Entscheidungsstichwort (Thema)

Nießbrauch; Zurechnung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung; Feststellungsverfahren

 

Leitsatz (NV)

1. Über die Verteilung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zwischen Nießbraucher und Eigentümer ist im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Feststellung -- nicht bei der Einkommensteuerfestsetzung -- zu entscheiden, solange die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist (Anschluß an das Senatsurteil vom 22. Februar 1994 IX R 141/90, BFH/NV 1994, 866).

2. Unterläßt das Finanzgericht die des wegen gemäß § 74 FGO gebotene Aussetzung des wegen der Einkommensbesteuerung anhängigen Klageverfahrens, ist das Urteil im Revisionsverfahren von Amts wegen aufzuheben (ständige Rechtsprechung).

 

Normenkette

EStG § 21; AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a, § 181 Abs. 1 S. 1, § 169; FGO § 74

 

Verfahrensgang

FG Düsseldorf

 

Tatbestand

Die Klägerin erwarb 1980 von ihrer Mutter ein als Mietwohngrundstück bewertetes Dreifamilienhaus gegen Übernahme der Pfandlasten. Das Gebäude enthält drei Wohnungen, nämlich eine 303 qm große Wohnung, die von der Mutter der Klägerin genutzt wird, eine 57 qm große Wohnung, die die Mutter an Feriengäste vermietet und eine 53 qm große Wohnung, die die Kläger nach ihrem Vortrag als Ferienwohnung nutzen. Bei der Übergabe hatte sich die Mutter ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht am Grundstück vorbehalten. Ende 1983 bewilligte die Mutter der Klägerin die Löschung des Nießbrauchsrechts im Grundbuch. An der Nutzung des Grundstücks änderte sich dadurch nichts. Bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 1986 versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) den Abzug des von der Klägerin geltend gemachten Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Mietwohngrundstück mit der Begründung, die Klägerin könne auch bei Ansatz der Kostenmiete (6 v. H. der Herstellungskosten von ... DM) keinen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten erzielen.

Die Klage, mit der die Kläger beantragten, ihnen den Mietwert des gesamten Gebäudes mit 5 DM pro qm monatlich zuzurechnen und die Werbungskosten in voller Höhe abzuziehen, hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, die Kläger könnten auf Dauer einen Ge samtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten erzielen. Der Nutzungswert der von der Mutter der Klägerin genutzten Wohnung und der an Feriengäste vermieteten Wohnung sei der Klägerin zuzurechnen. Die Mutter habe keine gesicherte Rechtsposition gehabt.

Dagegen wendet sich das FA mit der vom Senat zugelassenen Revision. Das FG habe verfahrensfehlerhaft bei der Ermittlung des Gesamtüberschusses den Vortrag des FA im Klageverfahren betreffend Einkommensteuerfestsetzung 1987, auf den das FA im vorliegenden Verfahren Bezug genommen ha be, nicht berücksichtigt. Auch bei Wegfall der Zinsverpflichtung könne die Klägerin keinen Gesamtüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten erzielen. Außerdem habe das FG gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, indem es sämtliche Einkünfte der Klägerin zugerechnet habe.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das FG hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, bis das zuständige FA über die Beteiligung der Klägerin und ihrer Mutter an den Einkünften aus dem umstrittenen Grundstück in einem Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung entschieden hat. Hierbei handelt es sich um einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der auch ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein Urteil vom 22. Februar 1994 IX R 141/90, BFH/NV 1994, 866.

Die Vorentscheidung war danach aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das für die gesonderte und einheitliche Feststellung zuständige FA wird zu prüfen haben, ob die Feststellungsfrist inzwischen abgelaufen ist (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. Dezember 1992 IV R 118/90, BFHE 170, 336, BStBl II 1994, 381). Sollte das der Fall sein und deshalb ein negativer Feststellungsbescheid ergehen (vgl. § 180 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung -- AO 1977 --), könnten schon aus diesem Grunde bei den Klägern keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfaßt werden. Ist die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen, so wird unter Würdigung aller Umstände des Falles, ggf. nach Anhörung der Mutter der Klägerin, erneut zu entscheiden sein, ob die Mutter das umstrittene Grundstück aufgrund einer gesicherten Rechtsposition nutzte, insbesondere, ob die Löschung des Nießbrauchs im Grundbuch das im Übergabevertrag vereinbarte (schuldrechtliche) Nutzungsrecht berührte. Im übrigen wird dazu auf die Senatsurteile vom 25. Oktober 1988 IX R 132/85 (BFH/NV 1989, 295) und vom 28. April 1992 IX R 94/86 (BFH/NV 1992, 732) hingewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 64989

BFH/NV 1995, 568

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