Leitsatz (amtlich)
Fahrtkosten, die einem Steuerpflichtigen dadurch entstehen, daß er sein Kind zu einer Betreuungsperson bringt, sind keine Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung des Kindes; es handelt sich um Unterhaltsaufwendungen, die durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich abgegolten sind.
Orientierungssatz
Als "Aufwendungen" (hier: i.S. des § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG) werden allgemein alle beim Steuerpflichtigen abfließenden Güter angesehen, die in Geld oder Geldeswert bestehen (vgl. BFH-Urteil vom 30.7.1982 VI R 67/79). Nach § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG sind aber nur Aufwendungen zu berücksichtigen, die der Steuerpflichtige für einen Dritten leistet; Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die nicht für die Betreuungsperson geleistet werden, sind auch dann nicht abziehbar, wenn sie in irgendeiner Weise durch die Betreuung der Kinder veranlaßt sind (Ausführungen zur teleologischen, historischen und systematischen Auslegung des § 33a Abs. 3 Nr. 1 EStG).
Normenkette
EStG 1979 § 33a Abs. 3 Nr. 1; EStG 1983 § 53a
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 20.10.1982; Aktenzeichen I 201/82 L) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) und seine Ehefrau waren im Streitjahr 1980 beide berufstätig. Ihr gemeinsames im Streitjahr zwei Jahre altes Kind wurde während der Arbeitszeit von der Mutter des Klägers betreut. Das Kind wurde zu diesem Zweck von seiner Mutter morgens mit dem PKW zu seiner Großmutter gebracht, die 6 km entfernt wohnte, und nach Feierabend dort wieder abgeholt. In ihrem gemeinsamen Antrag auf Lohnsteuer-Jahresausgleich beantragten der Kläger und seine Ehefrau, Fahrtkosten von 1 200 DM zu der Großmutter als Aufwendungen für die Beaufsichtigung oder Betreuung ihres Kindes gemäß § 33a Abs.3 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung des Steueränderungsgesetzes 1979 vom 30.November 1978 --EStG-- (BGBl I 1978, 1849, BStBl I 1978, 479) abzuziehen.
Mit Bescheid über den Lohnsteuer-Jahresausgleich 1980 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) nur 600 DM als Kinderbetreuungskosten an. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1983, 238 veröffentlichten Urteil u.a. aus: Die Fahrtkosten des Klägers seien Aufwendungen "für eine Dienstleistung" i.S. des § 33a Abs.3 Nr.1 EStG, da sie notwendige Voraussetzung zur Erlangung der Betreuungsleistungen gewesen seien. Wie sich aus einer wörtlichen Auslegung ergebe, erfasse der Begriff "Aufwendungen für Dienstleistungen" nicht nur Dienstleistungsentgelte, sondern alle Ausgaben, die erbracht würden, um die begünstigten Dienstleistungen zu erhalten. Da der Aufwendungsbegriff selbst keine Einschränkung auf Zahlungen mit Entgeltscharakter enthalte, aber auch der Dienstleistungsbegriff als solcher ungeeignet sei, eine solche Einschränkung zu begründen, komme es allein auf die Auslegung der Präposition "für" an; diese habe der Gesetzgeber wie auch an anderer Stelle im EStG im Sinne einer "finalen Kausalität" verwendet.
Dagegen richtet sich die --vom FG zugelassene-- Revision, mit der das FA die Verletzung des § 33a Abs.3 Nr.1 EStG rügt.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FG hat die geltend gemachten Fahrtkosten zu Unrecht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
Nach § 33a Abs.3 Nr.1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, daß Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes i.S. des § 32 Abs.4 erwachsen, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden; abziehbar ist jedoch höchstens ein Betrag von 1 200 DM für jedes Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 33a Abs.3 Nr.1 EStG in der Fassung des durch das Haushaltsbegleitgesetz 1983 vom 20.Dezember 1982 --BGBl I, 1857, BStBl I 1982, 972-- eingefügten § 53a EStG --EStG 1983--).
