Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Als "Versicherung auf den Lebens- oder Todesfall" im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe a EStG 1951 kann ein Vertrag nur anerkannt werden, wenn er nicht bloß der Form nach einen Lebensversicherungsvertrag darstellt, sondern auch seinem Inhalt nach dem Gedanken der Vorsorge dient.
Normenkette
EStG § 10/1/2/a
Tatbestand
Strittig ist die Berücksichtigung einer von dem Bf. im Jahr 1952 geleisteten Einmalprämie einschließlich Versicherungsteuer und Verzugszinsen im Gesamtbetrage von 91.148,70 DM als Sonderausgabe bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1952. Der Prämienzahlung liegt ein Lebensversicherungsvertrag zugrunde. Dieser ist Ende des Jahres 1952 geschlossen worden. Die Versicherung begann nach dem Vertrag bereits am 1. Januar 1952. Die Versicherungssumme betrug 90.000 DM. Sie war im Todesfall oder aber am 1. Januar 1955 zu zahlen; bei Unfalltod war außer der Versicherungssumme eine Unfallzusatzsumme von 90.000 DM zu zahlen. Die Versicherungssumme ist dem Vertrag entsprechend ausgezahlt worden. Die vorerwähnten 91.148,70 DM hat der Bf. zu Lasten seines Privatkontos bei der Firma, deren persönlich haftender Gesellschafter er ist, überwiesen. Auf dieses Konto sind ihm zu derselben Zeit 55.000 DM gutgeschrieben worden, die ihm von einer Bank darlehnsweise zur Verfügung gestellt worden sind.
Bei der auf Grund einer Betriebsprüfung durchgeführten Berichtigungsveranlagung für das Jahr 1952 erkannte das Finanzamt die Einmalprämie nur in Höhe des den Darlehnsbetrag übersteigenden Betrags als Sonderausgabe an. Die Sprungberufung führte zu einer Verböserung. Das Finanzgericht erkannte die Einmalprämie überhaupt nicht als Sonderausgabe an. Die von dem Bf. angewandten Rechtsformen seien, so führt das Urteil aus, gekünstelt. Ungewöhnlich sei nicht allein, daß der Bf. 91.148,70 DM aufgewendet und nicht unerhebliche Zinsen in den Jahren 1953 und 1954 getragen habe, um nach etwas mehr als zwei Jahren lediglich 90.000 DM zu empfangen. Ungewöhnlich sei auch, daß der Bf. durch die Bindung eines Kapitals im Rahmen eines Lebensversicherungsvertrages Steuern zu sparen suchte, obwohl der Gesetzgeber hierfür den Weg des Kapitalansammlungsvertrags zur Verfügung gestellt habe. Daß der Bf. diesen nicht benutzt habe, sei nur darauf zurückzuführen, daß er das in diesem Fall eingreifende Kreditaufnahmeverbot habe umgehen wollen. Eine Zerlegung der Einmalprämie in einen abzugsfähigen und einen nicht abzugsfähigen Teil sei nicht möglich. Sie könne demnach überhaupt nicht als Sonderausgabe anerkannt werden.
