Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Beginn der Herstellung nach § 4 b InvZulG 1975 bei beweglichen Wirtschaftsgütern (Betriebsvorrichtungen)
Leitsatz (NV)
Für bewegliche Wirtschaftsgüter (Betriebsvorrichtungen) gilt die in § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 für Gebäude und Gebäudeteile getroffene Fristenregelung nur, wenn die Betriebsvorrichtung mit dem Gebäude oder dem Gebäudeteil errichtet worden ist und mit diesem eine bautechnische und bauordnungsrechtliche Einheit bildet.
Normenkette
InvZulG 1975 § 4b Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH, die verschiedenartige . . . produziert. Im Mai 1975 stellte sie bei der zuständigen Baubehörde den Antrag auf Errichtung eines Hochregallagers (Palettenlager II) und einer Bereitstellungshalle. Nachdem die Genehmigung für beide Bauwerke im September 1975 durch einen einheitlichen Verwaltungsakt erteilt worden war, gab die Klägerin die Errichtung beider Bauwerke am 17. September 1975 durch Abschluß eines Generalunternehmervertrags in Auftrag.
Die neue Bereitstellungshalle, die eine bereits vorhandene Bereitstellungshalle erweitert, ist an die Längsseite des etwas schmaleren, aber etwa dreimal so langen neuen Hochregallagers gebaut. Die Außenmauer des Hochregallagers ist, soweit die Bauwerke aneinanderstoßen, gleichzeitig Außenmauer der Bereitstellungshalle. Beide neuen Bauwerke, die eine zusammenhängende Vollsprinkleranlage haben, sind in den Gesamtgebäudekomplex des Werkes der Klägerin integriert. Der Betrieb des Hochregallagers erfolgt automatisch durch führerlose Fördergeräte, die von einem dem Bauwerk vorgelagerten Steuerpult aus gesteuert werden. Menschen halten sich in dem Palettensilo nur bei außer Betrieb gesetzter Anlage zu Wartungs- und Reparaturarbeiten auf.
Die Bereitstellungshalle, von der aus kein direkter Zugang zu dem Hochregallager besteht, dient der Qualitätskontrolle.
Den fristgerecht gestellten Antrag auf Zulage nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG 1975) für die im vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr 1975/76 angefallenen Herstellungskosten lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -), soweit er das Hochregallager betraf, ab, da insoweit eine Betriebsvorrichtung vorliege, mit deren Herstellung nicht innerhalb des durch § 4 b InvZulG für bewegliche Wirtschaftsgüter bestimmten Begünstigungszeitraums begonnen worden sei. Die Zulage für die auf die Bereitstellungshalle entfallenden Aufwendungen wurde hingegen antragsgemäß gewährt.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, daß zwischen dem Hochregallager und der gleichzeitig errichteten Bereitstellungshalle eine ,,enge bautechnische und bauordnungsrechtliche Einheit" bestehe. Obwohl das Hochregallager eine Betriebsvorrichtung sei, müsse somit für dieses die gleiche Begünstigungsfrist gelten wie für die Bereitstellungshalle, die unstreitig ein Gebäude sei.
Mit der Revision rügt das FA eine unrichtige Anwendung des § 4 b InvZulG 1975 sowie einen Verstoß gegen die Gesetze der Logik. Für eine Betriebsvorrichtung, wie sie das Hochregallager darstelle, könne allenfalls die Fristenregelung für Gebäude und Gebäudeteile gelten, wenn die Betriebsvorrichtung im Verhältnis zum gleichzeitig errichteten Gebäude eine Nebensache darstelle, nicht jedoch dann, wenn die Betriebsvorrichtung die mehrfache Dimension des Gebäudes habe.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuzweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Mit der Errichtung des Hochregallagers ist nicht in dem in § 4 b InvZulG 1975 festgelegten Begünstigungszeitraum (1. Dezember 1974 bis 30. Juni 1975) begonnen worden.
1. Das FG ist in seiner Entscheidung zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß es sich bei dem streitbefangenen Hochregallager um eine Betriebsvorrichtung und nicht um ein Gebäude handelt.
