Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Gemeinnützigkeit einer städtischen Brennholzstelle.
Der Bundesfinanzhof tritt auch für die Befreiungsvorschrift des § 5 Ziff. 8 SHG der Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs I 8/49 vom 25. Februar 1950 (Oberster Finanzgerichtshof Slg. Bd. 54 S. 449) bei, daß die Bestimmung des § 7 Abs. 3 der Gemeinnützigkeitsverordnung über den Begriff "Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb" rechtsunwirksam ist.
Normenkette
SHG § 5 Ziff. 8; GemV § 7 Abs. 1; GemV § 7/3; GemV § 8/1
Tatbestand
Die Stadtgemeinde A hat 1945 eine Brennholzstelle errichtet, um die Bevölkerung zu angemessenen Preisen mit Brennmaterial zu versorgen. Der mit Krediten der Stadt finanzierte Holzeinschlag wurde teils in eigener Regie, teils durch besonders beauftragte Unternehmer ausgeführt. Das Holz wurde an eine Holzgroßhandelsfirma und von dieser den Einzelhändlern zur Verteilung an die Verbraucher geliefert. Das Finanzamt hat die Brennholzstelle, deren Vermögen am Währungsstichtag zum weitaus überwiegenden Teil aus Holzvorräten bestand, zur allgemeinen Soforthilfeabgabe und zur Soforthilfesonderabgabe herangezogen.
Einspruch und Berufung der Brennholzstelle, die unter Hinweis auf § 5 Ziff. 8 des Soforthilfegesetzes (SHG) Abgabenfreiheit wegen Gemeinnützigkeit begehrte, waren erfolglos. Das Finanzgericht hat zwar anerkannt, daß die Bestrebungen der Stadtgemeinde, der Bevölkerung in Notzeiten dringend benötigte Bedarfsgüter zu erschwinglichen Preisen zugänglich zu machen, eine Förderung der Allgemeinheit im Sinne des § 17 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) zum Ziel gehabt hätten, auch wenn die diesen Bestrebungen dienenden Maßnahmen und Einrichtungen eine Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr und damit im weiteren Sinne einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellten. Es hat aber die Berufung unter Zurückstellung von Zweifeln darüber, ob der gemeinnützige Charakter der Brennholzstelle am Währungsstichtag noch zu bejahen gewesen wäre, mit der Begründung zurückgewiesen, daß die für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit unerläßlichen satzungsmäßigen Bindungen nicht vorgelegen hätten.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Brennholzstelle ist begründet.
Der Senat tritt dem Finanzgericht darin bei, daß die Brennholzstelle mindestens in den ersten Jahren ihrer Betätigung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken diente. Der vom Finanzamt erhobene Einwand, die Brennholzstelle sei unzweifelhaft als Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anzusehen und könne daher nach der Gemeinnützigkeits-Verordnung nicht als gemeinnützig anerkannt werden, ist nicht durchschlagend. Es trifft zwar zu, daß eine Körperschaft, die einen Gewerbebetrieb unterhält, wenn man nach den Bestimmungen des § 7 Abs. 1, § 8 der Gemeinnützigkeits- Verordnung verfährt, jedenfalls hinsichtlich dieses Betriebs nicht als gemeinnützig angesehen werden kann. Dazu hat der Oberste Finanzgerichtshof in der zur Körperschaftsteuer ergangenen Entscheidung I 8/49 vom 25. Februar 1950 (Oberster Finanzgerichtshof Slg. Bd. 54 S. 449) ausgeführt, daß die Abgrenzung, die § 7 der Gemeinnützigkeits-Verordnung zwischen einem Gewerbebetrieb und einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einerseits und einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb andererseits vornehme und die darauf hinauslaufe, beim Vorliegen eines Gewerbebetriebs und eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs die Annahme eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auszuschließen, rechtsunwirksam sei. Die Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs beruht auf der überlegung, daß nach § 4 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KörpStDV) 1934 in Verb. mit § 11 der Ersten Durchführungsverordnung zum Körperschaftsteuergesetz (KörpStDV) auch die auf Gewinnerzielung gerichteten gewerblichen und landwirtschaftlichen Betriebe den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben zuzurechnen seien, und daß die auf § 12 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützte Gemeinnützigkeits-Verordnung nicht gegen festgelegte Grundsätze des Gesetzes verstoßen dürfe. Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsauffassung des Obersten Finanzgerichtshofs an. Nun verweist allerdings § 5 Ziff. 8 SHG zur Frage der Gemeinnützigkeit unmittelbar auf die Bestimmungen der Gemeinnützigkeits-Verordnung, ohne sich, wie z. B. das Körperschaftsteuergesetz, selbst dazu zu äußern, was unter dem Begriff "Wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb" zu verstehen ist. Gleichwohl kann nicht angenommen werden, daß das Soforthilfegesetz mit dieser Verweisung eine Bindung auch an diejenigen Vorschriften der Gemeinnützigkeits-Verordnung herbeiführen wollte, die für andere Steuern als rechtsunwirksam erklärt wurden. Der Zweck der Gemeinnützigkeits-Verordnung geht dahin, die in verschiedenen Steuergesetzen begünstigten gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecke auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen und in Ergänzung der §§ 17 bis 19 StAnpG die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung dieser begünstigten Zwecke im einzelnen festzulegen. Mit dieser Zweckbestimmung wäre aber eine unterschiedliche Anwendung der Gemeinnützigkeits-Verordnung und damit eine von Steuergesetz zu Steuergesetz verschiedenartige Auslegung der Begriffe "gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke" nicht vereinbar. Hiernach muß die Brennholzstelle mindestens für die ersten Jahre ihrer Betätigung als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienender wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb angesehen werden, der vorbehaltlich der Anerkennung der an die Satzung gestellten Anforderungen als zur Erreichung der steuerbegünstigten Zwecke unentbehrlicher Betrieb steuerbefreit ist.
Nach § 1 Abs. 2 der Gemeinnützigkeits-Verordnung müssen Zweck, Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit durch die Satzung, Stiftung oder sonstige Verfassung vorgeschrieben sein und durch die tatsächliche Geschäftsführung verwirklicht werden. Außerdem muß nach § 3 Ziff. 5 der Gemeinnützigkeits-Verordnung für den Fall der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft (des Betriebs gewerblicher Art eine Körperschaft des öffentlichen Rechts) satzungsgemäß sichergestellt sein, daß das die Einlagen übersteigende Vermögen nur für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwendet wird (Grundsatz der Vermögensbindung). Unstreitig liegt eine eigentliche Satzung für die Brennholzstelle nicht vor. Die Beschwerdeführerin (BFin.) hat jedoch dem Finanzgericht ein Schreiben der Finanzverwaltung der Stadt vom 3. Dezember 1945 an das Wirtschaftsamt der Stadt folgenden Inhalts vorgelegt:
"An das Wirtschaftsamt A Betrifft: Versorgung der Bevölkerung der Stadt A mit Heizmaterial.
Um die Versorgung der A- Bevölkerung mit Heizmaterial sicherzustellen, haben Verhandlungen mit dem Landwirtschaftsamt, dem Landesforstamt sowie dem Arbeitsamt A und der französischen Militärregierung stattgefunden. Es ist von den in Frage kommenden Stellen die Zurverfügungstellung von Brennholz für die Versorgung der A- Bevölkerung zugesagt worden.
Sie werden nun angewiesen, entsprechende Vorkehrungen zu einer ordnungsmäßigen, gerechten Verteilung der A- Bevölkerung mit Brennholz zu treffen. Die erforderlichen Geldmittel werden von hier unter Verbuchung auf Abschn. 100 zur Verfügung gestellt. Die erzielten Einnahmen und Ausgaben sind ordnungsmäßig aufzuzeichnen und durch Belege einzeln nachzuweisen.
