Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbungskostenabzug des Gläubigers von Ratenzahlungsforderung bei Fremdfinanzierung

 

Leitsatz (NV)

Nimmt nach Bestellung eines Erbbaurechts an einem bebauten Grundstück gegen Ratenzahlung der Erbbauverpflichtete in Höhe des Entgelts einen Kredit auf, weil die Bank zur Darlehensgewährung an den Erbbauberechtigten nicht bereit ist, so können die vom Erbbauverpflichteten entrichteten Schuldzinsen Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen bilden.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; EStG 1980 § 1 Abs. 3, §§ 3c, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 8, § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c-aa

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

Die Ende des Jahres 1979 nach Übersee ausgewanderte Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bestellte am 31. August 1979 an einem ihr gehörenden bebauten Grundstück ein Erbbaurecht zugunsten von Frau A. Für den Wert des auf dem Grundstück stehenden Gebäudes hatte die Erbbauberechtigte eine Entschädigung in Höhe von ... DM zu leisten, davon ... DM in bar. Der "Kaufpreisrestbetrag von ... DM zuzüglich Zinsen" war in 120 monatlichen Raten ab 5. Oktober 1979 zu zahlen. Er wurde durch Eintragung einer Hypothek auf dem Erbbaugrundstück abgesichert. Am 27. September 1979 schloß die Klägerin einen Darlehensvertrag mit der Bank über den Betrag von ... DM mit vierteljährlicher Leistungsrate (Zinsen und Tilgung) von ... DM, zahlbar ab 1. Januar 1980. Zur Sicherheit trat sie der Bank die Kaufpreisrestforderung nebst Hypothek sowie zwei weiter Grundschulden ab. Die Leistungsraten wurden aufgrund einer Vereinbarung mit der Erbbauberechtigten von dieser direkt an die Bank gezahlt. Im September 1983 tilgte Frau A den Restkaufpreis, was zur Beendigung des Darlehens führte.

Diese Vereinbarungen beruhten nach der unbestrittenen Darstellung der Klägerin darauf, daß nur die Erbbauberechtigte zum Erwerb dieses Gebäudes, die Banken dieser gegenüber jedoch zur Finanzierung des Restkaufpreises nicht bereit waren. Um einerseits die Veräußerung des Vermögens abschließen und andererseits die aus der Veräußerung des Vermögens erzielten Erlöse an ihren neuen Wohnsitz in ... transferieren zu können, habe es für die Klägerin nur die Möglichkeit gegeben, für die Käuferin zusätzliche Sicherheiten zu stellen. Aber auch hierzu sei die Bank nicht bereit gewesen, vielmehr habe die Klägerin als Darlehensnehmerin auftreten müssen. Sie habe daraufhin mit Frau A vereinbart, daß der Restkaufpreis zuzüglich Zinsen von dieser in Übereinstimmung mit den Konditionen des Bankdarlehens in monatlichen Raten getilgt würde und die von der Käuferin zu zahlenden Raten sofort an die Bank zur Bedienung des Darlehens geleistet würden.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erfaßte im Anschluß an eine im Jahre 1984 durchgeführte Außenprüfung die in den Kaufpreisraten enthaltenen Zinsanteile ab 1979 als Einnahmen der Klägerin aus Kapitalvermögen, auch für die Streitjahre 1980 bis 1983 und erließ entsprechende Änderungsbescheide für 1980 und 1981 und Einkommensteuerbescheide für 1982 und 1983. Der Einspruch der Klägerin mit dem Begehren, die an die Bank gezahlten Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zum Abzug zuzulassen, blieb insoweit erfolglos. Das FA verneinte den erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhang der Zinsaufwendungen mit der Ratenzahlung, da die Klägerin den Kredit aufgenommen habe, um damit eine neue Existenz im Ausland aufzubauen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage jedoch im wesentlichen statt. Das FA habe zwar den Werbungskostenabzug der Schuldzinsen im Ergebnis zu Recht versagt, es hätte jedoch andererseits -- mangels Über- schußerzielungsabsicht -- (Hinweis auf Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, 766 f.) auch keine Einnahmen aus Kapitalvermögen ansetzen dürfen. Denn mit der Ratenzahlungsvereinbarung seien keine Zinsüberschüsse erstrebt worden. Während deren tatsächlicher Laufzeit seien auch keine Überschüsse erzielt worden; dies wäre auch in der zunächst vereinbarten Laufzeit nicht der Fall gewesen, wie ausgeführt wird.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts, nämlich unzutreffende Auslegung des Einkünftebegriffs i. S. der §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre gültigen Fassung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet; der Senat tritt dem FG im wesentlichen bei (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Die Klägerin hat keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt.