1. Die Aufwendungen, die dem Kläger für Fahrten mit dem eigenen Kraftfahrzeug dadurch entstanden sind, daß sein Kind zur Betreuung in die Wohnung der Großmutter gebracht werden mußte, sind keine Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes. Als "Aufwendungen" werden allgemein alle beim Steuerpflichtigen abfließenden Güter angesehen, die in Geld oder Geldeswert bestehen (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.Juli 1982 VI R 67/79, BFHE 136, 396, BStBl II 1982, 744). Fallen danach zwar die Fahrtkosten --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- grundsätzlich unter den Aufwendungsbegriff des § 33a Abs.3 EStG, so ist dieser Begriff jedoch in Satz 1 Nr.1 dieser Vorschrift durch die Beifügung der weiteren Tatbestandsmerkmale "Dienstleistungen" und "Beaufsichtigung oder Betreuung" erkennbar eingeschränkt. Für den Senat folgt dies aus einer am Wortsinn orientierten Auslegung der aus verschiedenen Einzelbegriffen zusammengesetzten Tatbestandsvoraussetzung "Aufwendungen für Dienstleistungen zur Beaufsichtigung oder Betreuung eines Kindes", wonach nur die unmittelbar im Zusammenhang mit Dienstleistungen Dritter erbrachten Aufwendungen eines Steuerpflichtigen begünstigt sind. Zu berücksichtigen sind daher nur Aufwendungen, die der Steuerpflichtige für einen Dritten leistet; Aufwendungen des Steuerpflichtigen, die nicht für die Betreuungsperson geleistet werden, sind auch dann nicht abziehbar, wenn sie in irgendeiner Weise durch die Betreuung der Kinder veranlaßt sind.
2. Das FG ist allein aufgrund einer grammatischen Auslegung der Präposition "für" zu einem Ergebnis gelangt, das weder zwingend ist noch durch andere Auslegungskriterien bestätigt wird. Der Zweck der Vorschrift, ihre Entstehungsgeschichte und systematische Erwägungen sprechen gegen eine Berücksichtigung der Fahrtkosten als Kinderbetreuungskosten.
a) Entgegen der Auffassung des FG ist außer der kausalen Verwendung der Präposition "für" auch eine modale Verknüpfung denkbar; danach würde das Verhältniswort "für" nicht den Zweck der Aufwendungen angeben, sondern ihre Bestimmung oder Zugehörigkeit konkretisieren, und damit --wie die Revision meint-- den Entgeltscharakter der Aufwendungen in besonderer Weise kennzeichnen. Welchem dieser beiden denkbaren Ergebnisse grammatischer Auslegung des § 33a Abs.3 Nr.1 EStG zu folgen ist, kann jedoch im Streitfall dahinstehen; denn selbst wenn man mit dem FG von einer kausalen Verknüpfung des Aufwendungsbegriffs mit den begünstigten Betreuungsleistungen durch die Präposition "für" ausgeht, folgt daraus noch nicht, daß alle --unmittelbar und mittelbar-- durch die Dienstleistungen veranlaßten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
b) Der Zweck der Regelung zur Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten und damit zusammenhängend ihre Entstehungsgeschichte widersprechen einer Einbeziehung der Fahrtkosten zur Betreuungsperson. Mit der Neufassung des § 33a Abs.3 Nr.1 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1979 trug der Gesetzgeber u.a. einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) Rechnung, das den kinderbezogenen Hausgehilfinnen- Freibetrag insoweit als gleichheitswidrig angesehen hatte, als die Steuerermäßigung nicht bereits erwerbstätigen Eltern mit nur einem Kind gewährt wurde (BVerfG-Beschluß vom 11.Oktober 1977 1 BvR 343/73, 83/74, 183/75, 428/75, BVerfGE 47, 1, BStBl II 1978, 174). Während der Gesetzgeber jedoch für Veranlagungszeiträume vor 1980 durch Einführung des § 53a EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1979 (EStG 1979) die Verfassungswidrigkeit dadurch beseitigte, daß er auch berufstätige Eltern mit nur einem Kind in die Steuerermäßigung einbezog, kam es für die Veranlagungszeiträume ab 1980 nach Einschaltung des Vermittlungsausschusses zu der geänderten Fassung des § 33a Abs.3 EStG. Obwohl diese Fassung einen Kompromiß zwischen der Forderung der Regierungsparteien nach steuerlicher Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten und dem Bestreben der Opposition nach Wiedereinführung von Kinderfreibeträgen darstellte (vgl. Koch, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1979/80, S.28), blieb es grundsätzlich bei einer Regelung zur Abgeltung besonderer Betreuungsaufwendungen. Im Unterschied zur früheren Fassung und zu § 53a EStG 1979 waren jedoch weder die Berufstätigkeit der Eltern oder die allgemeine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen noch die Beschäftigung einer Hausgehilfin Voraussetzung. Mit dem Verzicht auf die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen entsprach der Gesetzgeber beiläufigen Ausführungen des BVerfG zur Benachteiligung nicht erwerbstätiger Mütter, die sich der Kindererziehung widmen (BStBl II 1978, 174, 182), während der Begriff der Dienstleistungen zu einer Erweiterung der begünstigten Aufwendungen für eine Hausgehilfin auch auf sonstige Betreuungskosten, wie z.B. Kindergartenbeiträge, führte. Diese Änderungen rechtfertigen jedoch ebensowenig die Einbeziehung aller Aufwendungen für den Kindesunterhalt in die Steuerermäßigung, wie dies unter der Geltung des Hausgehilfinnen-Freibetrags möglich gewesen wäre.
