Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahrensrecht/Abgabenordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Wird eine Sache vom Bundesfinanzhof ausschließlich im Hinblick auf die Neuregelung der Ehegattenbesteuerung (vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957, Bundesgesetzblatt 1957 I S. 186, Bundessteuerblatt 1957 I S. 193, und Gesetz zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957, Bundesgesetzblatt 1957 I S. 848, Bundessteuerblatt 1957 I S. 352) an die Vorinstanz (Finanzgericht oder Finanzamt) zurückverwiesen, so kann diese die im ersten Rechtsgang abschließend entschiedenen Streitfragen weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht erneut würdigen.

 

Normenkette

AO § 296 Abs. 4; FGO § 126/5

 

Tatbestand

Die Einkommensteuersache 1950 befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang waren Streitgegenstände die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sowie die Behandlung eines Zuschusses nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Finanzgericht hatte den Zuschuß nicht als Betriebsausgabe gemäß § 7 c EStG anerkannt. Außerdem hatte es die Buchführung als nicht ordnungsmäßig angesehen und den gewerblichen Gewinn geschätzt.

Auf die Rechtsbeschwerde (Rb.) hatte der Bundesfinanzhof unter Bestätigung des Berufungsurteils die Rb. zunächst durch Vorbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Auf Grund mündlicher Verhandlung erging in der Sitzung vom 9. Mai 1957 folgendes Urteil (IV 145/55): "Unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 22. Februar 1954 wird die Sache zur anderweiten Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen."

In den Gründen dieses Urteils ist ausgeführt, daß der Vertreter des Beschwerdeführers (Bf.) den Streitstoff in der mündlichen Verhandlung auf die Frage der Gewährung der Vergünstigung gemäß § 7 c EStG 1950 beschränkt habe. Die Ausführungen hierzu hätten jedoch keine Veranlassung gegeben, von der im Vorbescheid dargelegten Rechtsauffassung abzuweichen. Der Bf. könne sich auch nicht mit Erfolg auf das von ihm erstmals mit der Rb. vorgetragene Vorbringen berufen, da dieses im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht mehr berücksichtigt werden könne. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob es in sachlicher Hinsicht begründet sei. Da der Bf. jedoch verheiratet und mit seiner Ehefrau zusammen veranlagt worden sei, sei es im Hinblick auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 (Bundesgesetzblatt - BGBl - 1957 I S. 186, Bundessteuerblatt - BStBl - 1957 I S. 193) nicht zweckmäßig, durch eine endgültige Entscheidung in der Sache die Rechtskraft der Veranlagung herbeizuführen. Unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung werde daher die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzamt zurückverwiesen, das damit zu warten habe, bis das Gesetz über die einkommensteuerliche Behandlung von Ehegatten vorliege.

Das Finanzamt hat aus diesem Urteil des Bundesfinanzhofs den Schluß gezogen, daß damit die Steuervergünstigung des § 7 c EStG endgültig versagt und die Streitsache nur wegen der damals noch nicht gesetzlich geregelten Ehegattenbesteuerung an das Finanzamt zurückverwiesen worden sei. Es hat den Bf. entsprechend §§ 26 Abs. 1 Satz 1, 26 a EStG in der Fassung des Gesetzes zur änderung steuerrechtlicher Vorschriften vom 26. Juli 1957 für beide Streitjahre getrennt veranlagt.

Mit der Sprungberufung macht der Bf. unter Bezugnahme auf Schrifttum und Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs geltend aus der Fassung des Urteils des Bundesfinanzhofs, die Sache werde "zur erneuten Entscheidung" an das Finanzamt zurückverwiesen, folge in Verbindung mit der Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanzen, daß der Bundesfinanzhof nicht nur wegen der Ehegattenbesteuerung, sondern auch wegen der Frage des § 7 c)- Zuschusses aufgehoben habe. Hinzu komme, daß erst in der Rb. weitere Tatsachen zu diesem letzteren Streitpunkt vorgebracht worden seien, die der Bundesfinanzhof als Revisionsinstanz nicht habe berücksichtigen dürfen. Dies sei aber in der Tatsacheninstanz zulässig und geboten.

