Entscheidungsstichwort (Thema)

Zollrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Schallplattentaschen mit werbenden Aufdrucken sind keine Werbedrucke im Sinne des § 69 Abs. 1 Ziff. 24a ZG. Zolltariflich bleiben sie trotz des Bedruckens Umschließungen im Sinne der Tarifnr. 4818.

ZG in der Fassung des Gesetzes vom 23. Mai 1952 (BGBl I S. 317) § 69 Abs. 1 Ziff. 24a; Zolltarif 1951

 

Normenkette

ZG § 69/1/24/a

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin (Bfin.) für die von ihr im April 1955 eingeführten sogenannten Schallplattentaschen aus Papier Zoll und Umsatzausgleichsteuer zu entrichten hat. Die Waren stellen sich als Taschen dar, die aus Karton in einem Stück in der Weise gefertigt worden sind, daß der rechteckige Kartonbogen in der Mitte der Längsseite gefalzt und die an den beiden Längskanten beidseitig über die halbe Länge vorhandenen Falzränder umgeknickt und auf die andere Hälfte des Bogens von außen aufgeklebt wurden. Die Vorder- und Rückseite der Taschen ist mit mehrfarbigen Texten und Bildern bedruckt. Der Textdruck auf der Vorderseite enthält in auffälliger Schrift Namen von Komponisten und von diesen komponierten Musikstücke, deren jeweilige Dirigenten, Solisten und Orchester. Auf der Vorderseite ist in Großbuchstaben auch der Name der Herstellerfirma, deren Warenzeichen und Angaben über die Art der Platte aufgedruckt. Soweit die Vorderseiten mit Bildern bedruckt sind, stellen diese Bilder entweder den Solisten dar oder geben sonst in freier künstlerischer Gestaltung einen Hinweis auf das Musikstück. Die Rückseite ist nur mit Texten bedruckt. Diese geben Aufschluß über Komponist, Solist, Dirigent und Orchester, gelegentlich auch über den Inhalt des Musikstückes, ferner über die Herstellerfirma, die Art der Schallplatte, deren Umdrehungszahl, über das Herstellungsland der Schallplatte und des Druckes.

Das Zollamt, bei dem die Bfin. 100 Stück dieser Umschließungen zum freien Verkehr abfertigen ließ, sah die Waren auf Grund einer der Bfin. erteilten verbindlichen Zollauskunft als Umschließungen aus Papier, anderweit weder genannt noch inbegriffen, der Tarifnr. 4818 - A - 2 des Zolltarifs 1951, damaliger Zollsatz 25 % des Wertes, an und forderte mit formlosem - wegen des Zollwerts vorläufigem - Zollbescheid vom 18. April 1955 von der Bfin. 22,25 DM Zoll und 6,65 DM Umsatzausgleichsteuer, insgesamt 28,90 DM Eingangsabgaben, an.

Einspruch und Berufung der Bfin. blieben erfolglos. In der Rechtsbeschwerde (Rb.) trägt die Bfin., zum Teil unter Wiederholung früheren Vorbringens, in erster Linie vor, daß die Voraussetzungen des § 69 Abs. 1 Ziff. 24a des Zollgesetzes (ZG) erfüllt seien. Die Buntdrucktaschen würden ausschließlich für Werbezwecke hergestellt und verwendet. Auch die Schallplatteneinzelhändler betrachten die Taschen nach ihrem wesentlichen Zweck als Werbematerial. Ihr Charakter als Werbematerial sei auch augenscheinlich. Soweit die Ware danach nicht zollfrei sei, müßte sie nach der Allgemeinen Anmerkung 7 zu Kap. 48 als graphisches Erzeugnis in das Kap. 49 verwiesen werden. Hier müßte sie entweder in die Tarifnr. 4911 - D oder in die Sammelnr. 4912 - B eingereiht werden. Schließlich ist die Bfin. der Auffassung, daß die Taschen gegebenenfalls nach der Allgemeinen Anmerkung 3 zu Kap. 49 wie die Schallplatten selbst nach der Tarifnr. 9215 - F verzollt werden müßten.

Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren beigetreten ist, führt im wesentlichen aus, daß Schallplattentaschen keine Werbedrucke im Sinne des § 69 Abs. 1 Ziff. 24a ZG seien. Der Charakter der Taschen als Werbemittel sei auch nicht erkennbar. Schließlich würden die Schallplattentaschen nicht unentgeltlich abgegeben. Zur Tarifierung der Ware trägt der Bundesminister der Finanzen vor, die Allgemeine Anmerkung 7 zu Kap. 48 solle verhindern, daß eine beträchtliche Anzahl von Papier- und Pappwaren, insbesondere von Verpackungsmitteln, aus dem dafür vorgesehenen Teil II des Kap. 48 herausfalle. Auch wenn Aufdrucke auf solchen Packungen der Werbung dienten, werde dadurch die Gebrauchsfunktion einer solchen Ware als Verpackungsmittel nicht beeinträchtigt. Die Anwendung der Allgemeinen Anmerkung 3 zu Kap. 49 beziehe sich nur auf den Fall, daß einer eingeführten Ware Gebrauchsanweisungen oder Werbedrucke beiliegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. hat keinen Erfolg.

Nach § 69 Abs. 1 Ziff. 24a ZG in der Fassung des Gesetzes zur änderung des Zollgesetzes und der Verbrauchsteuergesetze vom 23. Mai 1952 (BGBl I S. 317, BZBl S. 281) wird Einfuhrzoll nicht erhoben "von Werbedrucken, deren wesentlicher Zweck darin besteht, zum Kauf von im Zollausland hergestellten Waren anzuregen. ... vorausgesetzt, daß die Werbedrucke in dem betreffenden Staat hergestellt sind, im Zollgebiet von dem Einführer unentgeltlich abgegeben werden und ihr Charakter als Werbemittel augenscheinlich ist". Unbestritten wurden die im Streit befindlichen Waren im Ausland hergestellt. Die unentgeltliche Abgabe der Taschen hat der Bundesminister der Finanzen bestritten. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil Zollfreiheit nach § 69 Abs. 1 Ziff. 24a ZG aus anderen Gründen nicht besteht. Daß durch den Aufdruck auf den Taschen als solchen, insbesondere durch die Benutzung von mehreren Farben, die Verbindung von Text und Bild und schließlich durch die nicht zu übersehende, fast immer gleichförmig wiederkehrende Angabe der Herstellerfirma und deren Kennzeichen eine gewisse werbende Wirkung ausgeübt wird, steht nach Auffassung des Senats außer Zweifel. Die Ware ist jedoch kein Werbedruck im Sinne der obengenannten Bestimmung. Der Senat hat durch Urteil V z 201/57 U vom 13. Juni 1958 (BStBl 1958 III S. 480, Slg. Bd. 67 S. 543) für die sogenannten Verpackungszierdosen entschieden, daß eine auf Werbung abzielende zusätzliche Verpackung - als solche stellten sich die Zierdosen dar - gleichfalls Verpackungszwecken dient. Im Streitfall verhält es sich nicht anders. Die Ware stellt sich nach Aussehen, Beschaffenheit und Verwendungszweck nicht als Werbedruck dar, sondern als Tasche, die als Umschließung für Schallplatten verwendet wird. Diese eigentliche Zweckbestimmung und Verwendung der Ware als Umschließung ist ganz offensichtlich. Soweit mit der Umschließung auch eine gewisse Werbewirkung bezweckt wird, geht dadurch der Charakter der Ware als Umschließung nicht verloren. Daran ändert auch nichts, daß die Schallplattentaschen wegen ihres werbenden Aufdrucks auch zur Dekoration von Schaufenstern in den einschlägigen Fachgeschäften verwendet werden. Denn durch diese Art der Verwendung wird gegenüber dem eigentlichen Verwendungszweck das Wesen der streitigen Ware nicht bestimmt. Im übrigen kommt es auch sonst häufig vor, daß leere Umschließungen in Schaufenstern für Zwecke der Werbung ausgestellt werden. Damit verlieren sie jedoch nicht ihre Eigenschaft als Umschließungen. Im Streitfall liegt also ein Werbedruck im Sinne des § 69 Abs. 1 Ziff. 24a ZG nicht vor, so daß auf die weiteren Voraussetzungen dieser Bestimmung nicht eingegangen zu werden braucht.

