Entscheidungsstichwort (Thema)
Negatives Kapitalkonto des Kommanditisten bei Betriebsaufgabe der KG
Leitsatz (NV)
Das negative Kapitalkonto des Kommanditisten mindert sich um seinen Anteil am Aufgabegewinn der KG. Als Veräußerungsgewinn des Kommanditisten ist nur noch der Betrag des negativen Kapitalkontos zur erfassen, der von ihm nicht mehr ausgeglichen werden muß.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 2-3, § 52 Abs. 20a
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (EFG 1997, 1020) |
Tatbestand
I. Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (Kläger) war als Kommanditist an einer GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Zum Betriebsvermögen der KG gehörten u.a. auch Anteile an der W-GmbH, mit der die KG einen Gewinnabführungs- und Organschaftsvertrag geschlossen hatte.
1975 wurde über das Vermögen der W-GmbH das Konkursverfahren eröffnet und hinsichtlich des Grundvermögens der KG das Zwangsversteigerungsverfahren angeordnet. Die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der KG wurde 1977 mangels Masse abgelehnt, die Liquidation der KG 1978 abgeschlossen. Die Steuerbilanz der KG zum 31. Dezember 1977 wies für den Kläger ein positives Festkapital von 560 000 DM und ein variables negatives Kapitalkonto von 2 291 019 DM aus, das durch Verlustzuweisungen in den Vorjahren entstanden war. Im Streitjahr 1978 erzielte die KG noch einen laufenden Gewinn von 42 945 DM und einen Gewinn aus der Versteigerung ihres Grundvermögens in Höhe von 352 096 DM. Von diesen Beträgen entfiel nach dem Gewinnverteilungsschlüssel jeweils die Hälfte auf den Kläger.
Dem Kläger standen bei Abschluß der Liquidation noch eine Darlehensforderung gegen die KG in Höhe von 200 000 DM, eine Zinsforderung in Höhe von 36 000 DM und eine Rückgriffsforderung in Höhe von 1 519 DM aus der Vorlage der Abwicklungskosten zu. Die Forderungen waren wertlos, weil auch die Komplementär-GmbH vermögenslos war.
Der Kläger mußte darüber hinaus mit einer Inanspruchnahme aus Verbindlichkeiten in Höhe von 898 760 DM rechnen, die aus Bürgschaften und Schuldübernahmen herrührten, die er teils zugunsten der KG, teils zugunsten der GmbH unentgeltlich übernommen hatte. Hinsichtlich einer angeblichen Bürgschaftsschuld gegenüber einer Bank in Höhe von 591 843 DM ist seine Verpflichtung streitig geblieben.
Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte im Gewinnfeststellungsbescheid für 1978 die Einkünfte der KG mit 2 765 136 DM fest. Davon entfielen auf den Kläger ein laufender Gewinn in Höhe von 113 121 DM und ein Aufgabegewinn in Höhe von 1 417 897 DM. Dabei ging das FA teils von den Bilanzansätzen in der vom Kläger vorgelegten Sonderbilanz zum 31. Dezember 1978 aus, teils legte es abweichende Bilanzansätze zugrunde. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger (nur) die Feststellung seines Aufgabegewinns mit 0 DM beantragte, im ersten Rechtsgang als unbegründet ab. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das Urteil des FG aufgehoben und dem FG aufgegeben, den Sachverhalt zum Umfang der Haftung des Klägers für Verbindlichkeiten der KG weiter aufzuklären (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VIII R 29/91, BFHE 171, 419, BStBl II 1993, 747). Das FG gab der Klage im zweiten Rechtsgang teilweise statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 1020).
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 16 Abs. 2, 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Das FG habe den Aufgabegewinn unzutreffend berechnet. Es habe dem anteiligen Gewinn aus der Veräußerung des Anlagevermögens der KG zwar zu Recht auch das mit der Aufgabe des Betriebs der KG weggefallene negative Kapitalkonto des Klägers hinzugerechnet; es habe dieses aber zu Unrecht wieder um den anteiligen Veräußerungserlös gemindert. Dieser Veräußerungserlös sei Teil des Aufgabegewinns und müsse dem Kapitalkonto des Klägers zum Aufgabezeitpunkt gegenübergestellt werden; er berühre deshalb das Kapitalkonto nicht mehr. Durch die unzutreffende Erhöhung der Kapitalkonten um diesen Betrag sei der Aufgabegewinn des Klägers um 176 048 DM zu niedrig ausgewiesen worden.
