Leitsatz (amtlich)

1. Von Gemeinden in Eigenregie geführte Versorgungs- und Verkehrsbetriebe gehören zur fiskalischen Verwaltung, deren Handeln den Grundsätzen des Verwaltungsprivatrechts unterliegt.

2. Die Leiter solcher Versorgungs- und Verkehrsbetriebe können daher keine nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfreie Aufwandsentschädigung erhalten.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 12 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5, Art. 34; KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6; KStDV § 2; UStG § 2 Abs. 3; Beamtenrechtsrahmengesetz § 2; GemO NW vom 28. Oktober 1952; Eigenbetriebsverordnung Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 1953

 

Tatbestand

I. Sachverhalt und Entscheidung des FG

1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), ein Diplomingenieur, war im Jahr 1968 als technischer Leiter der Stadtwerke A tätig. Die Stadtwerke sind ein kommunaler Eigenbetrieb i. S. der Eigenbetriebsverordnung Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 1953 (Gesetzund Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen 1953 S. 435 - GVBl NW 1953, 435 -). Zu ihrem Aufgabenbereich gehört die Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, der Betrieb von öffentlichen Nahverkehrsmitteln sowie die Unterhaltung der Straßenbeleuchtung. Der Kläger erhielt von der Stadt A eine monatliche Aufwandsentschädigung von 80 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) unterwarf die Aufwandsentschädigung bei der Veranlagung für das Jahr 1968 der Einkommensteuer. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

2. Das FG gab der Klage statt. Es führte in dem in den EFG 1974, 458, veröffentlichten Urteil aus, die Aufwandsentschädigung sei nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG steuerfrei. Sie sei unstreitig von einer öffentlichen Kasse gezahlt worden. Der Kläger gehöre zu den "öffentliche Dienste leistenden Personen" i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH leisteten öffentliche Dienste auch Personen, die im Bereich der sogenannten schlichten Hoheitsverwaltung tätig seien. Der BFH habe zwar im Urteil vom 13. August 1971 VI R 391/69 (BFHE 103, 165, BStBl II 1971, 818) den Begriff der hoheitlichen Tätigkeit zur fiskalischen Tätigkeit nach dem Begriff der Staatshaftung des Art. 34 GG abgegrenzt. Er habe diese Auffassung jedoch im Urteil vom 20. Dezember 1972 VI R 309/68 (BFHE 108, 171, BStBl II 1973, 401) aufgegeben. Der BFH habe in dieser die Rangierbediensteten der Bundesbahn betreffenden Entscheidung hervorgehoben, im Vordergrund des Betriebes der Bundesbahn-stehe nicht das einem Wirtschaftsbetrieb eigene Streben nach Gewinn, sondern die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgaben der bestmöglichen Verkehrsbedienung. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit trete gegenüber dieser Daseinsvorsorge zurück. Da die Funktionsfähigkeit des als öffentliche Aufgabe anzusehenden Verkehrsbetriebes der Bundesbahn entscheidend von der Tätigkeit der Rangierbediensteten abhänge, sei deren Arbeitsleistung öffentlicher Dienst. Entsprechend diesen Grundsätzen leisteten die Personen "öffentliche Dienste" i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, deren Tätigkeitsbereich im öffentlichen Dienst dem öffentlichen Recht zuzurechnen sei. Es müsse sich um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben handeln, auf die die Grundsätze des öffentlichen Rechts Anwendung fänden. Es komme nicht darauf an, ob steuerrechtlich ein gewerblicher Betrieb einer Körperschaft des öffentlichen Rechts i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG vorliege. Zum Aufgabenbereich des Klägers als technischem Leiter der Stadtwerke gehöre die Versorgung der Bewohner der Stadt A mit Wasser, Gas und Elektrizität sowie die Organisation und Abwicklung des städtischen Nahverkehrs. Diese Aufgaben seien angesichts des Sozialstaatsprinzips öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge und damit unstreitig Teil der öffentlichen Verwaltung. Es sei nicht wesentlich, in welcher Rechtsform eine Aufgabe der Daseinsvorsorge erfüllt werde. Denn alles, was "funktionell" zur Daseinsvorsorge gehöre, sei nach öffentlichem Recht zu beurteilen (so auch Urteil des BGH vom 23. September 1969 VI ZR 19/68, BGHZ 52, 325 [329]). Die dem Kläger gezahlte Aufwandsentschädigung sei mithin steuerfrei, da sie weder für Verdienstausfall noch für Zeitverlust gewährt worden sei und offenbar nicht den entstandenen Aufwand übersteige.

