Normenkette
EStG §§ 6a, 12 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr Ehemann wurden für das Streitjahr 1971 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Klägerin war 1971 64 Jahre alt, ihr Ehemann war mehr als 18 Jahre jünger.
Die Klägerin betrieb als Einzelunternehmerin eine Elektrogroßhandlung. Sie ermittelte ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich.
In dem Unternehmen der Klägerin war ihr Ehemann als Geschäftsführer angestellt. Daneben waren noch 8 bis 10 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Ehemann der Klägerin war von der Pflichtversicherung zur Rentenversicherung befreit; dafür war eine befreiende Lebensversicherung abgeschlossen, deren Beiträge zur Hälfte vom Betrieb getragen wurden. In einem Zusatzvertrag vom 1. Dezember 1970 zum Arbeitsvertrag machte die Klägerin ihrem Ehemann eine Versorgungszusage, nach der dieser bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vollendung des 65. Lebensjahres ein Ruhegehalt in Höhe von 80 v. H. seiner zuletzt gezahlten monatlichen Gehaltsbezüge erhalten sollte. Entsprechendes sollte für den Fall der Dienstunfähigkeit gelten, in den ersten 12 Monaten allerdings so, daß ihm mit etwaigen Bezügen aus öffentlichen Kassen immer 90 v. H. seiner letzten Arbeitseinkünfte zustehen sollten.
Die übrigen Arbeitnehmer im Betrieb der Klägerin erhielten keine Pensionszusagen.
Die Klägerin bildete in ihrer Steuerbilanz zum 31. Dezember 1971 eine Pensionsrückstellung für die Versorgungszusage an ihren Ehemann. Diese Rückstellung ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuerveranlagung für 1971 nicht zu mit der Begründung, die Versorgungszusage sei nicht betrieblich veranlaßt, weil wegen des erheblichen Altersunterschieds zwischen den Eheleuten eine Inanspruchnahme des Betriebs aus der Zusage nicht zu erwarten sei. Dementsprechend erging ein Einkommensteuerbescheid für 1971.
Nach erfolglosem Einspruch hob das Finanzgericht (FG) auf die Klage hin - Klageantrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheids - den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf und verwies die Sache an das FA zurück. Dazu wurde ausgeführt:
Die Pensionszusage der Klägerin sei ernsthaft begründet. Die leitende Funktion des Ehemanns im Betrieb und seine lange Betriebszugehörigkeit - seit 1948 - rechtfertigten wirtschaftlich eine Pensionszusage. Die Zusage habe zum Teil Ersatzfunktion für eine Sozialversicherungsrente. Nach den Umständen des Falles sei auch die Zusage der Invaliditätsrente als üblich anzusehen.
Die Zusage sei jedoch der Höhe nach unangemessen. Die Gesamtbelastung des Betriebs durch die Versorgungsleistungen insgesamt - betrieblicher Anteil an der Sozialversicherung und Rückstellung für Pensionsanwartschaften - dürfe nicht mehr als 75 v. H. des Aktivgehalts ausmachen. Dabei sei im Streitfall der Hälftebeitrag zur befreienden Lebensversicherung des Arbeitnehmer-Ehegatten zu berücksichtigen. Aus der Eigenart des Betriebs ergäben sich keine Umstände, welche die Angemessenheit außerdem beeinflussen könnten. Im Streitfall hänge das wirtschaftliche Leben des Unternehmens mehr von dem Ehemann als von der Klägerin ab. Nach den Umständen sei nicht auszuschließen, daß der Arbeitnehmer-Ehegatte mit Erreichen des Pensionsalters die vereinbarten Pensionsleistungen tatsächlich in Anspruch nehme und bekomme.
Der angefochtene Steuerbescheid mit der Einspruchsentscheidung seien aufzuheben, weil das FA keine Ermittlungen über eine angemessene Höhe der im Rahmen der Rückstellungen für Pensionsanwartschaften berücksichtigungsfähigen Leistungen angestellt und die Klägerin auch nichts dazu beigetragen habe. Außerdem seien weitere mit Kosten und Zeit verbundene Aufklärungen erforderlich, was eine Zurückverweisung erforderlich mache.