c) Der Senat kann der Vorentscheidung insbesondere nicht darin beipflichten, daß der Begriff der Dienstleistungen deshalb nicht zu einer Einschränkung des Aufwendungsbegriffs führe, weil er lediglich dem Zweck diene, Aufwendungen für Sachleistungen vom Abzug auszuschließen. Diese auch im Schrifttum vertretene Auffassung (vgl. Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, 12.Aufl., § 33a Anm. VI 2 b; Offerhaus, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1979, 474, 478; Zeitler/Scheidel, Betriebsberater --BB-- 1980, 1368) findet jedenfalls in der Gesetzesbegründung keine Stütze. Ebenso wie im Falle des durch das Einkommensteuerreformgesetz vom 5.August 1974 (BGBl I, 1769, BStBl I 1974, 530) eingeführten Freibetrags für Heimunterbringung sollte der Dienstleistungsbegriff die als zu eng empfundene Tatbestandsvoraussetzung "Beschäftigung einer Hausgehilfin" ersetzen (BTDrucks 7/2180, S.20) und damit auch solche Aufwendungen begünstigen, die nicht durch ein Dienstverhältnis zum Steuerpflichtigen veranlaßt sind und die nach der Rechtsprechung des BFH auch nicht im Wege einer Analogie zu § 33a Abs.3 EStG berücksichtigt werden konnten (Urteil vom 30.August 1972 VI R 144/69, BFHE 107, 496, BStBl II 1973, 159).
d) Schließlich sprechen auch systematische Erwägungen gegen eine Berücksichtigung der Fahrtkosten nach § 33a Abs.3 Nr.1 EStG und für eine enge Auslegung dieser Vorschrift im Hinblick auf den Abzug der umstrittenen Fahrtkosten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH nämlich sind Leistungen Unterhaltsverpflichteter in Erfüllung ihrer Pflicht zur Personensorge (§§ 1601, 1603, 1612 des Bürgerlichen Gesetzbuches) grundsätzlich durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich (Kindergeld sowie andere kinderbedingte Entlastungen, Freibeträge und Pauschalen) abgegolten (z.B. Urteile vom 14.Februar 1975 VI R 125/74, BFHE 115, 322, BStBl II 1975, 607; vom 1.Dezember 1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78; vom 8.März 1979 IV R 94/75, BFHE 127, 373, BStBl II 1979, 410, und vom 8.November 1979 IV R 66/77, BFHE 129, 134, BStBl II 1980, 117). Eine derartige pauschale Abgeltung von Unterhaltsaufwendungen, die auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG- Beschluß vom 23.November 1976 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 103, BStBl II 1977, 135) hat der BFH insbesondere bei Fahrtkosten eines Steuerpflichtigen angenommen, der sein gesundes Kind mit dem Zweitwagen zur Schule bringt (Urteil vom 13.Mai 1966 VI 332/65, BFHE 86, 361, BStBl III 1966, 506). Für die im Streitfall aufgewendeten Fahrtkosten gilt nichts anderes; ihre Berücksichtigung als Kinderbetreuungskosten i.S. des § 33a Abs.3 Nr.1 EStG würde demnach zu einer ungerechtfertigten Doppelbegünstigung von Aufwendungen führen.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), die Klage abzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1987, 167 |
BFHE 148, 22 |
BFHE 1987, 22 |
BB 1987, 665 |
BB 1987, 665-665 (ST) |
DB 1987, 416-416 |
DStR 1987, 91-91 (ST) |
HFR 1987, 71-72 (ST) |
DStZ/E 1987, 31-31 (ST) |
FamRZ 1987, 699-699 (S) |