II. Revision des FA

Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache vom FG zugelassenen Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Es meint, die Stadtwerke A seien als kommunaler Eigenbetrieb nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten organisiert. Sie nähmen freikonkurrierend am Wettbewerb mit Unternehmen der Privatwirtschaft teil, die gleiche oder ähnlich gelagerte Aufgaben erfüllten. Die Dienstleistungen würden bei richtiger Wertung aller Umstände auf gewerblicher Basis angeboten und erfüllten begrifflich nicht das Tatbestandsmerkmal "öffentliche Dienste" i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Sie lägen zwar im öffentlichen Interesse und seien vom Ergebnis her identisch mit der Erfüllung von Aufgaben, die oft unmittelbar von der öffentlichen Hand im Rahmen schlichten Verwaltungshandelns besorgt würden. Es sei jedoch im Streitfall entscheidend, daß sich die Stadtwerke A rein gewerblich betätigten. Der BFH habe unter diesen Voraussetzungen die Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG verneint. Das FG weiche insoweit von dem sogenannten Sparkassen-Urteil des BFH vom 13. August 1971 VI R 391/69 ab. Es berufe sich zu Unrecht auf das Bundesbahn-Urteil des BFH VI R 309/68. Es habe sich dort um die Entscheidung eines Einzelfalles gehandelt, bei der der BFH im Grundsatz ausdrücklich an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten habe. Die extensive Auslegung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG durch das FG widerspreche im übrigen dem legislativen Zweck des § 3 EStG. Die Vorschrift habe Ausnahmecharakter. Die enumerative Aufzählung von Befreiungstatbeständen gebiete eine einschränkende Anwendung der Vorschrift. Es sei ohnehin nicht einzusehen, warum ein noch größerer Kreis von Steuerpflichtigen in den Genuß dieser vom System her nicht ganz unbedenklichen Vergünstigung gelangen solle, die privaten Arbeitnehmern im wesentlichen verschlossen sei. Sollte der erkennende Senat die Rechtsansicht des FG billigen, so sei die Vorentscheidung jedenfalls deshalb aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen, weil das FG nicht geprüft habe, ob mit der Aufwandsentschädigung tatsächlich echte, beruflich veranlaßte Werbungskosten des Klägers abgegolten worden seien. Der Kläger habe selbst hervorgehoben, durch die Entschädigung werde ihm der Aufwand ersetzt, der ihm durch beruflich veranlaßte Ehrenämter entstanden sei.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen sowie hilfsweise, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

III. Stellungnahme des Klägers zur Revision

Der Kläger führt aus, es bestehe kein Rechtsgrundsatz, nach dem Steuerbefreiungsvorschriften eng auszulegen seien. Bei dem klaren Wortlaut des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sei es nach feststehenden Auslegungsregeln unzulässig, den vom Gesetzgeber im Interesse vereinfachter Rechtsanwendung bewußt gewählten Wortlaut "öffentliche Dienste" im Wege der Interpretation auf einen schwer abgrenzbaren Teilbereich der "öffentlichen Dienste" zu reduzieren. Der Begriff "öffentliche Dienste" werde vom BFH im materiellen Sinne verstanden und im Gegensatz zu den Diensten gesehen, die der Erfüllung erwerbswirtschaftlicher Zwecke dienten. Dem sei zuzustimmen. Der Kläger habe im Streitjahr 1968 öffentliche Dienste im materiellen Sinne geleistet. Die Stadt A habe zur Erfüllung "dringender öffentlicher Zwecke" (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen i. d. F. vom 11. August 1969 - GemO NW -, GVBl NW 1969, 656) einen Versorgungs-Eigenbetrieb unterhalten. Als Leiter des Betriebes habe der Kläger Dienste zur Erfüllung von "dringenden öffentlichen Zwecken" verrichtet und er habe die Stadt A in der Erfüllung dieser Verwaltungsaufgaben vertreten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Eigenbetriebsverordnung Nordrhein-Westfalen und BGH-Entscheidung VI ZR 19/68). Kommunale Eigenbetriebe seien zwar auch "Betriebe gewerblicher Art". Der BFH habe jedoch im Urteil vom 22. Juli 1964 I 136/62 U (BFHE 80, 235, BStBl III 1964, 559) die Sonderstellung solcher Betriebe anerkannt, indem er ausgeführt habe, der Eigenbetrieb lebe nicht wie die übrigen Unternehmen nach privatem, sondern nach öffentlichem Recht; der Betrieb einer Körperschaft des öffentlichen Rechts werde also völlig von der Körperschaft beherrscht.