Mit der - vom Senat zugelassenen - Revision rügt das FA unrichtige Anwendung der §§ 6 a, 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und bringt dazu vor:
Zu Unrecht habe das FG eine ernsthafte Pensionszusage angenommen. Vergleichbare Zusagen seien an familienfremde Arbeitnehmer nicht gegeben worden und auch nicht in Betrieben vergleichbarer Größe üblich. Die Zusage habe keine Ersatzfunktion für eine Sozialversicherungsrente, weil eine befreiende Lebensversicherung abgeschlossen sei. Gegen die Ernsthaftigkeit spreche die Zusage einer Invalidenrente ohne betragsmäßige Abstufung im Hinblick auf Alter oder Betriebszugehörigkeit. Wegen des Altersunterschieds bei der Klägerin und ihrem Ehemann sei nicht damit zu rechnen, daß die Klägerin die Zusage einmal erfüllen müsse; eher werde der Ehemann den Betrieb übernehmen und weiterführen. Außerdem sei bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Betriebs nicht damit zu rechnen, daß er die vereinbarte Pension zahlen könne.
Bei Anerkennung der Pensionszusage dem Grunde nach seien die Voraussetzungen für eine Kassation und Zurückverweisung nicht gegeben.
Das FA beantragt, nach Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Ob die Klägerin im Streitjahr eine Pensionsrückstellung für eine Versorgungszusage an ihren Ehemann bilden kann, läßt sich nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG nicht entscheiden.
a) Rückstellungen für eine Pensionszusage an den im Betrieb des Steuerpflichtigen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mitarbeitenden Ehegatten können nach Maßgabe des § 6 a EStG gebildet werden, wenn und soweit eine Pensionsverpflichtung eindeutig vereinbart und ernsthaft gewollt ist, mit einer tatsächlichen Inanspruchnahme aus der Pensionsverpflichtung gerechnet werden muß und die Pensionsverpflichtung dem Grunde und der Höhe nach betrieblich veranlaßt ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Juli 1976 I R 124/73, BFHE 120, 167, BStBl II 1977, 112; vom 20. März 1980 IV R 53/77, BFHE 130, 316, BStBl II 1980, 450; vom 26. Oktober 1982 VIII R 50/80, BFHE 137, 269, BStBl II 1983, 209).
Eindeutigkeit und Ernsthaftigkeit einer Pensionszusage sind mit Rücksicht auf die besonderen persönlichen Beziehungen der Vertragspartner nachzuweisen, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (BFH-Urteil vom 10. November 1982 I R 135/80, BFHE 137, 308, BStBl II 1983, 173). Die Ernsthaftigkeit einer getroffenen Vereinbarung ist insbesondere dann zu verneinen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls bereits bei Erteilung der Zusage mit einer späteren Inanspruchnahme aus der Verpflichtung nicht zu rechnen ist. Die Verpflichtung ist dann wirtschaftlich bedeutungslos und rechtfertigt keine gewinnmindernde Rückstellung in der Bilanz.
Für die Frage einer betrieblichen Veranlassung ist ein Fremdvergleich von Bedeutung. Betrieblich veranlaßt ist die Versorgungszusage an den Arbeitnehmer-Ehegatten dann, wenn und soweit mit hoher Wahrscheinlichkeit eine vergleichbare Zusage auch einem familienfremden Arbeitnehmer im Betrieb erteilt worden wäre. Hierfür ist in erster Linie der Inhalt der Vereinbarungen heranzuziehen; ein Vergleich mit Ruhegeldregelungen in anderen Betrieben kommt nur hilfsweise in Betracht (Urteil in BFHE 130, 316, BStBl II 1980, 450). Im Einzelfall kann aber auch für die Pensionszusage an den Arbeitnehmer-Ehegatten noch eine betriebliche Veranlassung gegeben sein, wenn und soweit andere Gründe als der innere Betriebsvergleich für die betriebliche Veranlassung sprechen. In Betracht kommen die anstelle einer Sozialversicherungsrente zugesagte Altersversorgung (Urteile in BFHE 120, 167, BStBl II 1977, 112; in BFHE 130, 316, BStBl II 1980, 450), außerdem die Berücksichtigung besonderer Arbeitsleistungen (BFH-Urteil vom 30. März 1983 I R 162/80, BFHE 138, 351, BStBl II 1983, 500) bei vorheriger und eindeutiger Vereinbarung (Urteil in BFHE 137, 269, BStBl II 1983, 209).
b) Die Vorentscheidung entspricht nicht diesen Grundsätzen.