Zum Schlusse eines jeden Rechnungsjahres ist ein Gesamtnachweis über die erzielten Einnahmen und Ausgaben sowie der vorhandenen Brennholzbestände zu liefern. Ergibt sich bei Aufgabe der Brennholzversorgung durch Ihr Amt ein überschuß, so ist dieser dem Fürsorgeamt für besondere Fürsorgezwecke zur Verfügung zu stellen. Gedacht ist hier in erster Linie an die Wiedererrichtung eines Altersheimes für die A- Bevölkerung. über einen etwaigen Zuschußbetrag ist eingehender Nachweis erforderlich, damit die zuständigen Körperschaften zu gegebener Zeit über dessen Aufbringung Beschluß fassen können."
Das Finanzgericht hat dieses Schreiben nicht als ausreichend angesehen. Zur Errichtung einer Satzung im gesetzlichen Sinn hätte es nach Ansicht des Finanzgerichts einer formgerechten Entschließung der zuständigen Verwaltungsorgane bedurft, in der nicht nur der gemeinnützige Zweck, sondern auch die Mittel und Wege zur Erreichung dieses Zwecks genau und konkret hätten angegeben werden müssen. Demgegenüber weist die Bfin. in der Rechtsbeschwerdebegründung darauf hin, daß die in dem Schreiben vom 3. Dezember 1945 enthaltenen Richtlinien, wenn sie auch formal keine Satzung darstellten, als ausreichend angesehen werden müßten. Im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung vom 3. Dezember 1945 sei der Oberbürgermeister Alleinberechtigter zu allen Anordnungen in Gemeindeangelegenheiten gewesen; einer späteren Genehmigung durch den Stadtrat habe es nicht bedurft.
Der Senat ist der Auffassung, daß unter Berücksichtigung der besonderen Umstände der damaligen Zeit in dem Schreiben vom 3. Dezember 1945 eine "Verfassung" der Brennholzstelle erblickt werden kann, in der in ausreichendem Maß der gemeinnützige Zweck der Brennholzstelle dargelegt sowie die ausschließliche und unmittelbare Verfolgung dieses Zweckes vorgeschrieben ist und die auch den Grundsatz der Vermögensbindung enthält. Die Bfin. hat mit Recht darauf hingewiesen, daß im Zeitpunkt der Gründung der Brennholzstelle andere "zuständige" Verwaltungsorgane als der Oberbürgermeister, die der Brennholzstelle eine Verfassung hätten geben können, nicht vorhanden waren. Hatte aber hiernach die Brennholzstelle im Zeitpunkt ihrer Errichtung eine für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ausreichende Verfassung, so war, solange sich der Aufgabenkreis der ihrem Wesen nach nur vorübergehenden Einrichtung nicht änderte, nachträglich weder eine Entschließung der nunmehr zuständig gewordenen Organe noch eine Ergänzung der Verfassung als Voraussetzung der steuerlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit erforderlich.
Die Brennholzstelle wurde zum 31. August 1950 aufgelöst. Nach dem Vorbringen der Bfin. wurden zwar die bestehenden Verträge am Währungsstichtag nicht gekündigt, weil damals noch nicht vorauszusehen war, wie sich die Versorgung der Bevölkerung mit Brennstoffen künftig gestalten werde, neue Verträge auf Holzlieferungen jedoch nicht mehr abgeschlossen. Bei dieser als zutreffend zu unterstellenden Sachlage bestehen keine Bedenken, den gemeinnützigen Charakter der Brennholzstelle auch noch zum Währungsstichtag zu bejahen.
Hiernach mußten das angefochtene Urteil des Finanzgerichts, die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 26. Oktober 1950 und der Soforthilfeabgabebescheid des Finanzamts vom 7. August 1950 aufgehoben und die Bfin. von der Soforthilfeabgabe und Soforthilfesonderabgabe freigestellt werden. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 309 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 407574 |
BStBl III 1953, 71 |
BFHE 1954, 180 |
BFHE 57, 180 |