Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung des § 7b EStG auf teilweise landwirtschaftlich genutzte Gebäude mit Wohn- und Wirtschaftsteil.
Normenkette
EStG 1969 § 7b; EStDV 1969 § 52
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die einen Iand- und forstwirtschaftlichen Betrieb von etwa 11 ha Wirtschaftsfläche bewirtschaften. Ihren Gewinn ermitteln sie nach Durchschnittsätzen.
Auf dem Anwesen steht ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude (Hauptgebäude), ferner eine Scheune, in die auch Stallungen eingebaut sind, und ein Schuppen, in dem landwirtschaftliche Maschinen und Geräte abgestellt werden.
Von dem alten, im Jahre 1913 errichteten Hauptgebäude, das nach herkömlicher Weise Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem durchgehenden Dach vereinigte wurde im Jahre 1957 der Wirtschaftsteil abgerissen und auf einer Grundfläche von 13 m mal 13,80 m neu aufgebaut. Im Wirtschaftsjahr 1968/69 wurde auch der alte Wohnteil abgerissen und - wiederum unter dem durchgehenden Dach - auf einer vergrößerten Grundfläche von 11 m mal 10 m durch einen neuen, nicht unterkellerten Neubau ersetzt.
Das Erd- und Dachgeschoß des Wohnteils enthält eine Wohnung, die von den Klägern und der Familie ihres Sohnes, der in dem landwirtschaflichen Betrieb mitarbeitet, bewohnt wird. Wohn- und Wirtschaftsteit sind durch eine Brandmauer getrennt, die im Erd- und Dachgeschoß von je einem Durchgang mit Tür unterbrochen ist. Der Wirtschaftsteil ist im Erdgeschoß in eine Diele sowie in mehrere Ställe, ein WC, einen Abstellraum und eine Milchkammer unterteilt. In zwei weiteren Räumen des Wirtschaftsteils, die an die Brandmauer. angrenzen, befinden sich eine Ölheizung und zwei Öltanks, die Heizanlage versorgt nur den Wohnteil. Der unterhalb der Milchkammer gelegene Raum, der früher als Waschküche diente, enthältt jetzt eine Wasserpumpe, die aus einem Filterbrunnen Wasser in einen Druckbehälter pumpt, von dort führen über einen Verteiler getrennte Leitungen zum Wohnteil, zur Heizungsanlage, zum Wirtschaftsteil und zum Scheunengebäude. Das ganze Anwesen wird über einen im Wohnteil installierten Zähler mit elektrischer Energie versorgt.
Die Kläger begehrten im Steuerfestsetzungs und Einspruchsverfahren ohne Erfolg, bei der Berechnung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft gemäß § 12 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen (GDL) i. V. m. § 52 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 5 v. H. der Herstellungskosten des Wohnteils - diese betrugen 41 994 DM - abzuziehen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, der Wohnteil sei kein Einfamilienhaus, sondern stelle zusammen mit dem Wirtschaftsteil eine Gebäudeeinheit dar, die nicht als Einfamilienhaus angesehen werden könne. Denn die landwirtschaftliche Nutzung beeinträchtige den Charakter als Einfamilienhaus; außerdem betrage die Wohnfläche nicht mehr als 66 2/3 v. H. der Nutzungsfläche des Wohn- und Wirtschaftsgebäudes.
Gegen das FG-Urteil haben die Kläger die von dem FG zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung machen sie geltend: Der im Wirtschaftsjahr 1968/69 errichtete Neubau sei ein Einfamilienhaus, auch wenn er an den Wirtschaftsteil, von dem er durch eine Brandmauer geschieden sei, angebaut sei. Erhöhte Abschreibungen nach § 7b EStG könnten nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Wohnung des Landwirts in einem nur Wohnzwecken dienenden freistehenden Gebäude oder in einem an den Wirtschaftsteil angebauten Gebäude enthalten sei. Die Verbindung von Wohn- und Wirtschaftsteil unter einem Dach entspreche in einigen Gegenden Deutschlands gutem Brauch und werde gerade bei kleinen landwirtschaftlichen Betrieben zur Kostenersparnis gewählt. Im Streifall sei die Verbindung nicht so eng, daß man berechtigt sei, von einer Gebäudeeinheit zu sprechen. Bei der Auslegung des steuerlichen Begriffs des Einfamilienhauses und der Gebäudeeinheit müsse man auf die Belange der Landwirtschaft Bedacht nehmen. Man dürfe diesen Teil der Bevölkerung nicht von der nach § 7b EStG beabsichtigten Förderung der Eigentumsbildung ausnehmen. Selbst wenn man aber im vorliegenden Fall das Wohn- und Wirtschaftsgebäude als eine Gebäudeeinheit ansehe, lasse es sich insgesamt als Einfamilienhaus beurteilen, auch wenn von der Gesamtnutzfläche des Gebäudes nur etwa 2/5 auf den Wohnteil entfielen. Es sei nicht angemessen, auf das Nutzflächenverhältnis abzustellen. Nach Sinn und Zweck des § 7b EStG komme es auf das Wertverhältnis an. Im vorliegenden Fall könne man davon ausgehen, daß mehr als 2/3 des Gebäudegesamtwerts auf den Wohnteil entfielen.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung des FG aufzuheben und die Einkommensteuer 1969 auf null DM festzusetzen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Kläger können keine erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 1 EStG 1969 vornehmen, weil der im Wirtschaftsjahr 1968/69 errichtete Neubau kein selb ständiges, als Einfamilienhaus bewertbares Gebäude ist, das zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient. Vielmehr bildet der Neubau zusammen mit dem Wirtschaftsteil eine Gebäudeeinheit.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Gebäude ein Einfamilienhaus, wenn es nach seiner baulichen Gestaltung im Inneren - nur - eine Wohnung enthält (Urteil vom 16. Dezember 1975 VIII R 119/72, BFHE 117, 561, BStBl II 1976, 285). Zur Abgrenzung von Einfamilienhäusern gegenüber anderen Gebäuden ist grundsätzlich auf die äußere bauliche Gestaltung abzustellen, wie dies auch bei der Einheitsbewertung geschieht (BFH-Urteile vom 20. Oktober 1965 Vl 194/65 U, BFHE 84, 238, BStBl III 1966, 87; vom 18. Februar 1966 VI 87/65, BFHE 85, 27, BStBl III 1966, 223). Entgegen der bewertungsrechtlichen Erfassung der Einfamilienhäuser als Unterart der zum Grundvermögen gehörenden Gattung "bebaute Grundstücke" (§ 75 Abs. 1 Nr. 4 des Bewertungsgesetzes - BewG -) können bei der Anwendung des § 7 b EStG auch solche Gebäude als Einfamilienhäuser zu beurteilen sein, die zum Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs gehören, sofern sie bewertungsrechtlich ohne die Zugehörigkeit zu einem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen als Einfamilienhäuser anzusehen wären (vgl. BFH-Urteil vom 8. Juli 1971 IV 253/65, BFHE 102, 519, BStBl II 1971, 707).