Das Finanzgericht hat durch Zwischenurteil entschieden, daß die Vergünstigung des § 7 c EStG 1950 durch das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 145/55 vom 9. Mai 1957 abschließend versagt worden sei.

Das Finanzgericht hat sich hierbei im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten lassen: Sowohl aus dem Vorbescheid als auch aus dem auf Grund der mündlichen Verhandlung ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs gehe eindeutig hervor, daß die Rb. in bezug auf die Steuervergünstigung des § 7 c EStG 1950 unbegründet sei. Wenn der erkennende Teil des Urteils des Bundesfinanzhofs nicht denselben Inhalt wie der Vorbescheid habe, so liege das offensichtlich allein an der änderung der Rechtslage hinsichtlich der Ehegattenbesteuerung. Der letzte Absatz der Gründe des Urteils enthalte den alleinigen Grund für die Zurückverweisung, nämlich das Verheiratetsein des Bf. Nur insoweit sei das Finanzgericht noch frei in seiner Entscheidung. Bezüglich der früheren Streitpunkte, in deren Beurteilung der Bundesfinanzhof der Rechtsauffassung der Vorinstanzen ausdrücklich beigetreten sei, wäre das Finanzgericht gemäß § 296 Abs. 4 der Reichsabgabenordnung (AO) auch dann an die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs gebunden, wenn es zuvor eine abweichende Ansicht vertreten hätte. Dem Wortlaut und dem Sinne nach habe der Bundesfinanzhof im letzten Absatz der Urteilsgründe dem Finanzamt die Weisung erteilt, das damals bevorstehende Gesetz über die einkommensteuerliche Behandlung von Ehegatten noch zu berücksichtigen. Damit sei es aber dem Bf. verwehrt, im zweiten Rechtsgang wieder auf Punkte - hier vor allem auf die Frage des § 7 c)- Zuschusses - zurückzukommen, die nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs im ersten Rechtsgang von den Vorbehörden einwandfrei behandelt worden seien.

 

Entscheidungsgründe

Auch der Rb. muß der Erfolg versagt bleiben.

Hat der Bundesfinanzhof die angefochtene Entscheidung aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht oder an das Finanzamt zurückverwiesen, so sind diese gemäß § 296 Abs. 4 AO an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Zurückverweisung zugrunde liegt. In einem solchen Falle darf die Vorinstanz den Tatbestand, der dem Bundesfinanzhof vorgelegen hat, nicht nochmals rechtlich würdigen. Insoweit ist sie an die Weisungen der Rechtsbeschwerdeinstanz gebunden.

