Entscheidungsstichwort (Thema)
Telefonkosten bei doppelter Haushaltsführung
Leitsatz (NV)
Aufwendungen eines Arbeitnehmers für Telefongespräche mit den Familienangehörigen sind im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung nur dann als Werbungskosten abziehbar, wenn die faktische Möglichkeit der telefonischen Kontaktaufnahme feststeht (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 18. März 1988 VI R 90/84, BFHE 153, 536, BStBl II 1988, 988).
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein türkischer Staatsangehöriger, war im Streitjahr 1987 als Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) beschäftigt. Seine Ehefrau lebte in dem gemeinsamen Hausstand in der Türkei.
In seinem Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1987 machte der Kläger - neben als Mehraufwendungen einer doppelten Haushaltsführung anerkannten Beträgen - auch Aufwendungen von 480 DM für Telefongespräche mit seiner Ehefrau als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ die Telefonkosten nicht zum Abzug zu, weil sie nicht nachgewiesen seien.
Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) hinsichtlich eines Teilbetrages von 320 DM statt. Zur Begründung führte es aus: Zu den abziehbaren Kosten einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung gehörten auch die Aufwendungen des Arbeitnehmers für Telefongespräche, die zwecks laufender Kontaktaufnahme mit Familienangehörigen geführt würden. Als notwendige Mehraufwendungen i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien jedenfalls die Kosten für ein Gespräch von 15 Minuten Dauer für jede Woche ohne Familienheimfahrt anzusetzen. Ein Einzelnachweis sei grundsätzlich nicht erforderlich, weil erfahrungsgemäß einem in intakter Ehe lebenden Arbeitnehmer derartige Kosten entstünden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. März 1988 VI R 90/84, BFHE 153, 526, BStBl II 1988, 988). Auf einen Einzelnachweis über die geführten Telefongespräche könne grundsätzlich auch dann verzichtet werden, wenn der Familienhaushalt in einem nicht an die Bundesrepublik angrenzenden Land belegen sei. Auch in diesem Fall sei der Arbeitnehmer daran gehindert, den persönlichen Kontakt zu seinen Angehörigen durch wöchentliche Familienheimfahrten zu verwirklichen. Es sei deshalb anzunehmen, er nehme die Möglichkeit der telefonischen Verbindung tatsächlich wahr. Daß der Kläger im Inland keinen eigenen Telefonanschluß unterhalte, sei unerheblich. Kostengründe stünden der Annahme laufender telefonischer Kontakte nicht entgegen, da ein Telefongespräch in die Türkei für 1,29 DM pro Minute geführt werden könne. Anhaltspunkte für besondere Schwierigkeiten der Telefonverbindung lägen nicht vor, weil die Ehefrau des Klägers nahe einer Provinzhauptstadt in der Türkei wohne.
Da somit aufgrund allgemeiner Erfahrung das Entstehen von Aufwendungen des Klägers für Telefonate mit seinen Familienangehörigen dem Grunde nach feststehe, sei die Höhe zu schätzen. Dies sei auch deshalb geboten, weil in der Praxis keine Möglichkeit bestehe, den Nachweis über die Höhe der Telefonkosten durch postamtliche Belege zu erbringen. Denn die Postämter erteilten keine Bescheinigungen, aus denen sich Gesprächspartner und angerufene Telefonnummer ergeben. Der Senat schätze die dem Kläger entstandenen notwendigen Telefonaufwendungen im Streitjahr, ausgehend von zwei Telefonaten von zehnminütiger Dauer im Monat, auf 320 DM.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 und § 12 EStG. Es trägt vor, nach der Entscheidung des BFH in BFHE 153, 526, BStBl II 1988, 988 seien Telefongespräche ins entfernte Ausland wegen der höheren Kosten regelmäßig nachzuweisen. Auch vorliegend seien höhere Kosten als bei Inlandsgesprächen entstanden, so daß von einer Nachweispflicht auszugehen sei. Im übrigen habe das FG nicht einmal einen Nachweis für erforderlich gehalten, ob der Kläger in der Heimat überhaupt einen Telefonanschluß habe. Es sei rechtsfehlerhaft, den Kläger von jeglicher Nachweispflicht freizustellen und die Aufwendungen nach Grund und Höhe zu schätzen. Im Ergebnis bedeute dies die Gewährung eines Pauschbetrags für ausländische Arbeitnehmer mit doppelter Haushaltsführung. Bei Auslandssachverhalten habe der Steuerpflichtige eine erhöhte Mitwirkungspflicht, er müsse sich in besonderem Maße um Aufklärung und Beschaffung von Beweismitteln bemühen (§ 90 Abs. 2 Abgabenordnung - AO 1977 -). Von dem Kläger hätte verlangt werden können, daß er zumindest Aufzeichnungen über die geführten Gespräche vorlege, aus denen sich Ziel, Dauer, Tag und Kosten des Gespräches ergeben. Der Kläger habe weder Aufzeichnungen noch irgendwelche Belege vorgelegt und sei damit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungen als Werbungskosten abziehbar sind.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung, wie sie bei dem Kläger unstreitig vorliegt, Aufwendungen des Arbeitnehmers für Telefongespräche mit seinen Familienangehörigen notwendige Mehraufwendungen i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG sein können. Der Senat hat das Vorliegen von notwendigen Mehraufwendungen grundsätzlich bejaht, wenn der Arbeitnehmer anstelle einer wöchentlichen Familienheimfahrt telefonisch mit seiner Familie in Verbindung tritt (Urteil in BFHE 153, 536, BStBl II 1988, 988; vgl. auch Urteil vom 18. März 1988 VI R 122/82, BFH/NV 1989, 92). Dabei hat er in typisierender Weise die Kosten eines fünfzehnminütigen Telefongesprächs pro Woche (zuzüglich anteiliger Telefongrundgebühren) ohne weiteren Nachweis als Werbungskosten anerkannt. Die Finanzverwaltung ist dem gefolgt (vgl. Abschnitt 43 Abs. 7 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1993).
