Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Anerkenntnis des Arbeitgebers nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung
Leitsatz (NV)
1. Wird der Arbeitgeber aufgrund eines Anerkenntnisses im Sinne des § 42 d Abs. 4 Nr. 2 EStG in Anspruch genommen, so braucht das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung keine Ermessenserwägungen darzulegen, wenn sich der Arbeitgeber bei der Lohnsteuer-Außenprüfung zur Übernahme einer etwa anfallenden Lohnsteuer bereiterklärt und diese Erklärung nicht widerrufen hat.
2. Zur Erhebung von ,,Steuer auf Steuer" bei Regreßverzicht des Arbeitgebers.
Normenkette
EStG 1975 § 42d Abs. 4 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) überließ ihrem Prokuristen A firmeneigene PKW für Fahrten zwischen Wohnung und den Arbeitsstätten und für sonstige private Fahrten. A stellte das ihm jeweils überlassene Firmenfahrzeug in der etwa . . . qm großen, unbeheizten Garage seines Wohnhauses unter. Hierzu sowie zur Übernahme der Fahrzeugpflege, hatte er sich der Klägerin gegenüber verpflichtet.
Im Hinblick hierauf gingen die Vertragspartner davon aus, daß ein geldwerter Vorteil wegen der PKW-Überlassung beim Lohnsteuerabzug für A nicht zu berücksichtigen sei. . . Bei einer im Jahre 1977 durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung sah der Prüfer in der Überlassung der Firmenfahrzeuge einen geldwerten Vorteil und unterwarf diesen der Lohnsteuer. . . Außerdem unterwarf er die Nachforderungsbeträge für 1975 und 1976 ihrerseits der Lohnsteuer mit der Begründung, die Klägerin habe sich bereiterklärt, die genannten Nachforderungsbeträge zu übernehmen; sie seien daher als sonstiger Bezug im Jahre 1977 aufgrund einer Nettolohnvereinbarung zu versteuern. Insgesamt ergaben sich danach Nachforderungen in Höhe von . . . DM und eine für den Prüfungsmonat Juli oder August 1977 abzuführende Lohnsteuer von . . . DM.
Unter dem . . . 1977 fertigte der Prüfer auf dem entsprechenden Vordruck der Oberfinanzdirektion (OFD) eine Mitteilung über die nachzuzahlenden Steuerabzugsbeträge. Im Rahmen der am selben Tage abgehaltenen Schlußbesprechung erkannte die Klägerin ihre Verpflichtung zur Nachzahlung der Steuerabzugsbeträge durch Unterschreiben des in dem Vordruck enthaltenen Anerkenntnisses an. Bei der Feststellung von unversteuert gebliebenen Tantiemezahlungen an A beschränkte sich der Prüfer auf die Ausfertigung einer Kontrollmitteilung an das für A zuständige Finanzamt (FA).
Gegen die Anerkenntniserklärung wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch, der jedoch zurückgewiesen wurde; Ausführungen zur Frage, warum statt des Steuerschuldners A die Klägerin als Haftende in Anspruch zu nehmen sei, enthält die Entscheidung nicht. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 472 veröffentlichten Urteil aus, eine Nettolohnvereinbarung liege im Streitfall nicht vor. Vielmehr seien die Klägerin und A bei Abschluß des Arbeitsvertrages davon ausgegangen, daß im Hinblick auf die von A zu erbringenden Gegenleistungen ein der Lohnsteuer zu unterwerfender geldwerter Vorteil nicht vorliege. Die Erklärung der Klägerin gegenüber dem Prüfer, sie übernehme die auf die PKW-Nutzung entfallenden Nachforderungsbeträge, stelle keine Nettolohnvereinbarung, sondern allenfalls einen Verzicht auf die Erstattung nachgeforderter Lohnsteuer dar, der frühestens zu diesem Zeitpunkt als Zuwendung der Lohnsteuer zu unterwerfen sei. Scheide aber eine Nettolohnvereinbarung aus, so habe der Inanspruchnahme der Klägerin eine Ermessensentscheidung des Beklagten und Revisionsklägers (FA) vorausgehen müssen. Zwar hielten sich die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen in den durch § 42 d Abs. 3 EStG gezogenen Grenzen des Ermessens, sie ließen jedoch einen Ermessensfehlgebrauch erkennen. Denn zu einer fehlerfreien Ausübung des Ermessens gehören neben einer einwandfreien und vollständigen Sachaufklärung, daß die im Rahmen einer jeden Ermessensentscheidung zu berücksichtigenden Billigkeitsgesichtspunkte in einer Weise erörtert würden, die erkennen lasse, daß sich die Behörde mit diesen Gesichtspunkten befaßt habe; das Wesen des Ermessens liege im Abwägen des Für und Wider, so daß bei fehlender Begründung davon ausgegangen werden müsse, die Behörde habe dieses Abwägen unterlassen. An einer solchen Darlegung von Ermessenserwägungen und damit an einer durch die Gerichte nachprüfbaren Ermessensausübung fehle es hier. Zwar habe die Erteilung eines formlosen Haftungsbescheids durch Entgegennahme des Anerkenntnisses keine Gelegenheit geboten, etwa angestellte Ermessenserwägungen (des Prüfers) schriftlich darzulegen. Dies hätte jedoch spätestens in der Einspruchsentscheidung geschehen müssen.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und unterlassene Sachverhaltsaufklärung . . .
