Entscheidungsstichwort (Thema)
Hennen als Anlage- oder Umlaufvermögen; Wechselschulden als Dauerschulden
Leitsatz (NV)
1. Legehennen sind Anlagevermögen, Fleischhennen Umlaufvermögen.
2. Wechselschulden sind Dauerschulden, wenn sie entweder der erstmaligen Anschaffung, der Erweiterung und Verbesserung des Anlagevermögens dienen oder eine Laufzeit von mehr als zwölf Monaten haben. Der Zeitraum von zwölf Monaten berechnet sich nicht nach der Laufzeit der Wechsel, sondern nach der Zeit, für die ein gesicherter Anspruch auf Prolongation besteht (Anschluß an BFH-Urteil vom 15. 11. 1983 VIII R 179/83, BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 413).
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2; GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) eröffnete 1970 einen Legehennenbetrieb. Sie erstellte drei Geflügehallen für . . . Legehennen. Sie erwarb die Legehennen, die durchschnittlich 14 Monate gehalten wurden, auf Wechsel. Die Wechselschulden aus dem Junghennenerwerb betrugen am 31. Dezember 1970 . . . DM. Die Klägerin wies am 31. Dezember 1970 eine Forderung gegen den Junghennenlieferanten in Höhe von . . . DM aus.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) rechnete nach einer Betriebsprüfung in dem Gewerbesteuermeßbescheid für 1971 die Wechselschulden in Höhe von . . . DM als Dauerschulden dem Gewerbekapital nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) hinzu; der Gewerbeertrag betrug null DM. Der Einspruch hatte zu einem geringen Teil Erfolg; das FA kürzte die angenommene Dauerschuld um die Forderung der Klägerin gegenüber dem Junghennenlieferanten in Höhe von . . . DM.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit folgender Begründung statt: Der Bundesfinanzhof (BFH) habe zwar in dem Urteil vom 30. Juni 1971 I R 55/68 (BFHE 103, 80, BStBl II 1971, 750) - unter Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung - ausgesprochen, daß Gründungsverbindlichkeiten, die sich auf die Schaffung von Betriebsanlagen bezögen, ohne Rücksicht auf ihre Laufzeit Dauerschulden seien. Der Sachverhalt habe allerdings keinen Anlaß zu diesem Ausspruch geboten. Die spätere Rechtsprechung, insbesondere das BFH-Urteil vom 16. November 1978 IV R 192/75 (BFHE 126, 305, BStBl II 1979, 151), sei eher verwirrend. Demgegenüber sei daran festzuhalten, daß das Zeitmoment in allen Fällen der Dauerschuld von Bedeutung sei. Der Charakter einer Schuld ändere sich nicht dadurch, daß mit ihr der Erwerb von Anlagevermögen finanziert werde. Danach seien im Streitfall ,,nach der übereinstimmenden Feststellung der Beteiligten, daß hier die durchschnittliche Wechsellaufzeit unter zwölf Monaten gelegen habe", Dauerschulden zu verneinen.
Das FA rügt mit der Revision Verletzung des § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Der erkennende Senat hat sich in dem Urteil vom 15. November 1983 VIII R 179/83 (BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 413) der vom FG kritisierten Rechtsprechung des I. und IV. Senats des BFH angeschlossen und sich dabei auch mit den abweichenden Meinungen auseinandergesetzt. Auf diese Ausführungen wird Bezug genommen.
Der Senat hat im Urteil in BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 413 als Dauerschulden i. S. des § 8 Nr. 1 erste Alternative GewStG (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) auch Wechselschulden angesehen, die der Erweiterung oder Verbesserung des Anlagevermögens dienen. Dies gilt erst recht für Wechselschulden, die - wie möglicherweise hier - zur Schaffung von Anlagevermögen im Gründungsstadium aufgenommen werden (BFH-Urteil vom 19. Januar 1984 IV R 26/81, BFHE 140, 281, BStBl II 1984, 376). In diesen Fällen kommt es nicht auf die Laufzeit der Verbindlichkeit an.
Das FG wird sich aber noch mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob die mit Hilfe der Wechselkredite angeschafften Legehennen Anlagevermögen wurden. Hierfür könnte sprechen, daß die Legehennen offenbar - verbunden mit einer entsprechenden Fütterung - für ein intensives Eierlegen genutzt werden sollten; so gesehen wären die Legehennen Gebrauchsgegenstände (Anlagevermögen). Andererseits läßt sich mangels entsprechender Feststellungen des FG nicht ausschließen, daß auch die Aufzucht der Junghennen zu Fleischhennen eine Rolle spielte. Sollte dieser Zweck im Vordergrund gestanden haben, wäre Umlaufvermögen auszunehmen.
2. Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, daß Dauerschulden nach der ersten Alternative des § 8 Nr. 1 GewStG (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) zu verneinen sind, wird es zu prüfen haben, ob Dauerschulden nach der zweiten Alternative des § 8 Nr.1 GewStG in Betracht kommen. Das FG geht zu Recht davon aus, daß Verbindlichkeiten der nicht nur vorübergehenden Stärkung des Betriebskapitals dienen, wenn ihre Laufzeit mindestens zwölf Monate beträgt. Das FG kann indessen nicht, gestützt auf eine ,,übereinstimmende Feststellung der Beteiligten", Laufzeiten von weniger als zwölf Monaten unterstellen. Sollte das FG meinen, die übliche Hingabe von Dreimonatswechseln begrenze die Laufzeit von Wechselschulden, könnte dieser Meinung nicht gefolgt werden. Wechselschulden sind, wie der Senat im Urteil in BFHE 140, 96, BStBl II 1984, 413 dargelegt hat, Dauerschulden auch dann, wenn der Gewerbetreibende aufgrund einer vorweg getroffenen Abrede einen gesicherten Anspruch auf Wechselprolongation für einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten hat.
Das FG wird in diesem Zusammenhang auf das Schuldverhältnis der Klägerin zu dem Junghennenlieferanten eingehen müssen. Die Kaufverträge scheinen im Streitfall durch einen Partnerschaftsvertrag ergänzt gewesen zu sein, der in dem Schriftsatz des FA vom 24. April 1981 an das FG angesprochen und im Jahresabschlußbericht des Prozeßbevollmächtigten für 1970 im einzelnen geschildert ist. Sollte sich diese Darstellung als zutreffend erweisen, könnte sich eine vorherige Prolongationsabrede auch aus gesellschaftsrechtlicher Vereinbarung ergeben.
Fundstellen
Haufe-Index 60773 |
BFH/NV 1985, 36 |