Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Sogenannte Verkaufsfahrer, die auch mit Inkasso-Geschäften betraut sind, üben keinen "Kassen- oder Zähldienst" im Sinne des Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR aus.
Normenkette
EStG § 19/1/1; LStR Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) ist noch streitig, ob die vom Beschwerdeführer (Bf.) an seine sogenannte Verkaufsfahrer als Mankogelder ausgezahlten Beträge der Lohnsteuer unterliegen.
Der Bf. betreibt eine Kolonialwarengroßhandlung und beschäftigt mehrere Verkaufsfahrer, die die Aufgabe haben, Waren an Einzelhändler zu verkaufen und die Kaufpreise von diesen einzuziehen. Die Umsätze der Fahrer betragen täglich zwischen 600 und 1.300 DM. Kraft Vereinbarung zwischen dem Bf. und den Fahrern erhalten diese ein monatliches Mankogeld von 10 bis 30 DM. Diese Beträge hatte der Bf. gemäß Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) nicht der Lohnsteuer unterworfen.
Mit Haftungsbescheid vom 12. Januar 1955 forderte das Finanzamt einen Betrag von 232,85 DM für die an die Fahrer geflossenen sogenannten Mankogelder nach; die Fahrer seien nicht im "Kassen- oder Zähldienst" im Sinne der LStR beschäftigt.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Die Tätigkeit der Fahrer, so führt das Finanzgericht aus, sei nicht als "Kassen- oder Zähldienst" anzusprechen. Auch der Umfang der Kassiergeschäfte spreche gegen die Berechtigung eines Mankogeldes.
Mit der Rb. wird unrichtige Anwendung des Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR gerügt und Aufhebung des Haftungsbescheids begehrt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Bf. stützt sein Begehren auf steuerfreie Behandlung der von ihm an seine Verkaufsfahrer gezahlten sogenannten Mankogelder auf den Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR.
Nun hat zwar der IV. Senat in seinem Urteil IV 556/55 U vom 15. November 1956 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 III S. 148) entschieden, daß die Bestimmung des Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR lediglich eine Verwaltungsvereinfachungsvorschrift darstelle, die von den Steuergerichten weder angewandt noch ausgelegt werden könne.
Der Senat hat nicht unerhebliche Bedenken, sich diesem Urteil anzuschließen. Die Vorschrift im Abschn. 2 Abs. 2 Ziff. 2 LStR, die auf den gemeinsamen Erlaß des Reichsministers der Finanzen und Reichsarbeitsministers vom 20. September 1941 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1941 S. 697) zurückgeht, der sich seinerseits auf die §§ 12 und 13 der Reichsabgabenordnung (AO) stützte, könnte sehr wohl als eine nicht ausschließliche Verwaltungsvorschrift, sondern auch als Vorschrift mit Rechtsnormcharakter aufzufassen sein. Als solche wäre sie von den Steuergerichten zu beachten, selbst wenn Mängel hinsichtlich der Veröffentlichung gegeben sind (vgl. Gutachten des Obersten Finanzgerichtshofs I D 6/49 vom 27. August 1949, Slg. Bd. 54 S. 376). Ohne jedoch abschließend dazu Stellung zu nehmen, kann die Rb. im gegebenen Falle keinen Erfolg haben, denn der Begriff "Kassen- und Zähldienst" ist eng zu fassen, wie dies vom Finanzgericht unter Bezugnahme auf das Urteil IV 531/52 U vom 3. Juni 1953 (Slg. Bd. 57 S. 662, BStBl 1953 III S. 252) geschehen ist. Nur da, wo ein anhaltender Verkehr mit fortgesetzt wechselnden Ein- und Auszahlungen stattfindet, wie dies etwa beim Kassenverkehr einer Bank, einer Finanzkasse oder eines großen Warenhauses der Fall zu sein pflegt, ist ein Kassen- oder Zähldienst gegeben, der es mit sich bringt, daß trotz der gebotenen Sorgfalt bei der Menge der Geldumsätze im Rahmen des fluktuierenden Verkehrs sich erfahrungsgemäß immer wieder Kassenfehlbeträge einzustellen pflegen.
Von einer solchen Art von Kassen- oder Zähldienst kann hinsichtlich der Tätigkeit der Verkaufsfahrer keine Rede sein. Wie die durch das Finanzgericht angestellten Ermittlungen ergeben haben, waren die Verkaufsfahrer nicht in der Lage, positive Einzelfälle von Fehlbeträgen anzugeben. Die vernommenen Zeugen haben sich vielmehr darauf beschränkt zu behaupten, daß sich ihre tatsächlichen Fehlbeträge etwa in Höhe von 30 DM pro Monat bewegten. Angesichts dieses Ermittlungsergebnisses konnte das Finanzgericht im Rahmen des ihm zustehenden Rechts der freien Tatsachen- und Beweiswürdigung (ß 278 AO) zu dem Ergebnis kommen, daß nennenswerte tatsächliche Fehlgelderstattungen von den Verkaufsfahrern nicht geleistet wurden. An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Bundesfinanzhof bei der beschränkten Rechtsnatur der Rb. gebunden.
Die den Verkaufsfahrern zugeflossenen sogenannten Mankogelder sind deshalb mit Recht der Lohnsteuer unterworfen worden. Der gegen den Bf. ergangene Haftungsbescheid, hinsichtlich dessen Höhe keine Einwendungen erhoben sind, besteht mithin zu Recht.
Fundstellen
Haufe-Index 408740 |
BStBl III 1957, 221 |
BFHE 1957, 592 |
BFHE 64, 592 |