Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Waren, deren Marktpreis am Bilanzstichtag gegenüber den Anschaffungskosten nachhaltig allgemein rückläufig ist, dürfen auch dann mit dem Marktpreis angesetzt werden, wenn Waren dieser Art am Bilanzstichtag bereits fest verkauft sind, der Kaufvertrag aber noch von keiner Seite erfüllt ist.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung 1958 einer OHG die Bewertung von Hopfenvorräten am Bilanzstichtag.
Die OHG, die den Hopfengroßhandel betrieb, bewertete ihre Hopfenvorräte zum 31. Dezember 1958 statt mit den Anschaffungskosten (Warenpreis, Einkaufsprovision, Treterlohn und - bei präpariertem Hopfen - Verpackungsspesen) mit niedrigeren Marktpreis am Bilanzstichtag.
Bei der im April 1961 durchgeführten Betriebsprüfung beanstandete das Finanzamt diese Bewertung und führte aus, wirtschaftlich betrachtet sei es sinnlos, in einer Bilanz einen Warenverlust auszuweisen, obwohl die im nächsten Jahr gelieferte Ware am Bilanzstichtag bereits fest verkauft sei. Der rückläufige Marktpreis habe auf den Verkaufspreis keinen Einfluß gehabt, da im Hopfengroßhandel mit Rücksicht auf die ständigen Preisschwankungen Kauf und Verkauf zum Marktpreis am Tag des Vertragsschlusses abgeschlossen würden. Das Finanzamt berichtigte im Rahmen eines gegen den ursprünglichen Bescheid eingelegten Einspruchs die einheitliche Gewinnfeststellung für 1958 nach § 94 Abs. 2 und § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO. Der Einspruch der OHG gegen den Berichtigungsbescheid hatte keinen Erfolg.
In der Einspruchsentscheidung wird u. a. ausgeführt, die Brauereien deckten den größten Teil ihres Hopfenbedarfs in der Hauptsaison. Sie überzeugten sich dabei an Hand von Proben von der Beschaffenheit des Hopfens, legten also nicht nur Preis und Anbaulage fest, sondern wählten einen ganz bestimmten Hopfen aus. Ein eventueller übernehmer des Betriebs der OHG hätte auch deshalb den Anschaffungspreis (als Teilwert) gezahlt, weil der verkaufte Hopfen den Anforderungen des zu beliefernden Kunden entsprochen habe, während ein Neuankauf von Hopfen mit allen Risiken eines offenen Geschäfts behaftet und es ungewiß gewesen wäre, ob überhaupt noch Hopfen mit den gewünschten Eigenschaften käuflich gewesen sei. Der durchschnittliche Marktpreis sei am 31. Dezember insbesondere dann kein geeigneter Maßstab für die Bewertung von Hopfenvorräten, wenn ein erheblicher Teil der Ernte bereits abgesetzt sei.
Auf die Berufung der OHG stellte das Finanzgericht den einheitlichen Gewinn unter Anerkennung des von der OHG gewählten Wertansatzes fest. Zur Begründung führte es aus, Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens seien mit dem Marktpreis anzusetzen, wenn es niedriger als die Anschaffungskosten sei. Die Vorräte gehörten am Bilanzstichtag ungeachtet der Verkaufsverträge noch zum Umlaufvermögen der OHG. Da es den Käufern darauf angekommen sei, die Abwicklung der Verträge (Abnahme und Bezahlung der Ware) im Jahre 1959 vorzunehmen, könne in der alsbald nach dem Bilanzstichtag erfolgten Rechnungserteilung keine willkürliche Gewinnverlagerung erblickt werden. Die Vorräte hätten auch unter dem Gesichtspunkt des Teilwerts keinen über dem Marktpreis gelegenen Wert gehabt, da bei einem Angebot von etwa 25 000 Ztr. unverkauften Hopfens die Wiederbeschaffung eines Warenpostens von 400 bis 500 Ztr. ohne weiteres möglich gewesen wäre. Daß die Wiederbeschaffung zusätzliche Einkaufskosten erfordert hätte, berühre wohl die Anschaffungskosten, nicht aber den Marktpreis als Bewertungsmaßstab. Liege am Bilanzstichtag der Marktpreis eines Wirtschaftsguts unter den vom Kaufmann aufgewendeten Anschaffungskosten, so sei ein Verlust eingetreten; sein Ausgleich durch einen zwar als sicher erwarteten, indes noch nicht realisierten Gewinn sei nicht zulässig. Jedenfalls dürfe die Berücksichtigung künftiger Gewinnaussichten bei der Bewertung von Wirtschaftsgütern für das abzuschließende Wirtschaftsjahr vom Finanzamt nicht verlangt werden. Das schließe nicht aus, daß der Erwerber des Unternehmens die gewinnversprechenden Verkaufsabschlüsse im Kaufpreis des gesamten Unternehmens berücksichtigen würde.
