Leitsatz (amtlich)
Die Beförderung von Gütern aus dem übrigen Geltungsbereich des Grundgesetzes durch eines der begünstigten Gebiete in ein angrenzendes Gebiet und umgekehrt (Transitbeförderung) fällt nicht unter die Ermäßigungsvorschrift. Eine solche Beförderung ist dann gegeben, wenn das beförderte Gut bereits bei Beginn der Beförderung im übrigen Geltungsbereich des Grundgesetzes bzw. im angrenzenden Gebiet für einen bestimmten Kunden außerhalb eines begünstigten Gebietes bestimmt war.
Normenkette
BefStG § 11/2/3/b
Tatbestand
Der Bg. betreibt Baustoffgroßhandel. Der Sitz seines Unternehmens ist in H. Dort unterhält er ein Lager; ein weiteres Lager unterhält er in G. H. und G. liegen im Saarrandgebiet. Der Bg. bezog u. a. in der Zeit vom 1. Juni 1955 bis Mitte November 1955 Bimsbaustoffe aus dem Neuwieder Becken, die er u. a. in das Saarland lieferte. Er beförderte dabei diese Baustoffe mit eigenen Kraftfahrzeugen, die ihren Standort in H. oder in G. hatten. Die beladenen Fahrzeuge wurden vom Neuwieder Becken zunächst nach H. oder nach G. verbracht. Bei etwa der Hälfte der Fahrzeuge verblieb die Ladung unverändert auf den Fahrzeugen, bei einem weiteren Teil der Fahrzeuge wurde die Ladung durch teilweises Abladen von Baustoffen und Ersetzen der abgeladenen Baustoffe durch andere Baustoffe verändert. Die Fahrzeuge blieben in der Regel kurze Zeit - höchstens bis zum nächsten Tage - in H. oder G. stehen. Die Fahrer erhielten dort den Auftrag, die Güter zu den in Betracht kommenden Kunden im Saarland weiterzubefördern; dabei wurden ihnen die Versandpapiere für die Weiterbeförderung ausgehändigt.
Der Bg. reichte für die in das Saarland gehenden, in der Zeit vom 1. Juni bis Mitte November 1955 durchgeführten Beförderungen die für den grenzüberschreitenden Verkehr vorgesehenen Steuernachweisungen jeweils beim Grenzzollamt ein. In den Nachweisungen war als Absendungs-(Belade-)ort X. und als Bestimmungs-(Entlade-)ort "Saarland" angegeben. Das Grenzzollamt setzte auf den Nachweisungen die Beförderungsteuer unter Anwendung der Ermäßigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BefStG 1955 in der damals geltenden Fassung fest. Nach dieser Vorschrift ermäßigte sich die Beförderungsteuer im Werkfernverkehr für Beförderungen "unmittelbar zwischen dem ... Saarrandgebiet und dem übrigen Geltungsbereich des Grundgesetzes" auf die Hälfte der regelmäßigen Steuer. Auf spätere Weisung der Oberfinanzdirektion forderte jedoch das Zollamt mit Bescheid vom 21. März 1958 die andere Hälfte der regelmäßigen Steuer nach mit der Begründung, die Steuerfestsetzungen seien fehlerhaft gewesen, weil die Ermäßigungsvorschrift auf diese Beförderungen nicht zutreffe. Die nachgeforderte Steuer beträgt ... DM.
Gegen die Steuernachforderung legte der Bg. Einspruch ein. Das Finanzamt wies den Einspruch am 10. Oktober 1958 als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt und hob die Steuerfestsetzung vom 21. März 1958 auf.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht.
Die zunächst zu prüfende Frage ist, ob eine Beförderung von Gütern aus dem übrigen Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG) durch eines der in der Ermäßigungsvorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b BefStG 1955 angeführten begünstigten Gebiete in angrenzendes Gebiet und umgekehrt, also eine sogenannte Transitbeförderung, auch eine Beförderung unmittelbar zwischen dem begünstigten Gebiet und dem übrigen Geltungsbereich des GG deshalb ist, weil bei einer solchen Beförderung immerhin zugleich auch eine Beförderung in das begünstigte Gebiet gegeben ist. Die Frage ist zu verneinen. Die Verneinung ergibt sich einmal aus dem Wortlaut der Ermäßigungsvorschrift in Verbindung mit der anschließenden Ermächtigungsvorschrift, die von Beförderungen "zwischen" den angeführten Gebieten und dem übrigen Geltungsbereich des GG und von "Beförderung von und zu bestimmten Standorten zwischen diesen Gebieten und dem übrigen Bundesgebiet" sprechen. Die Frage ist ferner zu verneinen im Hinblick auf den Grund für die Schaffung der Ermäßigungsvorschrift, mit der der wirtschaftlichen Notlage der Unternehmer u. a. im Saarrandgebiet deshalb Rechnung getragen werden sollte, weil dieses Gebiet damals das Saarland als Hinterland verloren hatte. Die damalige Abtrennung des Saarlandes wirkte sich jedenfalls insoweit nicht ungünstig für das Saarrandgebiet aus, als tatsächlich wirtschaftliche Beziehungen trotz der Abtrennung des Saarlandes bestanden. Deshalb lag für den Gesetzgeber kein Anlaß vor, auch die Transitbeförderung steuerlich zu begünstigen. Auch der Bg. und das Finanzgericht vertreten nicht die Auffassung, daß die Transitbeförderung unter die Ermäßigungsvorschrift fällt.
