Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei Prüfung der Frage, ob in einer Gutschrift des Lohnanspruchs ein Zufließen im Sinne des § 11 EStG zu sehen ist, ist bei verwandtschaftlichen Beziehungen ein strenger Maßstab anzulegen.
Normenkette
EStG § 11/1; LStDV §§ 2, 46; EStG § 38/3
Tatbestand
Streitig ist die Lohnsteuerhaftung des Beschwerdegegners (Bg.) für eine Tantieme, die er seinem bei ihm angestellten Sohn gutschrieb.
Der Bg. betreibt Handel mit Eisenschrott und Metallen. Die Firma ist im Handelsregister eingetragen; die Gewinnermittlung erfolgt nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Sohn erhält für seine Tätigkeit als Angestellter des Betriebes ein Monatsgehalt von 500 DM; außerdem steht ihm eine Wohnung (Mietwert 60 DM) zur Verfügung. Am 21. Mai 1951 schlossen der Bg. und sein Sohn folgende Vereinbarung: "Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Bg. durch Krankheit in den letzten Jahren seine Tätigkeit als alleiniger Inhaber seiner Schrott- und Metallgroßhandlung nicht mehr voll ausüben kann, und sein Sohn das Unternehmen während seiner Abwesenheit zu leiten hat, letzterer fernerhin über die normale Tätigkeit eines Angestellten hinaus laufend aufsichtsführend in dem Unternehmen des Vaters tätig ist, und er schließlich später einmal den Betrieb übernehmen soll, zahlt der Bg. an seinen Sohn alljährlich eine Tantieme, die von dem jeweiligen Jahresgewinn abhängig sein soll. Die Auszahlung dieser Tantieme soll nach Erstellung der Bilanz erfolgen und sich auf 30 bis 50 % des Bilanzgewinnes belaufen.
Diese Vereinbarung gilt erstmalig für das Jahr 1951 und soll solange Gültigkeit haben, bis sie durch eine neue Abmachung ersetzt wird."
Zum 31. Dezember 1951 schrieb der Bg. seinem Sohn eine Tantieme von 40.000 DM gut und setzte diesen Betrag vom Gewinn als Betriebsausgabe ab. Lohnsteuer wurde nicht einbehalten. Eine Verzinsung oder eine Auszahlung der Gutschrift erfolgte nicht; in den späteren Jahren wurden dem Sohn keine Tantiemen gutgeschrieben.
Das Finanzamt hat dem Bg. durch Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 30. Juni 1953 wegen der nicht einbehaltenen Steuer, in Anspruch genommen. Demgegenüber machte der Bg. geltend, daß die Tantieme seinem Sohn noch nicht zugeflossen sei, da sie mangels flüssiger Mittel nicht habe ausgezahlt werden können.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt führte aus, die ungünstige Liquidationslage sei durch die Erhöhung des Anlagevermögens sowie durch die hohen Privatentnahmen entstanden; die Tantieme sei mit Rücksicht auf das enge Verwandtschaftsverhältnis im beiderseitigen Interesse im Betrieb stehen gelassen worden. Die Tantieme sei daher als gezahlt anzusehen.
Das Finanzgericht hat demgegenüber nach Durchführung einer von ihm angeordneten Betriebsprüfung die Lohnsteuerhaftung verneint. Die Gutschrift sei nicht im Interesse des Arbeitnehmers erfolgt, sondern weil der Bg. zur Zeit der Aufstellung der Bilanz und in der Folgezeit infolge der Aufwendungen für einen neuen Lagerplatz (111.000 DM) und für eine Paketpresse (88.500 DM) keine flüssigen Mittel besessen habe. Die Neuanschaffungen seien im Interesse des Betriebes erfolgt, daher sei auch das Stehenbleiben der Tantieme betrieblich bedingt. Ein etwaiges Interesse des Sohnes und Erben an der Kapitalbildung sei demgegenüber bedeutungslos.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechtes und Verstoß wider den klaren Inhalt der Akten; ferner liege wegen Nichterhebung weiterer Beweise ein Mangel des Verfahrens vor. Das Finanzgericht habe verkannt, daß der Arbeitnehmer, der gleichzeitig Sohn und Erbe ist, nur aus verwandtschaftlichen Gründen die Auszahlung der Tantieme nicht veranlagt habe. Ein nicht verwandter Arbeitnehmer hätte weder auf die Auszahlung noch auf die Verzinsung der stehengebliebenen Tantieme verzichtet. Die Illiquidität des Betriebes sei auf die im Einvernehmen zwischen Vater und Sohn vorgenommenen hohen Anschaffungen im Veranlagungszeitraum und in der Folgezeit, auf die Kosten für eine Wohnung des Sohnes in Höhe von 34.335 DM und auf die erheblichen Privatentnahmen des Bg. zurückzuführen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt wegen Rechtsirrtums und wegen Verstoßes gegen den Akteninhalt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Soweit die Rb. als Verfahrensmangel die Nichterhebung weiterer Beweise rügt, ist sie unbegründet, da die gewünschte Beweiserhebung, die im Ermessen des Finanzgerichts lag, nicht erforderlich war; das Finanzgericht konnte mit Recht von einer solchen absehen.
