Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung einer Kindergeldfestsetzung: Ermittlung der Bezüge bei Zahlung eines Entlassungsgeldes an einen Zivildienstleistenden
Leitsatz (NV)
Eine Kindergeldfestsetzung kann auch nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert werden. Beginnt das Kind nach seinem Ausscheiden aus dem Zivildienst eine Lehre, so ist der Prüfung, ob der anteilige Jahresgrenzbetrag nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 6 EStG überschritten ist, der Bruttolohn (ggf. gekürzt um den Werbungskostenpauschbetrag) und das Entlassungsgeld in voller Höhe (gekürzt um die anteilige Kostenpauschale) zugrunde zu legen.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; EStG 1998 § 32 Abs. 4 Sätze 2, 6-7
Tatbestand
I. Der in 1978 geborene Sohn T der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) leistete vom 1. Juli 1998 bis 31. Juli 1999 seinen Zivildienst. Im Juli 1999 wurde an ihn ein Entlassungsgeld in Höhe von 1 500 DM ausbezahlt.
Am 1. August 1999 begann er eine Lehre als Energieelektroniker. Auf den Antrag der Klägerin, in dem sie darlegte, dass der Sohn eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 1 113 DM und im November 1999 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 1 035 DM erhalten werde, gewährte ihr der Beklagte und Revisionsbeklagte (Beklagter) Kindergeld für die Zeit ab 1. August 1999.
Im Januar 2000 überprüfte der Beklagte die Kindergeldfestsetzung und hob diese unter Hinweis auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) auf, weil unter Berücksichtigung des Entlassungsgeldes der Jahresgrenzbetrag von 5 425 DM überschritten sei. Das bis Dezember 1999 ausbezahlte Kindergeld in Höhe von 1 250 DM forderte er zurück.
Einspruch und Klage blieben erfolglos (Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2001, 1303).
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977, § 32 Abs. 4 Sätze 2, 6 und 7 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―).
Sie beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) und den Kindergeld-Änderungsbescheid vom 31. Januar 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. März 2000 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Klägerin hatte in der Zeit von August 1999 bis Dezember 1999 keinen Anspruch auf Kindergeld für ihren Sohn T.
1. Rechtsgrundlage für die Änderung der Kindergeldfestsetzung ist § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977. Die Bestimmung gilt auch im Verfahren der Kindergeldfestsetzung (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 26. Juli 2001 VI R 163/00, BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174).
Es lag auch eine neue Tatsache im Sinne dieser Bestimmung vor. Die Klägerin hat die Zahlung des Entlassungsgeldes in ihren Anträgen nicht erwähnt. Sie ist dem Beklagten erst im Januar 2000 bekannt geworden.
2. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der für 1999 geltenden Fassung wird ein über 18 Jahre altes Kind in Berufsausbildung nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 13 020 DM im Kalenderjahr hatte (Jahresgrenzbetrag, § 52 Abs. 22 a Satz 2 Buchst. b EStG 1997). Dieser Betrag ermäßigt sich nach § 32 Abs. 4 Satz 6 EStG 1999 für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 nicht vorliegen (Kürzungsmonate). Bei der Prüfung, ob der sich danach ergebende anteilige Jahresgrenzbetrag ―im Streitfall (5/12 von 13 020 DM =) 5 425 DM― überschritten ist, bleiben nach § 32 Abs. 4 Satz 7 EStG 1999 diejenigen Einkünfte und Bezüge des Kindes außer Ansatz, die auf die Kürzungsmonate entfallen.
3. T hatte berücksichtigungsfähige Einkünfte und Bezüge von insgesamt mindestens 5 740 DM (bei ungekürztem Abzug des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von 2 000 DM sowie der Kostenpauschale von 360 DM). Zu den "Bezügen" i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG 1999 gehört auch das von T im letzten Monat seines Zivildienstes bezogene Entlassungsgeld (BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 VIII R 57/00, BFHE 199, 194, BStBl II 2002, 746). Der Senat verweist zur Begründung auf diese Entscheidung.
Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 121 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO).
Fundstellen