2. Zu Unrecht hat das FG indessen aus diesen Grundsätzen für den Streitfall den Schluß gezogen, daß das Entstehen von Aufwendungen des Klägers für Telefongespräche mit seinen Familienangehörigen dem Grunde nach feststehe. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, daß einem auswärtig beschäftigten Arbeitnehmer stets Kosten für telefonische Familienkontakte entstünden, sofern er keine Familienheimfahrten durchführe, besteht nicht und ist auch in den vorbezeichneten Entscheidungen des Senats nicht zugrunde gelegt worden. In diesen Streitsachen war jeweils festgestellt, daß der Arbeitnehmer tatsächlich mit seinen Angehörigen telefonieren konnte.
Daß die faktische Möglichkeit von Telefonkontakten zwischen dem Arbeitnehmer und seiner Familie Voraussetzung für die typisierende Anerkennung von Telefonkosten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung ist, brauchte daher in den entschiedenen Fällen nicht ausdrücklich hervorgehoben zu werden.
Die tatsächliche Feststellung, daß der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur telefonischen Kontaktaufnahme mit seiner Familie hatte, ist jedoch insbesondere in den Fällen erforderlich, in denen die Familie im Ausland lebt. Denn da ausländische Arbeitnehmer - vor allem solche aus weit entfernten Herkunftsländern - nur selten Familienheimfahrten durchführen, würde die Anerkennung von Telefonkosten ohne den Nachweis zumindest der faktischen Möglichkeit ihrer Entstehung sowohl der Vorschrift des § 90 Abs. 2 AO 1977 über die Beweismittelverschaffungspflicht des Steuerpflichtigen bei Auslandssachverhalten widersprechen als auch im Ergebnis der Einführung eines im Gesetz nicht vorgesehenen Freibetrags gleichstehen.
Zur Untermauerung seiner Annahme, daß das Entstehen von Telefonkosten dem Grunde nach feststehe, hat das FG lediglich ausgeführt, besondere Schwierigkeiten der Telefonverbindung seien nicht erkennbar, weil die Ehefrau des Klägers nahe einer Provinzhauptstadt wohne. Diese Feststellung ist jedoch unzureichend. Sie läßt nicht erkennen, auf welche Weise der Kläger seine Ehefrau telefonisch hat erreichen können.
3. Da das FG seiner Entscheidung einen nicht bestehenden Erfahrungssatz zugrundegelegt hat, war das Urteil aufzuheben. Die Sache wird zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen zurückverwiesen. Das FG wird aufzuklären haben, ob der Kläger die Möglichkeit hatte, seine Ehefrau in der Türkei anzurufen. Dabei dürfte ein nicht näher substantiierter Vortrag des Klägers, die Ehefrau verfüge über einen eigenen Telefonanschluß, im Hinblick auf § 90 Abs. 2 AO 1977 nicht ausreichen. Der Kläger wird vielmehr die näheren Umstände der Telefonanrufe auf der Empfängerseite im einzelnen darzulegen, insbesondere die angerufene Telefonnummer anzugeben haben. Sollte das FG bei seiner erneuten Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gelangen, daß der Kläger mit seiner Ehefrau telefoniert hat, stünde einer Schätzung der Telefonkosten der Höhe nach nichts im Wege. Hierbei wird zu beachten sein, daß die Anzahl der Anrufe um so geringer gewesen sein wird, je schwieriger es für die Ehefrau ist, Telefonanrufe - etwa zu vereinbarten Zeiten in einem Postamt - entgegenzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 419303 |
BFH/NV 1994, 19 |