Mit seiner Rb. wehrt sich der Bf. gegen die Nichtberücksichtigung der Einmalprämie. Unter Hinweis auf die Darlegungen der Versicherungsgesellschaft und das von einem Professor erstattete Gutachten macht er geltend: Der Lebensversicherungsvertrag sei ernstlich gemeint gewesen. Die Versicherungsgesellschaft habe ein Risiko getragen. Sie habe, wäre er kurz nach Vertragsschluss gestorben, nur den ihr als Entgelt gewährten Nettobetrag von 82.886,40 DM zur Verfügung gehabt, weil der Mehrbetrag von (91.148,70 ./. 82.886,40 DM =) 8.262,30 DM zur Deckung von Unkosten, Versicherungsteuer und Zinsen habe aufgewendet werden müssen. Außer dem Normalrisiko habe die Versicherungsgesellschaft das Unfallrisiko getragen. Wäre er tatsächlich durch Unfall gestorben, so hätte die Versicherungsgesellschaft 180.000 DM zahlen müssen. Für Risiken dieser Art seien Lebens- und Unfallversicherungsverträge vorgesehen. Der Gesetzgeber habe sie nach dem klaren Wortlaut der in Betracht kommenden Vorschriften ohne jeden Vorbehalt begünstigt. Die Kreditaufnahme sei im Zusammenhang mit Lebensversicherungsprämien erst vom 1. Juni 1953 ab schädlich geworden. Ebenso seien Fristen, innerhalb deren im Fall von Einmalprämien die Versicherungssummen nicht ausgezahlt werden dürften, erst später eingeführt worden. Für den von ihm abgeschlossenen Versicherungsvertrag gälten solche Einschränkungen nicht. Es könne auch keine Rede davon sein, daß ein ungewöhnlicher - ein dem erstrebten Erfolg nicht angemessener - Weg gewählt worden sei. Welches Motiv dem Abschluß des Vertrages zugrunde gelegen habe, sei gleichgültig. Auch vom Standpunkt des Finanzgerichts aus hätten aber auf jeden Fall die in der Einmalzahlung enthaltenen Verzugszinsen für die Zeit vom 1. Januar 1952 bis 30. November 1952 in Höhe von 4.662,90 DM als Sonderausgabe, nämlich als Zinsen, berücksichtigt werden müssen, weil diese nicht Teil des versicherungsteuerpflichtigen Entgelts seien. Wäre der Lebensversicherungsvertrag in der Tat nicht anzuerkennen, so wäre die Versicherungsteuer zu Unrecht erhoben und ihm zu erstatten, was zur Folge hätte, daß ihm jedenfalls nicht auch dieser Betrag zugerechnet werden könnte. Schließlich müsse wenigstens die Risikoprämie für die Unfallversicherung in Höhe von 7.477,55 DM als abzugsfähig anerkannt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe a EStG 1951 sind Prämien zur Versicherung auf den Lebens- oder Todesfall bei der Veranlagung des Steuerpflichtigen als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig. Diese Vergünstigung kommt nicht nur für laufende Prämien, sondern auch für Einmalprämien in Betracht (vgl. das Urteil des erkennenden Senats VI 78/55 U vom 1. Februar 1957, BStBl 1957 III S. 103, Slg. Bd. 64 S. 268). Gleichwohl hat das Finanzgericht im Streitfall die Einmalprämie zu Recht als nicht berücksichtigungsfähig angesehen.
Der einkommensteuerlichen Begünstigung von "Prämien zu Versicherungen auf den Lebens- oder Todesfall" liegt der Gedanke des Schutzes und der Vorsorge zugrunde. Obwohl es sich um Aufwendungen der privaten Lebenshaltung und damit um grundsätzlich nicht abzugsfähige Aufwendungen handelt (vgl. § 12 EStG), sollen die Prämien bei der Einkommensermittlung als Sonderausgaben im Rahmen der Höchstbetragsgrenze berücksichtigt werden, um es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, einen Teil seiner - ohne diese Begünstigung voll erfaßten - Einkünfte dafür aufzuwenden, daß dem Grundgedanken der Lebensversicherung entsprechend entweder ihm oder seinen Angehörigen für den Fall der Not zur Deckung eines Vermögensbedarfs ein gewisses Kapital zur Verfügung steht, mag dieses nun bei Eintritt des Versicherungsfalles sofort in einer Summe oder laufend in Gestalt von Renten ausgezahlt werden (vgl. Becker, Handkommentar der Reichssteuergesetze, Bd. II, Das Einkommensteuergesetz, 1928, S. 599, Bemerkung 10 zu § 17). Ist ein Vertrag dieser Art abgeschlossen, so ist es, wie dem Bf. zuzugeben ist, für die einkommensteuerliche Begünstigung grundsätzlich gleichgültig, ob die Prämien aus den Einkünften oder aus dem Vermögen geleistet werden. Selbst wenn es dem Steuerpflichtigen auch oder in erster Linie um die steuerliche Vergünstigung ginge, würde das der steuerlichen Anerkennung des Vertrags grundsätzlich nicht entgegenstehen. Immer aber ist es für die steuerliche Anerkennung unerläßliche Voraussetzung, daß wirklich ein Lebensversicherungsvertrag vorliegt, wie er dem von dem Gesetz vorgestellten entspricht. Welchen Begriff der Lebensversicherung man auch für richtig halten mag (vgl. dazu Herrmannsdorfer, Versicherungswesen, 1928, § 6 S. 52), auf jeden Fall kann als "Versicherung auf den Lebens- oder Todesfall" im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe a EStG 1951 dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung entsprechend (vgl. auch § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -) nur ein Vertrag anerkannt werden, der nicht bloß der Form nach einen Lebensversicherungsvertrag darstellt, sondern auch seinem Inhalt nach dem Gedanken der Vorsorge dient.