Mit seiner Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts geltend, das Finanzgericht habe den Teilwertbegriff verkannt. Dieser decke sich praktisch mit den Anschaffungskosten, wenn am Bilanzstichtag über die zu bewertende Ware vertraglich in einer die Gewinnspanne sichernden Weise verfügt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß die OHG die Hopfenvorräte grundsätzlich mit einem gegenüber den Anschaffungskosten nachhaltig niedrigeren Marktpreis am Bilanzstichtag bewerten durfte. Die Feststellungen des Finanzgerichts reichen aber nicht aus, um seinen Schluß zu rechtfertigen, der Marktpreis am 31. Dezember 1958 stelle einen nachhaltig niedrigeren Preis dar und es sei noch genügend Hopfen der verkauften Art am Markt vorhanden gewesen, so daß ein gedachter Erwerber der OHG nur den Marktpreis gezahlt hätte, der Teilwert also mit dem Marktpreis identisch sei.
Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder mit dem niedrigeren Teilwert anzusetzen. Der Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt. Aus dieser Fiktion folgt nicht, daß der Teilwert von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens in jedem Falle dem Börsen- oder Marktpreis am Bilanzstichtag entspricht. Zwar wird das die Regel sein; denn der Teilwert ist ein objektiver Begriff, der wertmäßig zum Ausdruck bringt, was nach allgemeiner Auffassung in der Marktlage am Bilanzstichtag, d. h. in aller Regel im Börsen- oder Marktpreis, seinen Ausdruck findet (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 566/54 U vom 26. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 113, Slg. Bd. 62 S. 305). Sind Wirtschaftsgüter vergleichbarer Art und Güte am Markt tatsächlich erhältlich, so stimmt der Teilwert in aller Regel mit dem Marktpreis überein. Ein verständlicher Grund, für die Wirtschaftsgüter im Rahmen des Gesamtkaufpreises des Betriebes mehr als den Marktpreis aufzuwenden, ist im allgemeinen nicht ersichtlich.
Ist der Teilwert tatsächlich geringer, so kann ihn der Kaufmann auch dann ansetzen, wenn der zu bewertende Vorrat bereits fest zu einem höheren Preis verkauft ist, also mit Sicherheit ein Gewinn zu erwarten ist. Das folgt aus dem Prinzip der Einzelbewertung. Die Bewertung von Vorräten hat nichts mit der Bewertung und der Bilanzierung schwebender Geschäfte, die diese Vorräte betreffen, zu tun. Die aus solchen Verträgen fließenden Rechte und Pflichten sind gesondert zu bewerten. Die aus ihnen gezogenen Gewinne sind zu versteuern in dem Zeitraum, in dem sie erzielt sind. Schwebende Geschäfte, die am Bilanzstichtag noch von keiner Seite erfüllt sind, werden bilanzmäßig nicht ausgewiesen, soweit sich nicht aus ihnen bereits mit Sicherheit zu erwartende Verluste abzeichnen (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 566/54 U). Nichtrealisierte Gewinne aus ihnen bleiben auch dann außer Betracht, wenn sie mit Sicherheit zu erwarten sind und ein fiktiver Erwerber des ganzen Betriebes die schwebenden Verkaufskontrakte im Rahmen des Gesamtkaufpreises berücksichtigen würde (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 469/51 U vom 15. Mai 1952, BStBl 1952 III S. 169, Slg. Bd. 56 S. 436; I 86/57 U vom 8. Oktober 1957, BStBl 1957 III S. 442, Slg. Bd. 65 S. 541).
