Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendige Beiladung bei Streit um Mitunternehmerschaft
Leitsatz (NV)
Ist streitig, ob eine Person (Dritter) an einer Personengesellschaft als Mitunternehmer beteiligt ist, so ist der Dritte in dem von der Personengesellschaft geführten Rechtsstreit notwendig beizuladen. Ist der Dritte verstorben, sind seine Erben beizuladen.
Normenkette
FGO §§ 48, 60; AO 1977 §§ 348, 352
Tatbestand
Gesellschafter der am 1. September 1975 gegründeten Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), der X-KG, waren in den Streitjahren 1975 und 1976 die X-GmbH als Komplementärin und Frau H sowie deren damals minderjährige Kinder A, B und C als Kommanditisten. Alleiniger Geschäftsführer der GmbH, die ihrerseits alleinige Geschäftsführerin der Klägerin war, war H, dem 90 v. H. der Anteile an der GmbH gehörten. Nach seinem Dienstvertrag mit der GmbH hatte H Anspruch auf eine monatliche Vergütung von 8 000 DM und auf eine Tantieme in Höhe von 24 v. H. des von der Klägerin erwirtschafteten Jahresgewinns. Bis zum 31. August 1975 war das Unternehmen der Klägerin von H als Einzelunternehmen geführt worden. H verpachtete die beiden Geschäftsgrundstücke mit Aufbauten und die Maschinen sowie die Betriebsausstattung des bisherigen Einzelunternehmens an die Klägerin. Die sonstigen Wirtschaftsgüter, im wesentlichen Büroeinrichtung, Fuhrpark und Vorratsvermögen des bisherigen Einzelunternehmens, wurden an die Klägerin veräußert, die außerdem, mit gewissen Einschränkungen, die sonstigen Aktiva und Passiva des bisherigen Einzelunternehmens übernahm. Ein bei Übertragung der Aktiva und Passiva sich zu Lasten der Klägerin ergebender Saldo war der Klägerin als Darlehen zu belassen und mit 8 v. H. zu verzinsen. Die Klägerin bezeichnete bei ihrer ersten Gewinnermittlung als ihr Wirtschaftsjahr den Zeitraum vom 1. September 1975 bis zum 31. Januar 1976. Der für diesen Zeitraum mit 117 503 DM ermittelte Gewinn war gemindert um 40 000 DM Geschäftsführergehalt und 56 988 DM Geschäftsführertantieme des H, die Grundstückspacht in Höhe von 39 000 DM, die Maschinenpacht in Höhe von 37 126 DM und die Darlehenszinsen in Höhe von 21 984 DM auf den der Klägerin als Darlehen zur Verfügung gestellten Saldo aus der Summe von Aktiven und Passiven. Der für das Wirtschaftsjahr 1977 vom 1. Februar 1976 bis 31. Januar 1977 erklärte Gewinn in Höhe von 485 101 DM war um entsprechende Beträge in Höhe von insgesamt 475 104 DM gemindert. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) übernahm die erklärten Besteuerungsgrundlagen im wesentlichen zunächst ungeprüft in die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Feststellungsbescheide. Nach einer Betriebsprüfung stellten sich der Prüfer und, ihm folgend, das FA auf den Standpunkt, H sei Mitunternehmer der Klägerin gewesen mit der Folge, daß die Umstellung auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr mangels Zustimmung des FA nicht anzuerkennen, die als Betriebsausgaben geltend gemachten Vergütungen an H als dessen Anteile am Gewinn der Klägerin und die von H der Klägerin zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter als Teile des Betriebsvermögens der Klägerin behandelt wurden. Das FA erließ entsprechende Bescheide am 7. Mai 1979. Zuvor, nämlich am 24. April 1979, war H verstorben.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage gegen diese Bescheide hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stimmte dem FA in der Wertung, H sei Mitunternehmer der Klägerin gewesen, zu und wies die Klage als unbegründet ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin unzutreffende Auslegung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und beantragt, die angefochtenen Bescheide mit den Folgen aufzuheben bzw. zu ändern, die sich daraus ergeben, daß die Aufwendungen gegenüber H als Betriebsausgaben und die Verbindlichkeiten gegenüber H als Betriebsschulden der Klägerin anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil notwendige Beiladungen unterblieben sind.
