Entscheidungsstichwort (Thema)
Anschaffungsnaher Aufwand
Leitsatz (NV)
1. Wird ein in wirtschaftlich veraltetem Zustand 1985 erworbenes Zweifamilienhaus (Baujahr 1870) mit im Verhältnis zum Kaufpreis hohem Aufwand (29 v. H.) den modernen Erfordernissen des Witterungsschutzes und der Wärmedämmung angepaßt (hier: Einbau neuer isolierverglaster Fenster), so sind die durch diese mietwerterhöhende Maßnahme bedingten Aufwendungen den Herstellungskosten zuzurechnen (Anschluß an die bisherige Rechtsprechung).
2. Dies gilt auch bei einem zeitlichen Abstand der Einbaumaßnahme von drei Jahren seit dem Erwerb.
3. Zu den Anforderungen an die Darlegung versteckter Mängel.
Normenkette
EStG 1987 § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nrn. 7, 21
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie erwarben auf Grund notariellen Kaufvertrages vom 21. August 1985 ein als Zweifamilienhaus bewertetes Grundstück zu einem Kaufpreis von 100 000 DM, wovon 82 933 DM auf das 1870 errichtete Gebäude entfielen. Nachdem die Kläger in den folgenden Jahren zunächst Küche und Bad in das Dachgeschoß eingebaut hatten, ließen sie vom Sommer bis zum Winteranfang des Streitjahres 1988 für 23 842 DM die einfachverglasten Fenster durch isolierverglaste neue Fenster ersetzen.
Die Kläger machten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr u. a. diese Kosten als sofort abziehbaren Erhaltungsaufwand geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah hierin jedoch anschaffungsnahen Herstellungsaufwand und erhöhte in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr insoweit die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch hiergegen gerichteten Klage machten die Kläger geltend, bei den Aufwendungen für die Erneuerung der Fenster habe es sich um Kosten zur Beseitigung versteckter Mängel gehandelt. Zwar seien beim Kauf des Hauses einige Fenster in schlechtem Zustand gewesen, der größere Teil habe jedoch einen guten Farbanstrich gezeigt. Erst Anfang 1988 habe sich herausgestellt, daß das Holz teilweise völlig morsch gewesen sei.
Die Klage hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß Aufwendungen, die auf ein bereits vorhandenes Gebäude gemacht würden, nur in besonderen Ausnahmefällen als Herstellungskosten zu werten seien. Die Erneuerung von Fenstern bei einem zwar über 100 Jahre alten, aber intakten und seit dem Erwerb bereits jahrelang vermieteten Gebäude führe nicht zu anschaffungsnahen Herstellungsaufwendungen. Es könne dahinstehen, ob das Gebäude mit versteckten Mängeln behaftet gewesen sei.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts und Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG hat das Vorliegen anschaffungsnahen Aufwands rechtsfehlerhaft verneint.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH scheidet ein sofortiger Werbungskostenabzug für erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen aus, wenn diese in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem entgeltlichen Erwerb eines bebauten Grundstücks erbracht werden und dadurch das Wesen des Gebäudes verändert oder dessen Mietwert oder dessen Nutzungsdauer wesentlich erhöht wird (vgl. das Urteil des erkennenden Senats vom 11. August 1989 IX R 44/86, BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53, m. w. N.). Hieran hält der Senat fest.
Die mit der BFH-Rechtsprechung nicht übereinstimmende Vorentscheidung kann keinen Bestand haben. Die Kläger haben das in wirtschaftlich veraltetem Zustand erworbene Zweifamilienhaus durch den Einbau der neuen isolierverglasten Fenster vor allem den modernen Erfordernissen des Witterungsschutzes und der Wärmedämmung angepaßt. Durch die im Verhältnis zum Kaufpreis hohen Aufwendungen (ca. 29 v. H.) haben die Kläger auch den Mietwert des Gebäudes erheblich erhöht. Es ist offenkundig, daß die Vornahme wärmedämmender und lärmschützender Maßnahmen - wie sie durch den Einbau neuer Fenster erfolgen - zu einer Mietwerterhöhung führen kann; dies ergibt sich bereits aus der zivilrechtlichen Regelung des § 3 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (= Art. 3 § 3 des Zweiten Wohnraumkündigungsschutzgesetzes vom 18. Dezember 1974, BGBl I 1974, 3603). Der erkennende Senat ist davon auch schon in seinen Entscheidungen in BFHE 158, 240, 245, BStBl II 1990, 53 und vom 13. März 1990 IX R 66/86 (BFH/NV 1990, 778, 779) ausgegangen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist.
Entgegen der Auffassung des FG führt auch der zeitliche Abstand der Einbaumaßnahmen von drei Jahren seit dem Erwerb nicht dazu, die streitigen Kosten als Erhaltungsaufwand zu behandeln. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist im Streitfall auch bei dieser Zeitspanne noch gegeben, wobei es keiner Entscheidung zur im Schrifttum streitigen Berechnung der von der Finanzverwaltung praktizierten Dreijahresfrist (Abschn. 157 Abs. 5 Satz 7 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -) bedarf. Die neuen isolierverglasten Fenster wurden im wesentlichen eingebaut, um einen schon im Erwerbszeitpunkt vorhandenen Instandhaltungsrückstand aufzuholen.
b) Soweit sich die Kläger darauf berufen, die Kosten für den Einbau der neuen Fenster seien als Erhaltungsaufwand zu beurteilen, weil dadurch verdeckte Mängel beseitigt worden seien, ist ihr Vorbringen nicht schlüssig. Zwar können Aufwendungen für die Beseitigung verborgener Mängel nach dem Erwerb nach ständiger Rechtsprechung (vgl. insbesondere Beschluß des Großen Senats des BFH vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672) als Erhaltungsaufwand abziehbar sein, weil solche Mängel zu keiner Minderung des Kaufpreises geführt haben. Der Senat läßt im Streitfall offen, ob es sich bei der Reparaturbedürftigkeit der Fenster um einen Mangel gehandelt hat, obwohl die gewöhnliche und damit mangelfreie Beschaffenheit eines gebraucht gekauften alten Gebäudes altersbedingte normale Verschleißerscheinungen und das Risiko auch größerer Reparaturen nicht ausschließt.
Es erübrigt sich auch eine Prüfung, ob mit dem verhältnismäßig geringen Kaufpreis für das Gebäude nicht gerade dessen baulicher Beschaffenheit einschließlich der Fenster Rechnung getragen wurde.
Sollte ein Mangel vorliegen, haben die Kläger nämlich weder, wie erforderlich, genügend dargelegt, daß und weshalb er ihnen verborgen geblieben sei, noch hierfür Beweis angetreten. Sie müssen sich, wenn ein Mangel unterstellt wird, dessen verhältnismäßig leichte Erkennbarkeit und seine Wahrscheinlichkeit entgegenhalten lassen, da bei einem über 100 Jahre alten, an der Küste stehenden Gebäude der wirtschaftliche Verbrauch der Fenster naheliegt. Die Kläger räumen selbst ein, vom schadhaften Zustand einiger Fenster gewußt zu haben. Wenn sie sich also nach ihrer Darstellung lediglich über das Ausmaß des Reparaturbedarfs geirrt haben, so mußten sich ihnen doch entsprechende Schlüsse auf die Beschaffenheit der übrigen Fenster aufdrängen; jedenfalls wäre es Sache der Kläger gewesen, vorzutragen, weshalb sie den Zustand der Fenster nicht weiter überprüft haben.
2. Da das FG bei seiner Entscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417927 |
BFH/NV 1992, 32 |