Das FA beantragt mit der Revision, das Urteil des FG aufzuheben, den Feststellungsbescheid vom 6. Juni 1984 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. April 1986 mit der Maßgabe zu ändern, daß der Aufgabegewinn des Klägers 749 315 DM betrage und die Anschlußrevision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt mit der Anschlußrevision, das Urteil des FG aufzuheben und den Aufgabegewinn mit 0 DM festzustellen.
Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Revisionsbegründung des FA wurde dem (damaligen) Prozeßbevollmächtigten des Klägers mittels eingeschriebenen Briefes zugestellt. Der Brief wurde am 27. Januar 1997 zur Post gegeben. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat ihn unbestritten erhalten. Die Anschlußrevision ging beim BFH am 16. Februar 1998 ein. Der Kläger ist der Ansicht, daß er die Anschlußrevision fristgerecht eingelegt habe, weil ihm die Revisionsbegründung "nicht formgerecht zugestellt" worden sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Anschlußrevision des Klägers ist unzulässig; sie war deshalb zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
A. Revision des FA
1. Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens ist nur die Feststellung des Aufgabegewinns des Klägers mit 0 DM. Damit ist der laufende Gewinn des Streitjahres mit 113 121 DM bestandskräftig festgestellt. Der Senat kann deshalb über die Frage, ob das FA diesen Gewinn zutreffend ermittelt hat, nicht mehr entscheiden (ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Urteile vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594 unter II. 3. c der Gründe; vom 7. Februar 1995 VIII R 36/93, BFHE 178, 110, BStBl II 1995, 770 unter 1. b der Gründe, m.w.N.; vom 18. November 1997 VIII R 65/95, BFH/NV 1998, 573 betreffend bestandskräftig festgestellte Mitunternehmerschaft).
Die Bestandskraft der Feststellung des laufenden Gewinns hat auch zur Folge, daß die auf den Zeitpunkt der Liquidation der KG (hier: Ende 1978) fortzuentwickelnde Schlußbilanz des Vorjahres (hier: 31. Dezember 1977) die Buchwerte des Gesellschaftsvermögens --Eingangswerte--, die dem Aufgabeendvermögen gegenüberzustellen sind, verbindlich feststellt (BFH in BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594 zu II. 3. c). Von diesen Eingangswerten war deshalb bei der Ermittlung des Aufgabegewinns auszugehen. Das hat das FG zwar im Streitfall nicht beachtet und einzelne Bilanzansätze der letzten Schlußbilanz der Gesellschaft korrigiert. Der Senat kann diesen Fehler jedoch im vorliegenden Revisionsverfahren nicht mehr berichtigen. Die Berichtigung würde zu einer Minderung des Aufgabegewinns durch Minderung des negativen Kapitalkontos und damit zu einer Abänderung des Urteils des FG zu Lasten des FA führen. Eine solche Verböserung wäre unzulässig (vgl. u.a. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 96 FGO Tz. 21; Gräber/ von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 96 Rz. 5, m.w.N.). Die vom Kläger eingelegte Anschlußrevision ermöglicht eine weitergehende Prüfung nicht (s. unten zu B.).
2. Im übrigen hat das FG den Aufgabegewinn des Klägers zutreffend errechnet.
a) Zum Aufgabegewinn i.S. des § 16 Abs. 3 EStG gehört auch der Gewinn, der beim Wegfall eines durch Verlustzurechnung entstandenen negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten entsteht, wenn erst im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe feststeht, daß ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Kommanditisten mit künftigen Gewinnanteilen nicht mehr in Betracht kommt (vgl. BFH-Beschluß vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164). Der Senat geht mit dem FG und den Beteiligten davon aus, daß diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind.
b) Das FG hat zu Recht das negative Kapitalkonto um den Anteil des Klägers am Aufgabegewinn der KG gemindert.
Die KG hat mit der Versteigerung ihres Grundvermögens die letzten noch vorhandenen stillen Reserven im Betriebsvermögen der KG realisiert. Der Gewinn unterlag deshalb als Aufgabegewinn i.S. von § 16 Abs. 2, 3 EStG dem begünstigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1, 2 Nr. 1 EStG. Auch das ist unter den Beteiligten unstreitig.