1. Kein Verfahrensfehler liegt allerdings darin, daß das FG die Gesellschafter der Klägerin, nämlich die H-GmbH und die Kommanditisten, nicht als solche beigeladen hat. Besteht Streit über die Mitunternehmerstellung eines Dritten, so bedarf es, wie der Senat im Urteil vom 21. Mai 1987 IV R 283/84 (BFHE 149, 523) mit Zustimmung des VIII. Senats entschieden hat, nicht der Beiladung derjenigen Gesellschafter der Personengesellschaft, deren Mitunternehmereigenschaft unstreitig ist und deren Gewinnquote, bezogen auf den Gewinn, der nach Abzug der auf den Dritten entfallenden Beträge verbleibt, unverändert bleibt. So ist es im Streitfall. Die Mitunternehmereigenschaft der GmbH und der Kommanditisten der Klägerin ist nicht streitig. Wird die Mitunternehmereigenschaft des H bejaht, so erhöht sich der Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft, gleichgültig, ob sie zwischen der Klägerin und H oder zwischen den Gesellschaftern der Klägerin und H bestehen sollte, um die bisher gewinnmindernd abgezogenen Beträge für Geschäftsführergehalt, Tantieme, Pachtzinsen und Darlehenszinsen des H abzüglich der höheren Gewerbesteuer. Der Anteil der Komplementärin und der Kommanditisten am Gewinn der Mitunternehmerschaft, der nach Abzug der auf H entfallenden Beträge übrigbleibt, erfährt jedoch keine Veränderung.
2. Das FG hätte jedoch die Erben des verstorbenen H beiladen müssen.
a) Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, daß die Entscheidung ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. In Angelegenheiten, die einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid betreffen, kommt eine Beiladung nur dann in Betracht, wenn die Mitberechtigten nach § 48 Abs. 1 FGO klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).
Hätte H bei Ergehen der angefochtenen Bescheide vom 7. Mai 1979 noch gelebt, so hätte er gegen den Bescheid nach § 352 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) Einspruch einlegen und gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO Klage erheben können. Nach diesen Vorschriften können in Angelegenheiten, die einen einheitlichen Feststellungsbescheid über Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder über den Einheitswert eines gewerblichen Betriebs betreffen, neben der Gesellschaft (§ 352 Abs. 1 Nr. 3 AO 1977, § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO) auch die Personen Einspruch einlegen und Klage erheben, bei denen streitig ist, ob sie an dem festgestellten Betrag beteiligt sind. Ist streitig, ob eine Person (Dritter) an einer Personengesellschaft als Mitunternehmer beteiligt ist oder zusammen mit einer Personengesellschaft eine Mitunternehmerschaft bildet, so ist im Sinne der genannten Bestimmungen auch streitig, ob der Dritte an dem festgestellten Betrag beteiligt ist. Denn die Bejahung der Mitunternehmerschaft hat zur Folge, daß die Beträge, die von der Personengesellschaft als an den Dritten gezahlte oder zu zahlende Beträge gewinnmindernd abgezogen worden sind, in den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft einbezogen werden und, ggf. nach Korrekturen, dem Dritten als Gewinn zugerechnet werden, und daß die von dem Dritten der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter bei der Einheitsbewertung als Sonderbetriebsvermögen zu erfassen sind.
c) Nachdem H am 24. April 1979, also vor dem Ergehen der angefochtenen Bescheide vom 7. Mai 1979, verstorben war, hätten seine Erben das Recht gehabt, Einspruch einzulegen und gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung Klage zu erheben. Stirbt ein Steuerpflichtiger, bevor er gegen einen gegen ihn ergangenen Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt hat oder bevor er gegen eine gegen ihn ergangene Einspruchsentscheidung Klage erhoben hat, so sind sein Erbe oder seine Erben befugt, Einspruch einzulegen oder Klage zu erheben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1977 III R 35/77, BFHE 124, 477, BStBl II 1978, 383, und vom 15. Februar 1978 I R 36/77, BFHE 125, 112, BStBl II 1978, 491). Die Erben müssen Steueransprüche, die sie für ungerechtfertigt halten, selbst abwehren und diese Auffassung ggf. in eigener Person im Steuerprozeß vertreten (BFH-Urteil vom 7. Oktober 1970 I R 145/68, BFHE 100, 346, BStBl II 1971, 119). Das gilt auch für das Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung, in dem einkommensteuerpflichtige Einkünfte lediglich vorweg in einem gesonderten Verfahren festgestellt werden (BFH-Urteil vom 29. August 1973 I R 242/71, BFHE 110, 514, BStBl II 1974, 100), und entsprechend auch für das Verfahren der Einheitswertfeststellung. Die Erben befinden sich somit, was ihre Befugnis angeht, die nach dem Gesetz gegebenen Rechtsbehelfe einzulegen, in der Rechtslage, in der sich der Erblasser befunden hätte, falls er bei Ergehen des Bescheides bzw. der Einspruchsentscheidung noch gelebt hätte.
d) Dies wirkt sich auch auf die Frage der notwendigen Beiladung aus. Klagebefugnis und notwendige Beiladung hängen in dem Sinne zusammen, daß die Klagebefugten, die nicht selbst Klage erhoben haben, notwendig beizuladen sind (BFH-Urteil vom 28. November 1974 I R 62/74, BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209). Da die Erben des H keine Klage erhoben hatten, waren sie somit in dem von der Klägerin eingeleiteten Klageverfahren notwendig beizuladen.
Das Fehlen der notwendigen Beiladung ist als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens auch ohne Verfahrensrüge zu beachten (Urteil in BFHE 114, 167, BStBl II 1975, 209).
Fundstellen
Haufe-Index 415255 |
BFH/NV 1989, 502 |