Diese Auffassung widerspricht auch nicht dem Urteil des Bundesfinanzhofs V z 141/54 U vom 26. Juli 1955 (BStBl 1955 III S. 311, Slg. Bd. 61 S. 295, BZBl 1955 S. 731). Denn in diesem Fall war lediglich zu entscheiden, ob eine wissenschaftliche Druckschrift, die einer pharmazeutischen Ware beigegeben war, als Werbedruck im Sinne des § 69 Abs. 1 Ziff. 24a ZG anzusehen war. In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof entschieden, daß sowohl ein Werbedruck vorliegt, als auch, daß der Charakter dieses Werbedruckes als Werbemittel augenscheinlich ist.

Die Bfin. kann daher Zoll- und Umsatzausgleichsteuerfreiheit nach § 69 Abs. 1 Ziff. 24a ZG in Verbindung mit § 4 Ziff. 1 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht beanspruchen.

Der Bfin. kann auch nicht darin zugestimmt werden, daß die streitige Ware nach der Allgemeinen Anmerkung 7 zu Kap. 48 in das Kap. 49 zu verweisen ist. Unbestritten wären die Taschen, wenn sie nicht mit einem Aufdruck versehen wären, als Umschließungen aus Papier, anderweit weder genannt noch inbegriffen, der Tarifnr. 4818 anzusehen. Inwieweit eine Ware wegen des Bedruckens mit Texten und Bildern von Kap. 48 auszuschließen und dem Kap. 49 zuzuweisen ist, dafür gibt die Allgemeine Anmerkung 7 zu Kap. 48 die Abgrenzung. Danach bleibt bei den in Teil II des Kap. 48 aufgeführten Waren ein Bedrucken auf die Tarifierung ohne Einfluß, wenn die Waren wegen des Bedruckens nicht in das Kap. 49 fallen. Diese Anmerkung beruht auf dem Europäischen Zolltarifschema (Brüsseler Zolltarifschema von 1949) und dem Internationalen Zolltarifschema (Gekürzten Brüsseler Zolltarifschema von 1950), beide herausgegeben vom Bundesminister für Wirtschaft. Im Zolltarifschema von 1949 lautet die Anmerkung: "Bedruckte Waren bleiben in Teil II dieses Kap., soweit sie nicht Waren des Kap. 49 sind." Im Zolltarifschema 1950 hat sie folgende Fassung: "Papier, Pappe und Zellstoffwatte, sowie Waren daraus, die mit zusätzlichen Aufdrucken oder Bildern in einem Umfang versehen sind, daß dadurch ihre eigentliche Zweckbestimmung nicht geändert wird und sie nicht als Waren des Kap. 49 anzusehen sind, bleiben in diesem Kapitel." Maßgebenden Einfluß auf die Tarifierung hat demnach nur ein solches Bedrucken, durch das die Ware in ihrem Wesen, d. h. in ihrer eigentlichen Zweckbestimmung, geändert wird und wegen dieser Zweck- und Wesensänderung als Ware des Kap. 49 anzusehen ist.

