Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschaffungsnaher Aufwand ausnahmsweise auch nach Ablauf von drei Jahren seit Erwerb möglich
Leitsatz (amtlich)
Anschaffungsnaher Aufwand kann ausnahmsweise auch bei Instandsetzungsarbeiten entstehen, die zwar erst nach Ablauf von drei Jahren seit dem Erwerb des Gebäudes durchgeführt werden, aber einen schon im Zeitpunkt der Anschaffung vorhandenen erheblichen Instandhaltungsrückstand aufholen. Diese Fallgestaltung kommt in Betracht, wenn ein älteres Mietwohngebäude im Anschluß an den verbilligten Erwerb gleichsam in Raten erneuert und modernisiert wird.
Normenkette
EStG 1983 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 7, Abs. 1 Nr. 7; EStG § 21
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 22.08.1990; Aktenzeichen 11 K 2741/87) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind in den Streitjahren (1983 und 1984) zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Sie waren Miteigentümer der um die Jahrhundertwende bebauten Mietwohngrundstücke A-Straße (Grundstück I) und B-Straße (Grundstück II) in C. Die Kläger haben das Grundstück I auf Grund notariellen Kaufvertrages im April 1979 zu einem Kaufpreis von 290 753 DM erworben, wovon 223 888 DM auf das Gebäude entfielen. Im selben Jahr wandten die Kläger nach den Angaben in ihrer Steuererklärung für dieses Gebäude an "Reparaturaufwendungen" 57 599 DM und an "größeren Instandhaltungsaufwendungen" 42 709 DM auf. Von dem Gesamtaufwand im Jahre 1980 in Höhe von 40 794 DM machten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung 1980 den Betrag von 29 620 DM als nachträgliche Herstellungskosten und 11 174 DM als Modernisierungsaufwand nach § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) geltend. 1981 betrugen die Aufwendungen 5 920 DM, im Jahre 1982 58 917 DM und 1983 8 880 DM. Am 30.September 1983 verkauften die Kläger das Grundstück I für 590 000 DM.
Das Grundstück II haben die Kläger auf Grund notariellen Kaufvertrages vom Juni 1980 zu einem Kaufpreis von 524 756 DM (Gebäudeanteil 425 052 DM) erworben. Nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) wurden in den Jahren 1980 bis 1982 vier Wohnungen und im zweiten Halbjahr 1983 zwei weitere Wohnungen renoviert. Die Gesamtaufwendungen zur Renovierung dieses Gebäudes betrugen im Jahre 1980 89 759 DM, 1981 62 171 DM, 1982 97 404 DM, 1983 142 591 DM, 1984 28 497 DM und 1985 58 512 DM.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte die Renovierungskosten abzüglich der darin enthaltenen Aufwendungen nach § 82a EStDV als anschaffungsnahe Aufwendungen. Mit der Klage verfolgten die Kläger ihr Begehren weiter, die Kosten für die Instandsetzung als Erhaltungsaufwand zum sofortigen Werbungskostenabzug zuzulassen. Die Klage hatte teilweise Erfolg. In seinem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 72 veröffentlichten Urteil ging das FG davon aus, daß anschaffungsnaher Aufwand zu den Herstellungs- oder Anschaffungskosten des Gebäudes gehöre, wenn er in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb angefallen sei. Dies lasse sich grundsätzlich jedoch nur für die ersten drei Jahre nach der Anschaffung des Gebäudes annehmen; die Dreijahresfrist beginne mit dem Abschluß des Kaufvertrags. Daher seien sämtliche nach Ablauf der Dreijahresfrist entstandene Kosten sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Für das Grundstück I seien daher alle im Streitjahr 1983 geltend gemachten Aufwendungen, für das Grundstück II die ab 1.Juli 1983 angefallenen Aufwendungen von 108 176 DM und für 1984 in Höhe von 28 497 DM als Erhaltungsaufwand abziehbar.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage auch hinsichtlich der Streitjahre 1983 bis 1984 abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die strittigen Aufwendungen zu Unrecht als Erhaltungsaufwand zum sofortigen Werbungskostenabzug (§ 9 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugelassen.