Geht man von dem vorerwähnten Zweck der Begünstigung aus, so liegt es auf der Hand, daß hier nicht ein Vertrag gemeint sein kann, der, auch wenn er als "Lebensversicherungsvertrag" abgeschlossen und ernstlich gewollt ist, dem Steuerpflichtigen nicht nur nicht eine Vorsorge ermöglicht, sondern ihn in seinen Vorsorgemöglichkeiten sogar beeinträchtigt. So aber liegt es im Streitfall. Sieht man bei dem von dem Bf. abgeschlossenen "Lebensversicherungsvertrag" zunächst einmal von der - übrigens auch nach seiner Darstellung nur nebensächlichen - Zusatzvereinbarung für den Fall des Unfalltodes ab, dann tritt, wie das Finanzgericht zutreffend festgestellt hat, die wirtschaftliche Unsinnigkeit des Vertrages deutlich zutage. Um in etwa zwei Jahren 90.000 DM zu erhalten, hat der Bf. 91.148,70 DM an die Versicherungsgesellschaft gezahlt und die nicht unerheblichen Zinsen für den ihm gewährten Kredit in Kauf genommen. Selbst wenn man hiervon die "Prämie" für die "Unfallzusatzversicherung" absetzt, wird der Vertrag nicht sinnvoller. Daß alles das, was der Bf. - rein vom Vertrag aus gesehen - sinnlos aufwandte, weit durch die beabsichtigte Steuerersparnis gedeckt wurde und sich um eben dieses Mehrbetrags an Steuerersparnis willen sogar noch "lohnte", mag das Vorgehen des Bf. verständlich erscheinen lassen; das kann aber nicht dazu führen, in seinem Vertrag einen Lebensversicherungsvertrag im Sinne des § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe a EStG 1951 zu sehen. Von einem der Vorsorge dienenden Vertrag, wie er durch diese Vorschrift begünstigt sein soll, ist im vorliegenden Fall keine Rede. Hieran vermag auch die Zusatzvereinbarung über die Verdoppelung der Versicherungssumme für den Fall des Unfalltodes nichts zu ändern. Wie aus den Darlegungen der beteiligten Versicherungsgesellschaft hervorgeht, ist ihr der Abschluß einer Unfallversicherung nur als Zusatzversicherung im Rahmen einer Lebensversicherung erlaubt. Ohne diese wäre also die Zusatzversicherung gar nicht abgeschlossen worden. Dies rechtfertigt es, den wirtschaftlichen Gehalt des vorliegenden Vertrags auch nur nach dem Hauptgegenstand, also dem der "Lebensversicherung", zu beurteilen.