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es nicht darauf an, ob ein Anerkenntnis i. S. des § 42 d Abs. 4 Nr. 2 EStG ein Haftungsbescheid ist oder ob es einem solchen lediglich gleichgeachtet werden muß. Denn im Gegensatz zur Auffassung des FG bedarf es einer Darlegung der Ermessenserwägungen in der Einspruchsentscheidung auch dann nicht, wenn es sich um einen (formlosen) Haftungsbescheid handelt. Das ergibt sich daraus, daß das FA - auch in der Einspruchsentscheidung - grundsätzlich nicht darzulegen braucht, warum es den Arbeitgeber in Anspruch genommen hat, wenn eine Weiterbelastung der streitigen Lohnsteuer an den Arbeitnehmer ausgeschlossen ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Dezember 1984 VI R 72/82, BFHE 142, 494, BStBl II 1985, 170, a. E.). So liegt der Fall hier.
Zu Recht hat das FG zwar angenommen, daß eine Nettolohnvereinbarung nicht vorlag, weil die Klägerin und ihr Arbeitnehmer bei Abschluß des Arbeitsvertrages davon ausgegangen sind, daß im Hinblick auf die von diesem zu erbringenden Gegenleistungen kein lohnsteuerpflichtiger Vorteil gegeben sei. Verkannt hat es jedoch, daß ein Ausschluß der Weiterbelastung auch dann vorliegen kann, wenn sich der Arbeitgeber - wie hier - bei der Lohnsteuer-Prüfung bereiterklärt hat, eine etwa anfallende Lohnsteuer des Arbeitnehmers zu übernehmen.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Erklärung in voller Kenntnis der rechtlichen Tragweite und ohne Beeinflussung durch den Lohnsteuer-Außenprüfer - mit oder ohne sachkundigen Beistand des steuerlichen Beraters - abgegeben worden ist. Unerheblich ist auch, daß diese Erklärung nicht gegenüber dem Arbeitnehmer abgegeben wurde. Denn der Arbeitgeber gibt mit einer solchen Übernahme - jedenfalls grundsätzlich - keine unwiderrufliche Erklärung ab. Solange aber die Erklärung nicht widerrufen wird, ist sie existent. Solange sie existent ist, ist auch ihre Rechtsfolge zu beachten, daß eine Weiterbelastung an den Arbeitnehmer ausgeschlossen ist.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, bis zu welchem Zeitpunkt der Arbeitgeber in einem laufenden Rechtsmittelverfahren seine erklärte Bereitschaft, die Lohnsteuer zu übernehmen, widerrufen kann. Denn im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihre Übernahmeerklärung für den Fall des Bestehens der Lohnsteuerpflicht weder in Frage gestellt noch widerrufen. Das FA konnte deshalb die Klägerin in ermessensfehlerfreier Weise im Haftungswege in Anspruch nehmen.
Die Vorentscheidung, die von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, ist aufzuheben. Die Sache muß an das FG zurückverwiesen werden, weil sie nicht spruchreif ist. Das FG wird nun materiell zu prüfen haben, ob die streitige Lohnsteuer entstanden ist. Hinsichtlich der vom FA auf die Nachforderungsbeträge erhobene Lohnsteuer (,,Steuer auf Steuer"), sind die vom BFH im Urteil in BFHE 142, 494, BStBl II 1985, 170 (unter 2, b, bb) herausgestellten Grundsätze zu beachten. Danach wendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Regreßverzichts einen lohnsteuerpflichtigen Vorteil zu. Entgegen der in der Vorentscheidung vertretenen Auffassung darf der entsprechende Lohnsteuerbetrag nicht mit der Begründung außer Ansatz bleiben, die Anmelde- und Abführungsfrist für den Zeitraum der Lohnsteuerprüfung, in dessen Verlauf die Übernahme erklärt worden war, sei bei Abgabe des Anerkenntnisses noch nicht abgelaufen gewesen. Es wäre ein unnötiger Formalismus, hierfür die Erteilung eines besonderen Bescheides zu verlangen. Denn die Anmeldung ist spätestens mit der Abgabe des Anerkenntnisses erfolgt, und für die Zahlung wird dem Arbeitgeber in dem Anerkenntnis ohnehin eine Frist gesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 414282 |
BFH/NV 1986, 371 |