1. Zutreffend ist das FG mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) davon ausgegangen, daß ein sofortiger Werbungskostenabzug für erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen ausscheidet, wenn diese in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem entgeltlichen Erwerb eines bebauten Grundstücks erbracht werden und dadurch das Wesen des Gebäudes verändert oder dessen Nutzungswert oder dessen -dauer wesentlich erhöht wird (Urteil des erkennenden Senats vom 11.August 1989 IX R 44/86, BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53, m.w.N.). Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist regelmäßig bei Vornahme der Instandsetzungsarbeiten innerhalb von drei Jahren seit der Anschaffung des Gebäudes gegeben. Die dahingehende Verwaltungspraxis (vgl. Abschn.157 Abs.5 Sätze 7 bis 9 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--) hat der BFH als Anhalt für den Regelfall schon mehrfach bestätigt (vgl. Urteil vom 26.Oktober 1962 VI 212, 213/61 U, BFHE 76, 104, BStBl III 1963, 39, 40 und den zwischen den Beteiligten in der Aussetzungssache ergangenen Beschluß des erkennenden Senats vom 23.Juni 1988 IX B 178/87, BFH/NV 1989, 165, 167). Denn die aufwendige Instandsetzung oder Modernisierung des Gebäudes innerhalb dieser Zeitspanne legt den Schluß nahe, daß deren Kosten die Höhe des Kaufpreises gemindert haben. Es kann unerörtert bleiben, ob und ggf. inwieweit die in den EStR enthaltene Dreijahresfrist die Verwaltungsbehörden bindet (vgl. Bordewin in Lademann/Söffing/Brockhoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 21 Anm.236 c; Söffing, Der Betrieb --DB-- 1986, 662, 664; --el--, DB 1986, 458; 1987, 412; einschränkend Prinz, Finanz-Rundschau --FR-- 1990, 632, 633). Die Richtlinienregelung entfaltet jedenfalls keine Bindungswirkung für die Finanzgerichte (vgl. Senatsurteile vom 24.September 1985 IX R 143/83, BFHE 145, 331, BStBl II 1986, 287, und vom 26.März 1991 IX R 104/86, BFHE 164, 263). Daher erübrigt sich auch eine Stellungnahme zu der im Schrifttum streitigen Frage, wann der Dreijahreszeitraum zu laufen beginnt. Die Annahme anschaffungsnahen Aufwands ist auch nach Ablauf von drei Jahren seit dem Erwerb mindestens dann nicht ausgeschlossen, wenn die nachträglich behobenen Mängel offensichtlich die Höhe des Kaufpreises und damit die Höhe der Anschaffungskosten des Erwerbers beeinflußt haben (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22.August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672). Anschaffungsnaher Aufwand kann daher auch bei außerhalb des Dreijahreszeitraums durchgeführten größeren Reparaturen anzunehmen sein, wenn sie ebenfalls einen schon im Zeitpunkt der Anschaffung vorhandenen erheblichen Instandhaltungsrückstand aufholen. Diese Fallgestaltung kommt nicht nur in Betracht, wenn z.B. im zweiten Jahr nach dem Erwerb begonnene größere Instandsetzungsarbeiten bis ins vierte Jahr andauern; hier kann die Entscheidung, ob Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand vorliegt, nicht allein vom Zeitpunkt der Beendigung oder gar der Bezahlung der Maßnahmen abhängen. Eine Ausnahme vom Dreijahreszeitraum hat der Senat ferner für möglich erachtet, wenn nach dem Erwerb eines reparaturbedürftigen Mietshauses über einen längeren Zeitraum gleichsam in Raten die jeweils freiwerdenden Mietwohnungen instandgesetzt werden (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1989, 165). Wird in einem solchen Fall der Dreijahreszeitraum überschritten, kann gleichwohl anschaffungsnaher Aufwand solange angenommen werden, als die behobenen Mängel bereits im Erwerbszeitpunkt gegeben waren und wegen ihres Gewichts den Kaufpreis also gemindert haben. Davon ist der Senat auch beim verbilligten Erwerb eines unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes ausgegangen (Urteil vom 15.Januar 1991 IX R 21/89, BFH/NV 1991, 533, 535).