Wenn das FG die Ernsthaftigkeit der von der Klägerin erteilten Versorgungszusage mit der Begründung bejaht hat, daß mit einer späteren Inanspruchnahme aus dieser Verpflichtung zu rechnen gewesen sei, so liegen dieser Annahme keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zugrunde. Insbesondere fehlt eine Würdigung des Umstands, daß die Klägerin bei Erteilung der Versorgungszusage bereits 64 Jahre alt und ihr Ehemann rund 18 Jahre jünger war.
Bei einem erheblichen Altersunterschied zwischen einem älteren Arbeitgeber-Ehegatten und einem jüngeren Arbeitnehmer-Ehegatten sind im Hinblick auf eine künftige Inanspruchnahme aus der Versorgungszusage die möglichen Fälle einer Betriebsübernahme durch den Arbeitnehmer-Ehegatten oder einer Betriebsveräußerung durch den Arbeitgeber-Ehegatten von besonderer Bedeutung und in die Würdigung einzubeziehen. Bei einem natürlichen Verlauf der Dinge kann es eher zu einer solchen Betriebsübernahme oder Betriebsveräußerung kommen als bei Ehegatten mit einem geringen Altersunterschied. Die Betriebsübernahme durch den Arbeitnehmer-Ehegatten führt hinsichtlich der Versorgungszusage zu einer Vereinigung von Forderung und Schuld in seiner Person. Die Betriebsveräußerung durch den Arbeitgeber-Ehegatten kann ohne Übernahme der Versorgungsverpflichtung durch den Erwerber erfolgen. Deshalb ist, jedenfalls bei Einzelunternehmen, in Fällen, in denen der Arbeitnehmer-Ehegatte wesentlich jünger als der Arbeitgeber-Ehegatte ist, in der Regel mit einer Inanspruchnahme aus der Versorgungszusage nur dann zu rechnen, wenn ausgeschlossen werden kann, daß der Arbeitnehmer-Ehegatte den Betrieb des Arbeitgeber-Ehegatten übernimmt. Außerdem müssen konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sein, daß bei einer Veräußerung des Betriebs durch den Arbeitgeber-Ehegatten die Verpflichtung aus der Versorgungszusage vom Erwerber übernommen wird, wenn und somit sie nicht aus dem Veräußerungserlös erfüllt werden kann.
Eine Überlegung, wie sie das FG angestellt hat, daß ein Erwerber des Geschäfts der Klägerin den Ehemann als besonders qualifizierten Angestellten und die Pensionsverpflichtung mit übernehmen würde, reicht nicht aus, wenn nicht gleichzeitig ausgeschlossen werden kann, daß der Ehemann den Betrieb übernimmt.
2. Die Vorentscheidung, die auf anderen Rechtsüberlegungen beruht, war aufzuheben. Nach der Zurückverweisung wird das FG eine weitere Sachaufklärung zu der Frage vornehmen, ob mit einer Inanspruchnahme aus der Versorgungszusage zu rechnen war.
Sollte das FG nach seiner erneuten Prüfung eine Pensionsrückstellung nach Grund und Höhe für gerechtfertigt halten, so wird es zu beachten haben, daß eine Zurückverweisung an das FA nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO einen wesentlichen Verfahrensmangel des FA voraussetzt (BFH-Urteil vom 18. Dezember 1979 VIII R 27/77, BFHE 130, 7, BStBl II 1980, 330). Ob das FA einen Verfahrensmangel begangen hat, ist nach der materiellen Rechtsauffassung zu beurteilen, die das FA seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Mithin ist zu prüfen, ob das FA von seinem Standpunkt eine weitere Sachaufklärung hätte betreiben müssen. Die Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Klägerin könnte - entgegen der Meinung des FG - keinen Verfahrensfehler i. S. des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO begründen.
Fundstellen
Haufe-Index 75056 |
BStBl II 1984, 661 |
BFHE 1985, 272 |