Der Senat läßt offen, ob sich dies Ergebnis schon mit der Annahme nicht einkommensteuerbaren Auslagenersatzes (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 19 Anm. 7 b S. 1676) begründen ließe; die von den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen wären dann allein nach ihrem Zweck dahingehend zu würdigen, daß die von Frau A an die Klägerin geleisteten Zinsen im Grunde nur die von der Klägerin für sie verauslagten Schuldzinsen ersetzen sollten. Denn auch dann, wenn man mit der Revision von einkommensteuerbaren Zinseinnahmen der Klägerin ausgeht, hat sie entgegen der Ansicht des FA zugleich dafür Schuldzinsen in gleicher Höhe aufgewendet, so daß keine einkommensteuerpflichtigen Erträge verblieben.

Für die hier strittigen Kapitalerträge kommt zwar eine Besteuerung nach §§ 1 Abs. 3, 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchs. c -- aa -- i. V. m. § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG in Betracht, wenn das Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz unmittelbar oder mittelbar gesichert war. Das FG ist mit dem FA auch zu Recht davon ausgegangen, daß zu den nach § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG einkommensteuerpflichtigen Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art auch der in Kaufpreisraten enthaltene Zinsanteil zählt (vgl. insbesondere Senatsurteil vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431, ständige Rechtsprechung). Dasselbe gilt für den Zinsanteil, der bei langfristiger Stundung anderer Entgelte in den Raten enthalten ist (vgl. auch Senatsurteil vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87, 90 m. w. N.), hier für die Entschädigung aus dem Verlust des Eigentums am Gebäude infolge der Erbbaurechtsbestellung.

Die von der Klägerin aufgewandten Schuldzinsen stehen jedoch -- wie Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1 EStG) -- mit diesen Einnahmen aus Kapitalvermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang. Sie sind durch die entgeltliche Überlassung von Kapital zur Nutzung veranlaßt, da sie für eine Schuld geleistet wurden, deren Gegenwert die Erzielung von Kapitaleinnahmen ermöglicht oder gefördert hat (vgl. Senatsurteile vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37 und vom 8. Oktober 1985 VIII R 234/84, BFHE 145, 335, BStBl II 1986, 596).

Die Vereinbarung von Ratenzahlungen zur Tilgung einer Schuld stellt eine Kreditgewährung durch den Gläubiger dar (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 53. Aufl., Anm. 9 e Vor § 607). Während vielfach eine Bank dem Erwerber das Darlehen bei gleichzeitiger Auszahlung der Valuta an den Veräußerer gewährt (sog. B-Geschäft, vgl. J. v. Staudingers, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., Vorbemerkung 399, Vor § 607 ff.), ist es hier bei der Gläubigerstellung der Klägerin geblieben, weil die Bank die Kreditgewährung an die Erbbauberechtigte abgelehnt hat. Die statt dessen gewählte Gestaltung, daß die Klägerin ein Darlehen in Höhe des gestundeten Restbetrags aufgenommen hat, stellt sich ebenfalls als Fremdfinanzierung der Raten dar. Davon ist der BFH im Urteil vom 28. März 1984 I R 129/79 (BFHE 141, 131, BStBl II 1984, 620) ohne weiteres ausgegangen. Das FA verkennt, daß der aus der Ratenzahlungsvereinbarung folgende Bezug der nach § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG der Einkommensteuer unterliegenden Zinsanteile durch die Klägerin von der Gewährung des Darlehens seitens der Bank abhängig war. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, daß ihr nur die gewählte vertragliche Gestaltung ermöglicht habe, sich auf die langfristige Stundung der Restschuld von ... DM einzulassen. Daher handelt es sich nicht nur um eine bloße rechtliche Verknüpfung der Vereinbarungen, die für die Anerkennung der Werbungskosteneigenschaft der Schuldzinsen noch nicht genügen würde (vgl. Senatsurteil vom 15. Januar 1980 VIII R 70/78, BFHE 130, 147, BStBl II 1980, 348 und BFH-Urteil vom 28. März 1984 I R 101/80, BFHE 141, 248, 251, BStBl II 1984, 652, Ziff. 2.2 der Gründe; sowie Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 50 EStG Anm. 41). Vielmehr hängen die Stundung der Entschädigung für den Gebäudewert im Rahmen der Erbbaurechtsbestellung und die Aufnahme des Darlehens -- unmittelbar -- dergestalt voneinander ab, daß die eine Vereinbarung nicht ohne die andere getroffen worden wäre. Aufgrund des vom FG festgestellten und unstreitigen Sachverhalts steht das Darlehen auch in einem engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Ratenzahlungsvereinbarung.