Die weitere Frage ist, wann eine Transitbeförderung in diesem Sinn gegeben ist. Die Entscheidung dieser Frage kann nicht darauf abgestellt werden, welcher Weg für die Beförderung gewählt wird, also ob die Beförderung über das Unternehmen führt oder das Unternehmen unberührt läßt. Auch eine über das Unternehmen führende Beförderung kann eine solche im Transitverkehr sein. Es kann daher nicht der Meinung des Finanzgerichts gefolgt werden, wenn es in einer über das Unternehmen führenden Beförderung in jedem Fall unter Bezugnahme auf § 48 Abs. 1 Nr. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) eine Heranschaffung der Güter zum Unternehmen und eine Fortschaffung der Güter vom Unternehmen, also zwei hintereinander geschaltete Beförderungsvorgänge im Werkverkehr, erblickt und daraus den Schluß zieht, daß der erste Beförderungsvorgang im Werkverkehr eine Beförderung zwischen dem Saarrandgebiet und dem übrigen Geltungsbereich des GG ist. Würde man übrigens dieser Auffassung folgen, dann würde man auch in dem Fall, in dem die Güter im sogenannten Direkttransport im Streckengeschäft, also ohne Berührung des Unternehmens, durchgehend befördert werden, eine Transitbeförderung verneinen müssen, da nach der Rechtsprechung des Senats zu § 48 Abs. 1 Nr. 2 GüKG, der lediglich Teile der Begriffsbestimmung für den Werkverkehr enthält, die Heranschaffung der Güter zum Unternehmen und die Fortschaffung vom Unternehmen nicht räumlich aufzufassen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs II 84/55 U vom 14. Dezember 1955, BStBl 1956 III S. 14 = Slg. Bd. 62 S. 32). Für die Frage, wann eine Transitbeförderung gegeben ist, muß das entscheidende Merkmal vielmehr darin gesehen werden, ob das beförderte Gut bereits bei Beginn der Beförderung im übrigen Geltungsbereich des GG für einen bestimmten Kunden außerhalb des begünstigten Gebiets bestimmt war. Ist dies der Fall, dann liegt keine Beförderung zwischen dem begünstigten Gebiet und dem übrigen Geltungsbereich des GG vor, auch wenn das Gut seinen Weg über das Unternehmen nimmt und das mit dem Gut beladene Fahrzeug dort vorübergehend bis zur Weiterfahrt bleibt. Ist dies aber nicht der Fall, dann liegt eine Beförderung zwischen dem begünstigten Gebiet und dem übrigen Geltungsbereich des GG vor, auch wenn das Gut unmittelbar nach dem Eintreffen beim Unternehmen mit dem gleichen Fahrzeug, also ohne vorher abgeladen zu werden, in angrenzendes Gebiet weiterbefördert wird.
Im Streitfall war unstreitig der nach § 36 BefStDV 1955 für die Ermäßigung verlangte buchmäßige Nachweis nicht gegeben. Die Angaben des Bg. in den Steuernachweisungen, von denen zudem der Bg. behauptet, sie seien insoweit unrichtig, als sie sich auf den Absendungs- und Bestimmungsort beziehen, können den geforderten buchmäßigen Nachweis nicht ersetzen. Trotzdem kann, wie das Finanzgericht mit Recht ausgeführt hat, im Streitfall das Fehlen von buchmäßigen Eintragungen, aus denen sich die nachzuweisenden Voraussetzungen für die Ermäßigung eindeutig und leicht nachprüfbar entnehmen lassen, nicht die Anwendbarkeit der Ermäßigungsvorschrift ausschließen, da das Verlangen des buchmäßigen Nachweises erst in der am 17. Oktober 1955 im BGBl verkündeten BefStDV 1955 gestellt worden ist und das Gesetz selbst die Ermäßigung nicht von einem buchmäßigen Nachweis der Voraussetzungen oder von der genauen Beachtung der "Verordnung über Beförderungs- und Begleitpapiere, Fahrtennachweisbücher und die statistische Erfassung der Beförderungsleistungen im Werkfernverkehr" vom 29. September 1953 (BGBl I S. 1464, BStBl 1953 I S. 457) abhängig macht. Das gilt jedenfalls für die Beförderungen des Bg. in der Zeit vom 1. Juni 1955 bis einschließlich 17. Oktober 1955. Es bestehen in Anbetracht dessen, daß die Bekanntgabe der BefStDV 1955 in der Fachpresse und im BStBl noch einige Zeit erforderte, auch keine Bedenken, der Meinung des Finanzgerichts zu folgen, daß auch noch für die bis Mitte November 1955 durchgeführten Beförderungen der Mangel des buchmäßigen Nachweises die Anwendbarkeit der Ermäßigungsvorschrift nicht ausschließt.
Hiernach hätte das Finanzgericht in sonstiger Weise im Benehmen mit dem Bg. und gegebenenfalls unter Schätzung nach § 217 AO ermitteln müssen, bei welchen der in Betracht kommenden Beförderungen bereits bei Beginn der Beförderung im Neuwieder Becken festgestanden hat, daß sie für einen bestimmten Kunden außerhalb des Saarrandgebiets bestimmt waren, und bei welchen Beförderungen dies nicht der Fall war. Da nach den eigenen Angaben des Bg. in den Steuernachweisungen Transitbeförderungen vorgelegen haben, wäre es Sache des Bg. gewesen, das von ihm behauptete Nichtvorliegen einer Transitbeförderung im einzelnen Fall - etwa an Hand des mit den saarländischen Bestellern geführten Schriftwechsels - darzulegen und zu begründen.
Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. In den Fällen der Verneinung der Anwendbarkeit der Ermäßigungsvorschrift würde es nach Sachlage noch der Prüfung bedürfen, ob und inwieweit die Steuernachforderung dem Grundsatz von Treu und Glauben widerspricht. Zweckmäßig wäre diese Prüfung vorweg durchzuführen.
Fundstellen
Haufe-Index 410367 |
BStBl III 1962, 158 |
BFHE 1962, 417 |
BFHE 74, 417 |