Zutreffend bemängelt dagegen der Beschwerdeführer (Bf.), daß das Finanzgericht den Begriff des Zufließens im Sinne des § 11 EStG verkannt habe. Die Gutschrift des Betrages von 40.000 DM ist von den Beteiligten und vom Finanzgericht als gewinnmindernde Betriebsausgabe des Bg. anerkannt worden. Von diesem unbestrittenen Sachverhalt ist auch in der Rb. auszugehen. Nach § 30 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) hat der Arbeitgeber bei Zahlung des Lohnes, wozu auch die Tantieme gehört, die Lohnsteuer einzubehalten. In der Gutschrift eines Lohnanspruchs kann bereits ein "Zufließen" und damit die Zahlung im steuerlichen Sinne liegen. Wie der Senat in dem Urteil IV 86/52 U vom 19. Juni 1952, Slg. Bd. 57 S. 434, Bundessteuerblatt (BStBl) 1953 III S. 170, unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs ausgeführt hat, kommt es bei Gutschrift eines Gehaltsanspruches darauf an, in wessen Interesse die Gutschrift an die Stelle der Auszahlung getreten ist. Die Gutschrift steht einer Zahlung dann gleich, wenn der Arbeitnehmer sich durch Belassung des Lohnes eine Kapitalanlage schaffen wollte; sie ist andererseits nicht als Zahlung anzusehen, wenn die Nichtabhebung im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Arbeitgebers liegt.
Das Finanzgericht hat im vorliegenden Falle zwar mit Recht darauf hingewiesen, daß der Bg. zum 31. Dezember 1951 infolge der hohen Aufwendungen für einen neuen Lagerplatz und infolge der Baukosten, wozu später noch die Ausgaben für die neue Paketpresse kamen, nicht die nötigen flüssigen Mittel zur Auszahlung der Tantieme gehabt habe. Wenn es auch richtig ist, daß grundsätzlich der Betriebsinhaber darüber zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang Anschaffungen für den Betrieb erforderlich sind, so muß doch beachtet werden, daß die Anschaffungen und der Bau einer Wohnung für den Sohn mit 34.335 DM in offensichtlicher übereinstimmung zwischen dem Bg. und seinem Sohn, der "über die normale Tätigkeit eines Angestellten hinaus aufsichtsführend in dem Unternehmen des Vaters tätig ist", erfolgten. Der Sohn hat daher mit der Vornahme der Investitionen seine Einwilligung zur Nichtauszahlung der Tantieme gegeben, um als Sohn und Betriebsnachfolger das Geld lieber im Betrieb arbeiten zu lassen. Hieraus ergibt sich das Interesse des Sohnes an dem Verbleib des Geldes im Betrieb, das zur Annahme des Zufließens erforderlich ist. Dem steht nicht entgegen, daß der Bg. auch ein Interesse hatte, zinsloses Geld im Betrieb arbeiten zu lassen. Bei einer Tantiemeschuld von 40.000 DM an einen fremden Angestellten hätten die Investitionen und die Privatentnahmen des Bg. eingeschränkt werden müssen, um auch den Tantiemegläubiger zu seinem Recht kommen zu lassen, zumal die entsprechenden Vermögenswerte vorhanden waren. Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich deutlich, daß das Grundmotiv für die Nichtauszahlung der Tantieme in den verwandtschaftlichen Beziehungen zu suchen ist. Ganz allgemein bestehen bei einer Vereinbarung über die Nichtabhebung von Lohnbeträgen immer dann Bedenken, ein Zufließen von Arbeitslohn zu verneinen, wenn es sich um Beziehungen zwischen Vater und Sohn handelt. Abmachungen dieser Art können steuerlich nicht ohne weiteres mit einem Fall gleich behandelt werden, in dem gleichartige Abmachungen zwischen dem Arbeitgeber und einem fremden Arbeitnehmer behauptet worden sind (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 129/32 vom 9. März 1932, Reichssteuerblatt - RStBl - 1932 S. 513). Deshalb spricht auch die Nichtverzinsung des Guthabens hier nicht gegen ein Zufließen, da diese Vereinbarung ebenfalls auf der Ebene Vater und Sohn liegt, zumal der Sohn als Geschäftsnachfolger vorgesehen war und deshalb ein großes Interesse an der späteren Fortentwicklung und der Anreicherung des Betriebsvermögens hatte. Der Hinweis des Bg., auch ein fremder Angestellter sei wegen der künftigen Tantiemen an der Entwicklung des Betriebes interessiert, greift nicht durch, weil der Bg. in den späteren Jahren keine Tantieme mehr bezahlt hat. Die Tantieme war auch bei den hohen Anlagewerten der Bilanz zum 31. Dezember 1951 so gesichert, daß aus diesem Grunde ein Zufließen nicht verneint werden kann. Bei Verneinung der Lohnsteuerpflicht würde es in das Belieben der Steuerpflichtigen gestellt, ob und wann sie Tantiemen versteuern wollen, die sie bereits als Betriebsausgabe abgesetzt haben.
Aus den dargelegten Gründen ist in der Gutschrift der Tantieme ein Zufließen und damit eine Auszahlung an den Sohn zu erblicken. Die Gutschrift unterliegt daher der Lohnsteuer, so daß das Finanzamt mit Recht den Bg. zur Lohnsteuerhaftung nach § 46 LStDV herangezogen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 408629 |
BStBl III 1957, 58 |
BFHE 64, 151 |