Ein Bauwerk ist nach der zum Bewertungsrecht ergangenen Rechtsprechung, die auch auf das Zulagenrecht Anwendung findet (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Juni 1977 III R 76/75, BFHE 122, 385, BStBl II 1977, 590), nur dann als Gebäude im steuerrechtlichen Sinne anzusehen, wenn es, neben anderen Voraussetzungen, den Aufenthalt von Menschen gestattet (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 222/84, BFHE 150, 62, BStBl II 1987, 551). Enthält ein Bauwerk jedoch keinerlei Anlagen, die dem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen, etwa zur Steuerung der betrieblichen Vorgänge oder zu sonstigen Verrichtungen im betrieblichen Ablauf dienen, und halten sich Beschäftigte nur bei abgeschalteter Anlage außerhalb des Betriebsablaufs zu Wartungs- und Reparaturarbeiten in dem Gebäude auf, handelt es sich um eine Betriebsvorrichtung. Eine solche ist nach ständiger Rechtsprechung auch zulagerechtlich als bewegliches Wirtschaftsgut zu behandeln (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 5 Anm. 17 b). Dieser Sachverhalt ist im Streitfall gegeben.
2. Für Betriebsvorrichtungen gilt die Fristenregelung des § 4 b Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1975. Die in § 4 b Abs. 2 Satz 5 InvZulG 1975 für Gebäude getroffene Fristenregelung findet auch dann keine Anwendung, wenn die Errichtung der Betriebsvorrichtung eine Baumaßnahme darstellt, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 1. Juli 1983 III R 161/81, BFHE 138, 513, BStBl II 1983, 686). Anders ist dies nach der Rechtsprechung des Senats nur dann, wenn die Betriebsvorrichtung gleichzeitig mit einem Gebäude oder einem Gebäudeteil errichtet worden ist und mit diesem eine bautechnische und bauordnungsrechtliche Einheit bildet (Urteile vom 23. November 1979 III R 4/79, BFHE 130, 475, BStBl II 1980, 554; vom 28. Oktober 1988 III R 127/85, BFH/NV 1989, 667). Die Einheit muß jedoch derartig sein, daß praktisch nur eine gleichzeitige Errichtung in Betracht kommt und deshalb Besonderheiten, die nach § 4 b InvZulG 1975 hinsichtlich des Beginns und des Endzeitpunkts des gleichzeitig errichteten Gebäudes gelten, zwangsläufig auf die Betriebsvorrichtung durchschlagen müssen.
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist zwischen dem Hochregallager und der Bereitstellungshalle diese erforderliche Einheit nicht gegeben. Zwar wurde eine einheitliche Baugenehmigung erteilt. Außerdem haben die Bauwerke, soweit sie aneinanderstoßen, eine gemeinsame Wand. Dies reicht jedoch nicht aus. Erforderlich wäre ein im Funktionszusammenhang zwischen den Bauwerken begründetes Ineinandergreifen, das eine gemeinsame Errichtung zwingend notwendig gemacht hätte. Zwar mögen die in der neuen Bereitstellungshalle durchgeführten Kontrollarbeiten in engem Zusammenhang mit dem Lager zu sehen sein. Die beiden Bauwerke stehen jedoch weder nach ihrem Funktionszusammenhang noch nach ihrem baulichen Ineinandergreifen und ihrem äußeren Erscheinungsbild in einem unlösbaren Zusammenhang, wie es der Senat in dem Urteil in BFH/NV 1989, 667 gefordert hat. Auch wenn die gleichzeitige Errichtung der Bereitstellungshalle und des neuen (zweiten) Hochregallagers sich als zweckmäßig erwies, sind beide Bauwerke dennoch als solche für sich funktionsfähig. Die Errichtung hätte daher auch zeitlich unabhängig voneinander erfolgen können, ohne daß das eine Bauwerk in seiner Eigenschaft als Bereitstellungshalle und das andere Bauwerk in seiner Funktion als neues Hochregallager beeinträchtigt worden wäre.
b) Die beiden Bauwerken gemeinsame Sprinkleranlage vermag die erforderliche untrennbare Einheit ebenfalls nicht zu begründen. Die durch sie geschaffene Verbindung verzahnt die Bauwerke nicht in ihrer Funktion und macht sie nicht untrennbar.
3. Da mit den Herstellungsarbeiten für das Hochregallager unstreitig erst im September 1975, also außerhalb des durch § 4 b Abs. 2 InvZulG 1975 festgelegten Begünstigungszeitraums, begonnen wurde, steht der Klägerin für die bei der Errichtung angefallenen Kosten eine Investitionszulage nicht zu.
Das FG ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif; der Senat kann deshalb durcherkennen. Die gegen die Einspruchsentscheidung vom 2. September 1983 gerichtete Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 416679 |
BFH/NV 1990, 453 |