Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit von Zwischenurteilen
Leitsatz (NV)
Im Streit über die Einkommensteuer 1982 eines Land- und Forstwirts darf ein Zwischenurteil zur Bindung des FA an den der Veranlagung 1981 zugrundegelegten Gewinn des Wirtschaftsjahres 1981/82 nicht ergehen.
Normenkette
EStG § 4a Abs. 2 Nr. 1; FGO §§ 82, 97, 99
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute, erzielen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der Gewinn wurde bis einschließlich Wirtschaftsjahr 1980/81 nach Durchschnittsätzen gemäß § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt, ab dem Wirtschaftsjahr 1981/82 nach einer entsprechenden Aufforderung durch den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG. Nach dem mit der Einkommensteuererklärung 1981 vorgelegten Jahresabschluß für das Wirtschaftsjahr 1981/82 (Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1981, Schlußbilanz zum 30. Juni 1982) ergab sich ein Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von . . . DM.
Bei der Einkommensteuerveranlagung 1981 erfaßte das FA die Hälfte des nach § 13 a EStG ermittelten Gewinns des Wirtschaftsjahres 1980/81 und die Hälfte des für das Wirtschaftsjahr 1981/82 erklärten Gewinns, letzterer lediglich erhöht um einen nicht zum Abzug zugelassenen Betrag von 450 DM (Kürzung der Absetzungen für Abnutzung - AfA -). Der Einkommensteuerbescheid 1981 wurde bestandskräftig.
Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1982 erfaßte das FA - neben der Hälfte des Gewinns des Wirtschaftsjahrs 1982/83 - die Hälfte des Gewinns des Wirtschaftsjahrs 1981/82; dabei wurden die AfA-Kürzung und deren anteilige Auswirkung auf den Veranlagungszeitraum 1982 irrtümlich nicht berücksichtigt. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1982 vom 21. März 1984 legten die Kläger Einspruch ein, den sie damit begründeten, daß der Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1981/82 unzutreffend ermittelt sei; die Bilanz zum 30. Juni 1982 sei durch Änderung verschiedener Bilanzpositionen zu berichtigen; die Aufwendungen und die Erträge seien nicht vollständig erfaßt worden. Insgesamt ergebe sich ein Gewinn von . . . DM statt des um die AfA-Kürzung erhöhten erklärten Gewinns von . . . DM.
Auf den Einspruch erkannte das FA eine Bilanzberichtigung für die Bilanz des Wirtschaftsjahres 1982/83 an. Es ermittelte daraufhin den bei der Veranlagung 1982 anteilig zu erfassenden Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1982/83 neu und führte den so ermittelten niedrigeren Gewinn 1982/83 in die Veranlagung für das Streitjahr ein. Eine weitere Änderung lehnte das FA mit der Begründung ab, der Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1981/82 habe bereits der bestandskräftig gewordenen Veranlagung für 1981 zugrunde gelegen.
Mit der Klage machen die Kläger geltend, daß die Schlußbilanzwerte des Wirtschaftsjahrs 1981/82 erst bei der Veranlagung des Kalenderjahrs 1982 bindend festgestellt würden. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. März 1960 IV 33/57 U (BFHE 70, 615, BStBl III 1960, 229) bewirke die rechtskräftige Veranlagung bei Steuerpflichtigen mit abweichendem Wirtschaftsjahr keine Bindung an die zugrunde liegende Gewinnermittlung für die Veranlagung des folgenden Kalenderjahrs. Das müsse, wie in der Literatur begründet worden sei (Leingärtner / Zaisch, Die Einkommenbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 1983, Tz. 411), entgegen der Auffassung des BFH auch für die Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gelten. Nach Leingärtner / Zaisch (a.a.O.) könne auch die Möglichkeit bejaht werden, bei einem anderweitig zugrunde gelegten Gewinn des abweichenden Wirtschaftsjahrs für das zweite Kalenderjahr die Veranlagung des ersten Kalenderjahrs nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ändern.
Das Finanzgericht (FG) schloß sich der Auffassung an, eine Bindung an den Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1981/82 in der Höhe, wie er bei der bestandskräftigen Veranlagung für 1981 für das zweite Halbjahr 1981 berücksichtigt worden sei, bestehe für die noch offene Veranlagung 1982 hinsichtlich des ersten Halbjahrs nicht.
Die Höhe des danach im Streitjahr zu berücksichtigenden Teilgewinns aus dem Wirtschaftsjahr 1981/82 sei nach dem bisherigen Vorbringen der Kläger jedoch nicht leicht und zweifelsfrei festzustellen. Die Kläger selbst hätten angeregt, auf der Grundlage der von ihnen bisher genannten Zahlen eine Aufwandszuschätzung vorzunehmen. Über diese Fragen erscheine eine einvernehmliche Abstimmung unter den Beteiligten möglich. Das FG hielt es deshalb für angebracht, vorab über den Grund des Anspruchs durch Zwischenurteil zu entscheiden. Das FG stellte dementsprechend fest, daß das FA bei der Veranlagung 1982 für das erste Halbjahr - 1. Januar 1982 bis 30. Juni 1982 - nicht an den Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1981/82 gebunden sei, der zeitanteilig der Veranlagung 1981 zugrunde gelegt worden sei.