2. Für Gebäude, die aus einzelnen, eine Gebäudeeinheit bildenden Teilen bestehen, ist - abgesehen von den Fällen des Wohnungs- und Teileigentums im Sinne des Wohungseigentumsgesetzes - einheitlich zu entscheiden, in welche der Gebäudearten (z. B. Einfamilienhäuser, Geschäftsgebäude, gemischt genutzte Gebäude) sie einzuordnen sind. Einzelne Gebäudeteile können nicht je einer besonderen Gebäudeart zugeordnet werden.
Ob eine Gebäudeeinheit mit unselbständigen Gebäudeteilen oder mehrere selbständige Gebäude vorliegen, kann im Einzelfall zweifelhaft sein. Die Entscheidung ist nach der Verkehrsauffassung zu treffen, wobei es nach dem Gesamtbild der Verhältnisse auf die bautechnische Gestaltung ankommt (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1965 VI 62/65 U, BFHE 84, 234, BStBl III 1966, 86). Einzelne Zusammenhänge zwischen mehreren Gebäuden oder Gebäudeteilen, etwa eine gemeinsame Zentralheizungsanlage oder eine gemeinsame elektrische Hauptleitung mit einem einzigen Zähler, begründen keine Gebäudeeinheit (BFH-Urteile vom 21. April 1955 IV 532/54 U, BFHE 60, 478, BStBl III 1955, 183; vom 27. Oktober 1960 IV 309/58, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - Einkommensteuergesetz, § 7 b, Rechtsspruch 44; Urteil in BFHE 84, 234, BStBl III 1966, 86). Eine Brandmauer kann dagegen im Einzelfall wie, eine, halbscheidige Giebelmauer wirken und die Aufteilung in zwei vertikal voneinander getrennte, selbständig zu bewertende Gebäude bewirken.
Im vorliegenden Fall ist allerdings die Brandmauer sowohl im Erdgeschoß als auch im Dachgeschoß durch Zugänge durchbrochen, diese sind dazu bestimmt, den Wohn- und Wirtschaftsteil miteinander zu verbinden. Hinzu kommt, daß die Heizanlage sich im Wirtschaftsteil befindet, aber nur den Wohnteil versorgt. Die Zusammenhänge zwischen den Gebäudeteilen werden durch eine gemeinsame Elektrizitäts- und Wasserversorgungsanlage - die allerdings der gesamten Hofstelle dient - verstärkt. Deshalb ist die überwiegend auf dem Gebiet der Tatsachenfeststellung liegende Würdigung des FG, bei dem Hauptgebäude liege eine den Wohn- und Wirtschaftsteil umschließende Gebäudeeinheit vor, rechtlich nicht zu beanstanden.
Bei der Vielfalt denkbarer technischer Lösungen für die Gestaltung und Verbindung von Gebäuden und Gebäudeteilen lassen sich - auch im Bereich der Landwirtschaft - erhebliche Unterschiede feststellen, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall eine differenzierende steuerrechtliche Beurteilung zulässig oder erforderlich machen können (vgl. Urteil in BFHE 84, 234, BStBl III 1966, 86).
Ob oder unter welchen besonderen Voraussetzungen die Mitbenutzung eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes zu landwirtschaftlichen Zwecken die Eigenart als Einfamilienhaus beeinträchtigt, braucht im vorliegenden Fall nicht abschließend entschieden zu werden. Denn jedenfalls dient das Gesamtgebäude nicht - wie § 7b EStG voraussetzt - zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken. Die Entscheidung, in welchem Umfang ein Gebäude Wohnzwecken dient, richtet sich grundsätzlich nach dem Nutzflächenverhältnis (Urteil in BFHE 102, 519, BStBl II 1971, 707). Dabei ist der Flächeninhalt nach den Bestimmungen der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BVO) anzusetzen. Nur ausnahmsweise kann auf das Rauminhaltsverhältnis zurückgegriffen werden. Auf das Wertverhältnis der Wohn- und Wirtschaftszwecken dienenden Gebäudeteile zueinander - das die Revision für maßgebend hält - kommt es hingegen nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 413693 |
BStBl II 1981, 783 |
BFHE 1981, 32 |