Wenn § 10 Abs. 1 Ziff. 2 Buchstabe a EStG 1951 schlechthin von "Prämien zu Versicherungen auf den Lebens- oder Todesfall" spricht, so schließt das, wie bereits ausgeführt, entgegen der Auffassung des Bf. nicht aus, dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift entsprechend nur solche Verträge als begünstigt anzusehen, die nicht nur der Aufmachung nach, sondern auch ihrem Gehalt nach Lebensversicherungsverträge sind. Es bedeutet, wenn nicht einen Mißbrauch, so doch ein Mißverstehen des Grundsatzes von Treu und Glauben, wenn der Bf. sich darauf beruft, daß er auf den Wortlaut der Vorschrift habe vertrauen können und in diesem seinem Vertrauen gegen eine dem Wortlaut widersprechende Auslegung der Vorschrift geschützt sein müsse (vgl. hierzu auch Becker, a. a. O., S. 598, Bemerkung 8 zu § 17, nach dem Prämien zu einer Unfallversicherung nicht abzugsfähig sind, wenn diese zugunsten leitender Angestellter für einige Jahre abgeschlossen worden ist unter der Vereinbarung der Prämienrückgewähr, falls der Unfall, wie erwartet, nicht eingetreten ist). Abgesehen davon, daß bei einer Auslegung in dem oben dargelegten Sinne allenfalls von einer einschränkenden, nicht aber von einer dem Wortlaut widersprechenden Auslegung gesprochen werden kann, kann sich auf Treu und Glauben sowie Vertrauensschutz nicht berufen, wer, wie der Bf. ganz offenbar bewußt, einen, wie das Finanzgericht zutreffend festgestellt hat, "gekünstelten" Weg gewählt hat. Es mag sein, daß der Bf. nicht daran gedacht hat, sich einen ungerechtfertigten Steuervorteil zu verschaffen. Auf jeden Fall aber ist er sich darüber klar gewesen oder hätte er sich darüber klar sein müssen, daß dem von ihm abgeschlossenen "Lebensversicherungsvertrag" der einem solchen Vertrag normalerweise eigene Sinngehalt fehlt. Daß ein derartiger Vertrag steuerlich begünstigt sei, konnte der Bf. vielleicht hoffen, nicht aber ernstlich erwarten.
Der hilfsweise geltend gemachte Abzug der neben der Einmalprämie gezahlten sogenannten Verzugszinsen ist nicht möglich. Wirtschaftlich handelt es sich nicht um Verzugszinsen, sondern um ein zusätzliches Entgelt dafür, daß der Beginn der Versicherung zurückdatiert worden ist. Wäre dies nicht geschehen, so wäre eben die Einmalprämie entsprechend höher gewesen. Was der Reichsfinanzhof für die Frage der Versicherungsteuerpflicht solcher Zahlungen entschieden hat, ist in dem hier zu beurteilenden Zusammenhang unerheblich. Die von dem Bf. gezahlten "Verzugszinsen" sind ein Teil der Einmalprämie und wie diese zu behandeln.
Daß der Lebensversicherungsvertrag steuerlich nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt hat, besagt nichts für die Frage seiner Rechtsgültigkeit und damit der Berechtigung der Besteuerung nach dem Versicherungsteuergesetz. Wie der Bf. und die Versicherungsgesellschaft übereinstimmend bekundet haben, ist - wovon auch der Senat ausgeht - der Vertrag ernsthaft geschlossen worden. Ob der Bf. gleichwohl einen Anspruch auf Erstattung der Versicherungsteuer hat, ist nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens. Um die Versicherungsteuer aber einkommensteuerlich im Gegensatz zu der Prämie selbst als Sonderausgabe anzuerkennen, fehlt es an jeder Rechtsgrundlage.
Schließlich kann auch dem Antrag des Bf., wenigstens die dem Unfallrisiko entsprechende Prämie als Sonderausgabe zu berücksichtigen, nicht entsprochen werden. Die Zusatzversicherung ist, wie aus den Darlegungen des Bf. wie auch der Versicherungsgesellschaft hervorgeht, nur im Zusammenhang mit dem Lebensversicherungsvertrag sinnvoll. Wäre dieser nicht abgeschlossen worden, wäre auch die Zusatzvereinbarung - nur zwischenzeitlich für zwei Jahre, allein auf den Unfalltod beschränkt und ohne Vorliegen eines besonderen Risikos - nicht getroffen worden. Sie kann nicht anders als der Hauptvertrag behandelt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 409536 |
BStBl III 1960, 46 |
BFHE 1960, 121 |
BFHE 70, 121 |