Die Bfin. hat nun allerdings vorgetragen, daß die Buntdrucktaschen von den Plattenherstellern ausschließlich zu Werbezwecken hergestellt und verwendet würden und die Schutzfunktion gänzlich nebensächlich sei, weil diese Funktion ausreichend durch die in jedem Falle zusätzlich verwendeten Hüllen aus dünnem Papier oder durchsichtigem Kunststoff erfüllt werde. Auch die Schallplattenhändler betrachteten die Taschen nach ihrem wesentlichen Zweck als Werbematerial. Dieser Auffassung kann jedoch der Senat nicht folgen. Dienten nämlich die Taschen nur zu Werbezwecken, so hätte es völlig genügt, sie aus dementsprechend dünnerem Papier herzustellen. Die gerade auch sonst bei Verpackungsmitteln übliche Verwendung von Karton und der Umstand, daß jede gekaufte Schallplatte in eine solche Tasche verpackt wird und die gekauften Schallplatten darin aufbewahrt werden, weisen eindeutig auf die eigentliche Zweckbestimmung der Taschen hin. Durch das Bedrucken ist die ursprüngliche Zweckbestimmung nicht verdrängt, sondern durch eine zusätzliche Zweckbestimmung erweitert worden. Fälle dieser Art finden sich im Wirtschaftsleben häufig. Gerade Waren mit einem verhältnismäßig einfachen Verwendungszweck, z. B. Verpackungsmittel, erhalten durch Bedrucken einen weiteren Verwendungszweck, den der Werbung. Die Bfin. hat im übrigen auch zugegeben, daß die Taschen als Umhüllungen für Schallplatten dienen. Es bedarf daher insoweit nicht der Ermittlung der Verkehrsanschauung.

Daß im übrigen der Druck als solcher sich als ein Erzeugnis des graphischen Gewerbes darstellt, wie die Bfin. dargetan hat, hat keinen Einfluß auf die Tarifierung. Denn durch den Aufdruck haben die Taschen, wie ausgeführt, ihren ursprünglichen Zweck, als Schutz- und Aufbewahrungsumhüllung zu dienen, nicht verloren. Die Taschen bleiben daher trotz des Bedruckens im Kap. 48. Es erübrigt sich daher die Prüfung, ob die Ware nach der Tarifnr. 4911 oder 4912 zu tarifieren wäre.

Selbst wenn die Schallplattentaschen sich als Werbedrucke darstellen würden, könnten sie nicht, wie die Bfin. meint, nach der Allgemeinen Anmerkung 3 zu Kap. 49 wie die Schallplatten selbst nach Tarifnr. 9215 - F verzollt werden. Nach dieser Anmerkung werden Werbedrucke und Gebrauchsanweisungen für Waren aller Art, wenn sie zur üblichen Aufmachung dieser Waren gehören, wie diese verzollt. Auch diese Anmerkung geht zurück auf die Brüsseler Zolltarifschemen 1949 und 1950. In beiden lautet die deutsche übersetzung der der Anmerkung 3 entsprechenden Anmerkung 8 bzw. 9: "Werbedrucke und Gebrauchsanweisungen für Waren aller Art werden, wenn sie zur üblichen Aufmachung dieser Waren gehören, mit diesen verzollt." Noch deutlicher ergibt sich der Sinn dieser Bestimmung aus dem französischen Text des Brüsseler Zolltarifschemas von 1949: "Les imprimes publicitaires et instructions pour l'emploi des divers produits sont compris dans la valeur (ou dans le poids) de ceux - ci lorsqu'ils font partie de leurs conditionement normal." Abgesehen davon, daß die Schallplattentaschen - wie im Vorstehenden ausgeführt - keine Werbedrucke im zolltariflichen Sinne sind, geht aus dieser Entstehungsgeschichte die Anmerkung deutlich hervor, daß dort nur solche Werbedrucke gemeint sind, die zusammen mit den entsprechenden Waren eingehen. Das ist auch sinnvoll, weil nur auf diese Weise ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann, ob ein Werbedruck zur üblichen Aufmachung einer Ware gehört.

Da demnach die Zollstelle die Schallplattentaschen zutreffend nach der Tarifnr. 4818 - A - 2 tarifiert hat, die Abgabenberechnung keinen Fehler erkennen läßt, war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409368

BStBl III 1959, 280

BFHE 1960, 52

BFHE 69, 52

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