Es kommt mithin entscheidend darauf an, ob der Marktpreis am 31. Dezember 1958 nachhaltig niedriger war und ob auch ein Erwerber des gesamten Betriebes für die übernahme des bereits günstig verkauften Hopfens nicht mehr als den Marktpreis bezahlt hätte.
Hinsichtlich der ersten Frage (nachhaltig niedriger Marktpreis) ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß der Hopfen zum 31. Dezember 1958 mit dem an diesem Tage geltenden Marktpreis bewertet wurde. Es ist indessen bekannt und auch von dem Bevollmächtigten der OHG in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen worden, daß die Hopfenpreise sehr stark schwanken und sich unter Umständen binnen kürzester Frist erheblich ändern können. Diesem Umstand trägt das Finanzgericht nicht erkennbar Rechnung, wenn es den am 31. Dezember 1958 geltenden Marktpreis ohne weiteres als den nachhaltig gültigen Marktpreis unterstellt. Es hat insoweit lediglich ausgeführt, der Kammer sei bekannt, daß die Hopfenpreise ab 1958 rückläufig gewesen seien, und sie stützte sich auf die Marktberichte eines ihr als zuverlässigen Kenner und Beobachter des Hopfenmarktes bekannten Hopfenmaklers. In diesen Berichten ist aber nur gesagt, daß der Markt des letzten Vierteljahres 1958 ausgesprochen ruhig gewesen und "fast vollkommen geschäftslos" verlaufen sei. Im übrigen fehlen alle Angaben, die dem Senat eine überprüfung der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts ermöglichen könnten. Es ist nicht festgestellt, welche Menge von Hopfen zu bewerten (das Finanzgericht erwähnt an einer Stelle 400 bis 500 Ztr.), welche Sorte von Hopfen noch vorhanden, wie hoch der Marktpreis vom 31. Dezember 1958 und wie die Preisentwicklung während eines längeren Zeitraums vor dem Bilanzierungsstichtag war. Derartige Feststellungen hätte das Finanzgericht treffen müssen, um beurteilen zu können, ob die Hopfenvorräte richtig bewerter waren. Sein Urteil kann deshalb keinen Bestand haben.
Hinsichtlich der zweiten Frage (Marktpreis = Teilwert?) führt das Finanzgericht aus, es seien noch etwa 25 000 Ztr. Hopfen am Markt gewesen, ein Erwerber hätte also ohne weiteres 400 bis 500 Ztr. neu ankaufen können. Auch hierbei stützt sich die Kammer auf den Bericht des bezeichneten Hopfenmaklers. Dieser hatte indessen berichtet, die unverkauften Bestände in erster und zweiter Hand würden unterschiedlich beurteilt; immerhin dürften diese mit ca. 25 000 Ztr. zu veranschlagen sein. Abgesehen davon, daß der Makler also selbst von einem Unsicherheitsfaktor ausgeht, fehlt es auch an der Feststellung, welche Sorten noch am Markt waren und welche Sorte die OHG zu liefern hatte. Nur wenn die verkaufte Sorte am Markt erhältlich war, war der Schluß des Finanzgerichts gerechtfertigt, daß ein übernehmer des Betriebs nur den Marktpreis gezahlt hätte. Auch insoweit muß das Finanzgericht weitere Feststellungen treffen.
Fundstellen
Haufe-Index 411735 |
BStBl III 1965, 648 |
BFHE 1966, 413 |
BFHE 83, 413 |
BB 1965, 1214 |
DB 1965, 1616 |
DStR 1965, 695 |