Leitsatz (amtlich)
Die Unterbrechung der Verjährung durch den Steuerbescheid endete nach dem vor dem 1. Januar 1966 geltenden Recht, wenn Einspruch eingelegt wurde, auch bei Rücknahme des Einspruchs mit der rechtskräftigen Erledigung des Rechtsstreits.
Normenkette
AO a.F. §§ 144, 147, 253 S. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob das FA wegen Verjährung des Steueranspruchs 1949 gehindert war, den berichtigten Einkommensteuerbescheid vom 11. Juli 1966 zu erlassen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Frage, ob der Einkommensteueranspruch 1949 verjährt sei, entschied die Vorinstanz zu Recht nach dem vor dem 1. Januar 1966 geltenden Recht. Denn die §§ 143 ff. AO n. F. gelten erstmals für Abgabenansprüche, die mit Ablauf des Kalenderjahres 1965 oder später entstanden sind (Art. 5 AOÄG vom 15. September 1965, BGBl I, 1356, BStBl I, 643).
Zutreffend führte das FG aus, die Verjährung der Einkommensteuer 1949 sei durch den Erlaß des endgültigen Steuerbescheides vom 23. September 1954 unterbrochen worden. Zu Unrecht aber nahm die Vorinstanz an, der Anspruch habe während des gegen diesen Bescheid gerichteten Einspruchsverfahrens verjähren können. Nach der Rechtsprechung des BFH endet die durch den Erlaß eines Steuerbescheides verursachte Unterbrechung der Verjährung, wenn ein Rechtsmittel eingelegt wird, erst mit der rechtskräftigen Erledigung des Steuerrechtsstreits (vgl. BFH-Urteile V z 72/55 U vom 31. Oktober 1957, BFH 65, 576, BStBl III 1957, 454, und V 125/65 vom 20. Juni 1968, BFH 93, 206, BStBl II 1968, 756). Das gilt nicht nur für die Rechtshängigkeit eines Rechtsstreits bei den Gerichten, sondern auch für das Einspruchsverfahren. Der BFH beschränkte die Unterbrechungswirkung entgegen der Auffassung der Vorinstanz in seinen Entscheidungen nicht auf das gerichtliche Verfahren, sondern sprach sie ausdrücklich auch für das Rechtsbehelfsverfahren aus. Denn er setzte für die sinngemäße Übertragung des Rechtsgedankens in § 211 Abs. 1 BGB den Erlaß des Steuerbescheides der Klageerhebung im bürgerlichen Recht gleich. In der Entscheidung V 125/65 (a. a. O.) übertrug er den Gedanken schließlich auch auf das Rechtsbehelfsverfahren gegen die Ablehnung des Berichtigungsantrages auf Erlaß eines Bescheides, wenn dieser Voraussetzung für einen Steuererstattungsanspruch ist.
Die Rücknahme des Einspruchs am 20. Dezember 1965 hatte den Verlust des Einspruchs zur Folge (§ 253 Satz 3 AO a. F.; § 243 Abs. 2 Satz 1 AO n. F.) und der Steuerbescheid vom 23. September 1954 wurde unanfechtbar.
Die Rücknahme des Einspruchs kann nicht der Rücknahme der Klage im Zivilprozeß (§ 271 Abs. 3 ZPO; § 72 Abs. 2 Satz 1 FGO; § 92 VwGO) mit der Folge gleichgesetzt werden, daß der Rechtsstreit als nicht rechtshängig gewesen gilt. Verfahrensrechtlich entspricht dem Geltendmachen eines Anspruchs im Zivilprozeß (Klage) steuerlich der Erlaß eines Steuerbescheides. Der Rücknahme der Klage entspricht demzufolge insoweit die Rücknahme des Steuerbescheides. Letztere bewirkt, daß der Steueranspruch als nicht geltend gemacht zu behandeln ist. Die Rücknahme des Einspruchs hat dagegen zur Folge, daß der Steuerbescheid, die Rücknahme der Revision, daß die vorinstanzliche Entscheidung unanfechtbar wird.
Daraus, daß der Einkommensteuerbescheid 1949 im Dezember 1965 unanfechtbar wurde, folgt, daß die Verjährungsfrist am 1. Januar 1966 neu zu laufen begann und dem Berichtigungsbescheid vom 11. Juli 1966 die Verjährung nicht entgegenstand.
Fundstellen
Haufe-Index 69165 |
BStBl II 1970, 855 |
BFHE 1971, 165 |