Der Fall kann im Ergebnis nicht anders beurteilt werden, als wenn die Klägerin der Erbbauberechtigten mit Hilfe eines Kredits ein normales Gelddarlehen in Höhe der Restschuld gewährt hätte. Soweit das FA offenbar meint, daß die Darlehensvaluta selbst zur Einkünfteerzielung hätte eingesetzt werden müssen, läßt es außer acht, daß eine solche konkrete Verwendung im Rahmen einer Kreditgewährung durch Kaufpreisraten nicht möglich ist.

Der Einwand des FA, daß hier die Klägerin den Darlehensbetrag zum Aufbau einer neuen Existenz verwandt habe, geht fehl. Zwar können Schuldzinsen zur Erzielung ausländischer Einkünfte, wie sich auch aus § 3 c EStG ergibt, in der Bundesrepublik Deutschland nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen werden (vgl. BFH- Urteile vom 28. April 1983 IV R 122/79, BFHE 138, 366, BStBl II 1983, 566, Ziff. 2 d der Gründe und vom 24. April 1992 VI R 141/89, BFHE 167, 525, BStBl II 1992, 666, Ziff. 2 der Gründe). Diese Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor, da die Klägerin die Schuldzinsen, wie ausgeführt, um der inländischen Ratenzahlungen willen aufwenden mußte.

An dem Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Ratenzahlung ändert sich auch nichts dadurch, daß das der Klägerin gewährte Darlehen ihr zugleich die Veräußerung des Gebäudes im Rahmen des Privatvermögens ermöglicht hat. Soweit der BFH für Finanzierungsaufwendungen bei der Veräußerung von Wirtschaftgütern des Privatvermögens den Abzug versagt hat (Urteile vom 23. Januar 1990 IX R 17/85, BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465 sowie vom 20. Februar 1990 IX R 13/87, BFHE 160, 440, BStBl II 1990, 775; vgl. auch Urteil vom 8. April 1992 XI R 32/90, BFH/NV 1992, 801 sowie -- zur Veräußerung von Kapitalvermögen -- Senatsurteil vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, BFHE 157, 541, BStBl II 1989, 934), standen sie nicht mit der Nutzung, sondern -- allein oder ganz überwiegend -- mit der nicht einkommensteuerbaren Veräußerung in Zusammenhang. Hier dagegen sind die Schuldzinsen wesentlich durch die Nutzung von Kapitalvermögen, eben die gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG einkommensteuerbaren Zinsanteile der Ratenzahlungen veranlaßt. Die Hingabe des Gebäudes im Rahmen der Erbbaurechtsbestellung bildete lediglich die Voraussetzung für die zu Einkünften aus Kapitalvermögen führende Ratenzahlungsvereinbarung.

Anhaltspunkte für die Annahme eines Gestaltungsmißbrauchs (§ 42 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) sind weder vorgetragen noch aus dem festgestellten Sachverhalt ersichtlich.

 

Fundstellen

Haufe-Index 65051

BFH/NV 1995, 190

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