Dies hat zur Folge, daß die Beteiligten bei Beanstandung nur von Teilen der Vorentscheidung durch die Rechtsbeschwerdeinstanz nach Zurückverweisung auf nicht beanstandete Punkte der Vorentscheidung nicht mehr zurückkommen können, da die Rechtsbeschwerdeinstanz die Vorentscheidung in diesem Umfang als zutreffend anerkannt hat. Die Bindung der Tatsacheninstanz bezieht sich dann auch auf diesen Ausspruch der Rechtsbeschwerdeinstanz, da die Rb. in den nicht beanstandeten Punkten unbegründet und damit in diesem Umfang erledigt ist (Urteil des Reichsfinanzhofs I A 31/28 vom 30. Mai 1928, Mrozek-Kartei, Rechtsspruch 5 zu § 46 AO 1919, Kühn, Steuer und Wirtschaft 1952 Spalte 657 ff., III a). Des weiteren hat der Reichsfinanzhof in seinem Urteil VI 383/41 vom 10. Dezember 1941 (Reichssteuerblatt 1941 S. 971) ausgeführt, daß bei einer aus mehreren Streitpunkten bestehenden Sache, bei der die Rb. in einzelnen Punkten unbegründet sei, in anderen aber eine nochmalige Prüfung erforderlich mache, die Vorinstanz sich auf Grund der Zurückverweisung lediglich mit den noch als streitig bezeichneten Fragen zu beschäftigen habe, während die Sache im übrigen als erledigt anzusehen sei, auch wenn kein besonderes Teilurteil erlassen worden sei. Diese Auffassung findet in § 296 Abs. 4 AO ihre Rechtfertigung. Die hier vorgesehene Bindung der Vorinstanzen an die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs bezieht sich auch auf die Feststellung, daß die Rb. in bestimmten Punkten unbegründet und damit insoweit erledigt ist. Es kann einem Steuerpflichtigen nicht gestattet werden, im zweiten Rechtsgang wieder auf Punkte zurückzukommen, die nach dem früheren Urteil des Bundesfinanzhofs von den Vorbehörden einwandfrei behandelt worden sind. Dieser Standpunkt rechtfertigt sich auch aus dem Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Steuerpflichtigen, der durchbrochen würde, wenn bei Zurückverweisung eines einzelnen Punktes auch die übrigen Streitpunkte erneut aufgerollt werden könnten. Jeder Steuerpflichtige ist daher gehalten, stets im ersten Rechtsgang den Streitfall in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erschöpfend vorzutragen. Er darf sich nicht auf die Möglichkeit verlassen, etwaige Versäumnisse im zweiten Rechtsgang nachholen zu können. Gemäß diesen von der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs entwickelten Grundsätzen, die auch vom Schrifttum gebilligt worden sind (Riewald, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, 1951, Anm. 4 zu § 296, Kühn, a. a. O., zu III a), sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der Bundesfinanzhof im ersten Rechtsgang in der allein noch streitigen Frage der Zubilligung der Steuervergünstigung gemäß § 7 c EStG der Rechtsauffassung der Vorinstanz beigetreten ist. Das ergibt sich eindeutig aus den Gründen des Urteils des erkennenden Senats vom 9. Mai 1957, wo es in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise heißt: "Mit Recht ist vielmehr die Vorinstanz bei der Versagung der umstrittenen Steuervergünstigung davon ausgegangen, daß es sich bei dem Zuschuß des Bf. an seinen Schwiegersohn nicht um einen solchen zur Förderung des Wohnungsbaues gehandelt hat. Es fehlt daher offensichtlich an der Voraussetzung der unmittelbaren Verwendung des Zuschusses zum Wohnungsbau. Demgegenüber kann der Bf. sich auch nicht mit Erfolg auf den von ihm erstmals in der Rb. vorgetragenen Finanzierungsplan sowie die spätere tatsächliche Verteilung der Kosten berufen, desgleichen nicht darauf, daß der Steuerpflichtige ursprünglich ein dreistöckiges Haus, später aber, nach Zusage des Zuschusses, ein vierstöckiges Haus errichtet habe. Diese Einwendungen sind erstmals mit der Rb. geltend gemacht worden. In der Streitfrage ist demnach der Rechtsauffassung der Vorinstanzen beizutreten." Mit diesen Ausführungen hat der erkennende Senat im ersten Rechtsgang klar zum Ausdruck gebracht, daß die Rb. sachlich unbegründet war.

Ebensowenig können Zweifel daran bestehen, daß die Aufhebung und Zurückverweisung an das Finanzamt nur mit Rücksicht auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 1 BvL 4/54 vom 17. Januar 1957 erfolgt ist, um ausschließlich im Interesse des Bf. die Rechtskraft der Veranlagung in diesem einzigen noch offenen Punkt hintan zu halten. Es ist daher nicht angängig, im zweiten Rechtsgang außer der Frage der Ehegattenbesteuerung den bereits erledigten Punkt der Steuervergünstigung gemäß § 7 c EStG neu aufzurollen.

Die Rb. war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 409092

BStBl III 1958, 320

BFHE 1959, 127

BFHE 67, 127

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