2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf den Streitfall kann das FG-Urteil keinen Bestand haben; es war aufzuheben. Das FG hat zu Unrecht sämtliche für das Grundstück I im Streitjahr 1983 geltend gemachten Aufwendungen und die das Grundstück II betreffenden Aufwendungen ab 1.Juli 1983 allein wegen des Ablaufs des Dreijahreszeitraums zum sofortigen Werbungskostenabzug zugelassen sowie rechtsfehlerhaft in der von ihm angenommenen ratenweisen Renovierung des Mietwohngrundstücks II keinen eine Ausnahme von der Dreijahresfrist rechtfertigenden Umstand gesehen.
Der Senat ist an einer Entscheidung in der Sache selbst gehindert, da die tatsächlichen Feststellungen des FG hierfür nicht ausreichen. Das FG hat keine Feststellungen zu den in den Streitjahren durchgeführten Reparatur- bzw. Modernisierungsmaßnahmen getroffen, sondern nur den von den Klägern geltend gemachten Gesamtaufwand angesetzt, ohne zu ermitteln, für welche Maßnahmen welche Beträge geleistet worden sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der im Urteil enthaltenen Bezugnahme auf die Rechnungsbelege; denn gemäß § 105 Abs.3 Satz 2 FGO muß das Wesentliche des Geschehensablaufs aus dem Tatbestand des Urteils selbst ersichtlich sein (Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2.Aufl., § 105 Anm.20, m.w.N.). Die Beurteilung anschaffungsnahen Aufwands hängt wesentlich von der Art, dem Umfang und den Kosten der in den Streitjahren durchgeführten Maßnahmen ab (vgl. schon Senatsurteil vom 11.August 1989 IX R 258/87, BFH/NV 1990, 436). Auch die Feststellung des FG, die Kläger hätten lediglich einzelne Wohnungen auf dem Grundstück II immer erst bei einem anstehenden Mieterwechsel renoviert, wird nicht von den erforderlichen tatsächlichen Angaben getragen, welcher Art die getroffenen Maßnahmen waren und was dafür aufgewendet wurde. Der für das Streitjahr 1983 insoweit geltend gemachte Gesamtbetrag von 142 591 DM legt überdies den Schluß nahe, daß nicht nur einzelne Wohnungen renoviert wurden, sondern auch nicht unerhebliche Arbeiten an dem Gebäude insgesamt vorgenommen worden sind.
Gelangt das FG, an das die Sache zur Nachholung dieser Feststellungen zurückgeht, zu dem Ergebnis, daß anschaffungsnaher Aufwand vorliegt, wird es noch prüfen müssen, ob und in welchem Umfang sofort abziehbare Erhaltungsmaßnahmen auszusondern sind, die jährlich üblicherweise anfallen (vgl. den Beschluß des Senats in BFH/NV 1989, 165). Dabei wird es allerdings zu berücksichtigen haben, daß nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 30. Juli 1991 IX R 67/90, BFHE 165, 250, Aufwendungen für Schönheitsreparaturen, die im Rahmen einer umfassenden Renovierung und Modernisierung anfallen, unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Erhaltungsaufwand abziehbar sein können. Soweit kein anschaffungsnaher Aufwand gegeben sein sollte, wird das FG im Hinblick auf die Veräußerung des Grundstücks I am 30.September 1983 ferner zu prüfen haben, ob und ggf. in welchem Umfang die Aufwendungen mit der Veräußerung des Mietobjekts zusammenhängen, so daß sie nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 23.Januar 1990 IX R 17/85 (BFHE 159, 491, BStBl II 1990, 465) nicht als Werbungskosten abziehbar wären.
Die Sache war daher wegen fehlender Spruchreife an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 63667 |
BFH/NV 1992, 3 |
BStBl II 1992, 30 |
BFHE 165, 253 |
BFHE 1992, 253 |
BB 1992, 1624 |
BB 1992, 1624-1626 (LT) |
DStR 1992, 247 (KT) |
HFR 1992, 119 (LT) |
StE 1991, 406 (K) |