des BFH vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627). Denn anders als ein Gebäude auf einem ihnen allein gehörenden Grundstück konnte das Teileigentum der Kläger nicht ,,ungebaut" bleiben, wenn die Bausubstanz für das Teil- und Miteigentum der übrigen Miteigentümer geschaffen wurde. Auf diese Besonderheit der Eigentumswohnung und des Teileigentums, die anders als ein Gebäude nicht für sich allein hergestellt werden können, hat der Senat schon in seinem Urteil vom 4. September 1974 II R 112/69 (BFHE 113, 545, BStBl II 1975, 89) und zuletzt noch in dem Urteil vom 27. Oktober 1982 II R 102/81 (BFHE 136, 561, BStBl II 1983, 55) hingewiesen. Deshalb sind hier nicht die Maßstäbe brauchbar, welche nach Ansicht des FG der RFH zur Beurteilung der Frage aufgestellt hat, ob ein Grundstück mit oder ohne Gebäude in das Eigentum des Erwerbers übergehen sollte (RFH-Urteile vom 12. Oktober 1926 II A 486/26, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 34; vom 11. Mai 1928 II A 231/28, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 57; vom 17. August 1926 II A 269/26, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 11, Rechtsspruch 22, und vom 17. September 1930 II A 431/30, Mrozek-Kartei, Grunderwerbsteuergesetz, § 12, Abs. 1 Rechtsspruch 23).
Unerheblich ist, daß die Kläger im Rahmen des Möglichen noch Änderungswünsche geltend machen konnten und dies nach ihrem Vortrag auch getan haben. Denn das ändert nichts daran, daß sie grundsätzlich die von den Verkäufen des Miteigentumsanteils vorbestimmte Bebauung des Grundstücks hatten hinnehmen müssen.
Fehler in der Berechnung der Steuer sind nicht ersichtlich.
2. Entgegen der Ansicht der Kläger hat die Erhebung der Grunderwerbsteuer nach den unter II.1. genannten Grundsätzen keine unzulässige Doppelbelastung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer zur Folge.
Gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG sind die unter das GrEStG fallenden Umsätze von der Umstzsteuer befreit. Die Umsatzsteuer weicht insoweit der Grunderwerbsteuer. Für den vorliegenden Fall entspricht das dem Art. 28 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-Richtlinie vom 17. Mai 1977 (77/388 EWG) in Verbindung mit Anhang F Nr. 16, wonach u. a. die Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen mit dem dazu gehörigen Grund und Boden vor dem Erstbezug (Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie) weiterhin von der Umsatzsteuer befreit werden darf (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1977 L 145/3, 20 und 38). Diese Ausnahmeregelung ist bisher nicht gemäß Art. 28 Abs. 4 der Richtlinie abgeschafft worden.
Ein ,,Konflikt" zwischen der Rechtsprechung des II. Senats und der Rechtsprechung des (für die Umsatzsteuer zuständigen) V. Senats ist entgegen der Ansicht der Kläger nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des V. Senats kann es Inhalt mehrerer, ein Grundstück betreffender Verträge sein, dem Vertragspartner ein Grundstück mit aufstehendem Haus zu verkaufen, so daß Empfänger der Bauleistungen nicht der vermeintliche ,,Bauherr", sondern die das bebaute Grundstück anbietende ,,Firmengruppe" ist (Urteil vom 17. Mai 1984 V R 118/82, BFHE 141, 339, BStBl II 1984, 678 unter I. 1. und 2. der Gründe; vgl. auch das Urteil vom 7. Dezember 1967 V R 37/65, BFHE 90, 557, BStBl II 1968, 253).
3. Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG-Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 414384 |
BFH/NV 1987, 464 |