In Höhe seines Anteils an diesem Gewinn mindert sich das negative Kapitalkonto des Klägers. Er muß diesen Gewinnanteil zwar versteuern, er kann aber seine Auszahlung nicht fordern, solange sein Kapitalanteil negativ ist (§ 169 Abs. 1 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs). Der Gewinnanteil ist vielmehr dem negativen Kapitalkonto gutzuschreiben. Es ist entgegen der Ansicht des FA ohne Bedeutung, ob es sich dabei um den Anteil des Kommanditisten am laufenden Gewinn oder am Liquidationsgewinn der Gesellschaft handelt. Davon geht auch das Einkommensteuerrecht aus (grundlegend BFH-Beschluß in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164 unter C. I. 2. b und II. der Gründe). Ein danach noch verbleibendes negatives Kapitalkonto fällt weg. Ist es --wie hier-- durch frühere Verlustzuweisungen entstanden, entsteht beim Kläger ein Veräußerungsgewinn (BFH in BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164). Als Veräußerungsgewinn des Kommanditisten gilt deshalb nur noch der Betrag des negativen Kapitalkontos, der von ihm nicht mehr ausgeglichen werden muß (§ 52 Abs. 20 a EStG ab 1980 und die gleichlautenden Nachfolgebestimmungen; dazu u.a. BFH-Beschluß vom 2. Juli 1992 VIII B 17/92, BFH/NV 1993, 421; Urteil vom 11. August 1994 IV R 124/92, BFHE 176, 15, BStBl II 1995, 253 unter II. 2. der Gründe; Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 15a EStG Anm. 44, 50, m.w.N.; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl., § 15a Rz. 240, 241, m.w.N.).
c) Der Revisionsantrag des FA ist auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Insbesondere ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß die Uneinbringlichkeit der Darlehens- und Zinsforderungen den Aufgabegewinn des Klägers gemindert haben. Sie waren in einer für den Kläger zu erstellenden Sonderbilanz auszuweisen und wandelten sich in der "Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft" nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zu Eigenkapital (vgl. u.a. BFH-Urteile vom 12. Juli 1990 IV R 37/89, BFHE 162, 30, BStBl II 1991, 64; in BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594 zu III. 1.; vom 14. Dezember 1994 X R 128/92, BFHE 176, 515, BStBl II 1995, 465; vom 12. Dezember 1996 IV R 77/93, BFHE 183, 379, BStBl II 1998, 180 zu 1. b, m.w.N.). Der Verlust der Einlage hatte im Zeitpunkt der Beendigung der Gesellschaft insoweit einen Sonderbetriebsaufwand zur Folge, als der Gesellschafter weder von der Gesellschaft noch von seinen Mitgesellschaftern einen Ausgleich erlangen konnte. Davon ist hier nach dem vom FG festgestellten Ergebnis der Liquidation der KG auszugehen.
B. Anschlußrevision des Klägers
Die Anschlußrevision ist unzulässig.
Eine unselbständige Anschlußrevision ist innerhalb eines Monats nach der Zustellung der Revisionsbegründung einzulegen und zu begründen (BFH-Urteil vom 8. April 1981 II R 4/78, BFHE 133, 155, BStBl II 1981, 534). Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Die Revisionsbegründung wurde seinem (damaligen) Prozeßbevollmächtigten mittels eingeschriebenen Briefes zugestellt. Der Brief ging am 27. Januar 1997 zur Post. Damit gilt die Revisionsbegründung am 30. Januar 1997 --dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post-- als zugestellt (§ 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes; § 53 Abs. 2 FGO). Es obliegt dem Kläger, die Zugangsvermutung durch schlüssigen Vortrag zu entkräften (vgl. u.a. BFH-Urteil vom 5. März 1986 II R 5/84, BFHE 146, 27, BStBl II 1986, 462). Daran fehlt es hier. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat das Schreiben zudem ausweislich des von ihm am 25. März 1997 zugestellten Fristverlängerungsantrags erhalten. Der (nunmehrige) Prozeßbevollmächtigte hat die Anschlußrevision erst am 16. Februar 1998 und damit verspätet eingelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 55561 |
BFH/NV 2000, 15 |
DStRE 1999, 903 |
HFR 2000, 13 |