Mit der vom FG zugelassenen Revision macht das FA geltend, der Grundsatz des Bilanzzusammenhangs müsse auch gelten, wenn der durch Buchführung ermittelte Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft durch das gesetzliche Aufteilungsgebot des § 4 a Abs. 2 Nr. 1 EStG bereits teilweise (zeitanteilig) bei der Veranlagung eines Veranlagungszeitraums erfaßt worden sei und diese Veranlagung nach abgaberechtlichen Vorschriften nicht mehr berichtigt werden könne. Im Streitfall habe der durch Buchführung ermittelte Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1981/82 bereits der Veranlagung zur Einkommensteuer 1981 zugrunde gelegen. Diese Veranlagung sei bestandskräftig und könne nicht mehr geändert werden (Urteil des FG Köln vom 16. März 1988 11 K 74/85, nicht veröffentlicht - NV -).
Das FA beantragt, das Zwischenurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist statthaft. Zu den Urteilen i. S. des § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), gegen welche die Revision gegeben ist, gehören nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch Zwischenurteile nach § 99 FGO (BFH-Urteil vom 14. Mai 1980 I R 135/77, BFHE 131, 194, BStBl II 1980, 695, m. w. N.). Das FG hat die Revision auch zugelassen.
2. Die Revision des FA führt zur ersatzlosen Aufhebung der Vorentscheidung.
a) Der Erlaß eines Zwischenurteils zur Frage der Bindung des FA an den Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1981/82 war unzulässig. Der Mangel der Zulässigkeit ist ohne Rüge von Amts wegen zu berücksichtigen (Urteil in BFHE 131, 194, BStBl II 1980, 695).
Nach der FGO dürfen Zwischenurteile - abgesehen von den hier nicht vorliegenden Fällen des Zwischenstreits mit einem Dritten (§ 82 FGO i. V. m. §§ 387, 402 der Zivilprozeßordnung - ZPO -) oder eines Streits über die Zulässigkeit der Klage (§ 97 FGO) - nur über den Grund des Anspruchs ergehen (§ 99 FGO). Anspruch in diesem Sinne ist nicht der Prozeßanspruch des Klägers, sondern der materialle Steueranspruch des FA (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1982 II R 1/81, BFHE 136, 506, BStBl II 1983, 25). Ein Zwischenurteil über die Höhe des Anspruchs oder einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Höhe des Steueranspruchs beeinflussen, ist danach nicht zulässig (vgl. auch BFH-Urteil vom 20. Juni 1968 IV R 222/66, BFHE 93, 365, BStBl II 1968, 804).
b) Im Streitfall ist Gegenstand des Rechtsstreits der Einkommensteueranspruch 1982. Dabei ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß die Kläger mit den Einkünften aus ihrem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb einkommensteuerpflichtig sind, daß die Einkünfte aus dem Betrieb durch Bestandsvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln sind und daß in die Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr nach § 4 a Abs. 2 Nr. 1 EStG die Gewinne der Wirtschaftsjahre 1981/82 und 1982/83 je zur Hälfte einzubeziehen sind. Streitig ist lediglich, ob der Gewinn des Wirtschaftsjahrs 1981/82 mit der Hälfte von . . . DM (so das FA) oder mit der Hälfte von . . . DM (so die Kläger) anzusetzen ist. Dabei handelt es sich um einen Streit über die Höhe des Einkommensteueranspruchs 1982. Ausgelöst ist dieser Streit durch die Rechtsfrage, ob trotz Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids 1981 bei der Veranlagung 1982 für die hälftige Zurechnung des Gewinns des Wirtschaftsjahrs 1981/82 von einem geringeren als dem bei der Veranlagung 1981 zugrunde gelegten Gewinn ausgegangen werden darf und welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs hat. Die Entscheidung dieser Streitfrage betrifft ebenso wie die Frage, in welcher Höhe zusätzliche Aufwendungen angefallen sind, nicht den Grund, sondern die Höhe des Steueranspruchs 1982. Die Parteien streiten insoweit zwar nicht um die tatsächlichen Grundlagen der Besteuerung, sondern um eine Rechtsfrage. Aber auch Rechtsfragen, deren Entscheidung die Höhe des Steueranspruchs beeinflußt, sind einer Entscheidung durch ein Grundurteil nach § 99 FGO nicht zugänglich.
Danach durfte die Vorentscheidung nicht ergehen. Sie ist ersatzlos aufzuheben. Mit der Aufhebung des Zwischenurteils befindet sich das Klageverfahren wieder in dem Stadium, das vor Erlaß des Zwischenurteils bestanden hat. Einer förmlichen Zurückweisung bedarf es nicht. Dem Senat ist es verwehrt, in eine sachliche Prüfung des Falles einzutreten.
Über die Kosten des Revisionsverfahrens hat das FG im Endurteil zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 416361 |
BFH/NV 1990, 228 |