Das FA stütze sich zu Unrecht auf das sogenannte "Sparkassen-Urteil" des BFH VI R 391/69. Der BFH habe dort zwar als Betriebe gewerblicher Art der öffentlichen Hand, die in Konkurrenz zu privaten Unternehmungen treten, Versorgungs- und Verkehrsbetriebe gewerblicher Art erwähnt. Er, der Kläger, sei jedoch nicht in einem Betrieb gewerblicher Art tätig gewesen, der in Konkurrenz zu privaten Unternehmungen stehe. Für den Betriebszweig Wasserversorgung bestehe nach dem BFH-Urteil vom 16. März 1965 I 277/62 (HFR 1965, 423) keine Konkurrenz zur Privatwirtschaft. Das gleiche gelte für die vom Kläger geleitete öffentliche Strom- und Gasversorgung. Das werde für jedermann deutlich, der auf den Gedanken kommen sollte, seinen Strom-, Gas- oder Wasserlieferanten wechseln zu wollen. Die während der Ölkrise in den Jahren 1973/1974 nicht gestiegenen Stromund Gaspreise hätten deutlich gezeigt, wie sehr diese Betriebszweige vom gemeinwirtschaftlichen Denken beherrscht würden. Nach den gleichen Gesichtspunkten sei auch der öffentliche Nahverkehr zu beurteilen, bei dem wegen der für viele Fahrgäste gültigen Sozialtarife die Einnahmen nicht mehr die Unkosten deckten. Die Bundesbahn sei daher bestrebt, den öffentlichen Nahverkehr an die Gemeinden abzustoßen, da es sich um gemeindliche Aufgaben handle. Der BFH habe im sogenannten Bundesbahn-Urteil VI R 309/68 die Aufwandsentschädigungen von Rangierbediensteten der Bahn als steuerfrei angesehen. Im Hinblick darauf, daß sich die Bundesbahn in manchen Städten, wie z. B. in München, mit kommunalen Verkehrsbetrieben zu einem Verkehrsverbund zusammengeschlossen habe, würde es einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG bedeuten, wenn Beamten gemeindlicher Verkehrsbetriebe die Steuerfreiheit von Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG versagt würde mit der Begründung, sie leisteten keine öffentlichen Dienste. Die Wirtschaftsführung kommunaler Eigenbetriebe nach § 9 Abs. 5 der Eigenbetriebsverordnung Nordrhein-Westfalen richte sich im übrigen nach den gleichen Grundsätzen wie die der Deutschen Bundesbahn nach § 28 des Bundesbahngesetzes. So "ist" für die Deutsche Bundesbahn eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals anzustreben, während die wirtschaftlichen Unternehmen der Gemeinden einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinden nur insoweit abwerfen "sollen", als "das mit der Erfüllung des dringenden öffentlichen Zweckes in Einklang zu bringen ist". Der Eigenbetrieb solle nach der herrschenden Meinung in der verwaltungsrechtlichen Literatur und der Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts in erster Linie dienen und nicht verdienen.

Der BFH habe im sogenannten Bundesbahn-Urteil VI R 309/68 wesentlich auf den Monopolcharakter der Bahn abgestellt und dabei ausgeführt, die Grundlage für die Erfüllung der Verpflichtung der Bahn zur Verkehrsbedienung bilde deren Netzsystem. Das gleiche müsse für kommunale Versorgungsbetriebe gelten, nur mit dem Unterschied, daß für sie nicht ein Schienen-Netzsystem, sondern das Netzsystem der Versorgungsleitungen für Strom, Gas und Wasser maßgebend sei. "Auf ihm beruhe die - wenn auch nicht de jure, so doch de facto bestehende - Monopolstellung" dort der Bundesbahn und hier der kommunalen Versorgungsbetriebe. Ihre Bediensteten, von denen die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Versorgung entscheidend abhänge, erfüllten ebenso wie die Bediensteten der Deutschen Bundesbahn "öffentliche Aufgaben". Das werde vom BGH ausdrücklich bestätigt. Der BFH habe im Urteil vom 15. März 1968 VI R 288/66 (BFHE 91, 11, BStBl II 1968, 437) betont, öffentliche Dienste i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG leisteten auch Personen, die Aufgaben der schlichten Hoheitsverwaltung erfüllten. Nach den BFH-Urteilen vom 17. April 1969 V B 53/68 (BFHE 95, 357, BStBl II 1969, 415) und vom 15. März 1972 I R 232/71 (BFHE 105, 27, BStBl II 1972, 500) sei "allgemein anerkannt", daß alle Betriebe, "die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen, ... öffentliche Gewalt ausüben und zur sogenannten 'schlichten Hoheitsverwaltung' gehören".

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen sowie hilfsweise,

a) falls der erkennende Senat von der Rechtsprechung des VI. Senats des BGH abweichen sollte, die Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes und

b) falls der erkennende Senat von der Rechtsprechung des I. Senats des BFH abweichen sollte, die Rechtsfrage dem Großen Senat des BFH vorzulegen.

 

Entscheidungsgründe

IV. Entscheidung des Senats

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG sind Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen einkommensteuerfrei, soweit sie nicht für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen.

1. Zum Begriff "öffentliche Dienste" in § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG

a) Der Senat hat diese Vorschrift unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung im Grundsatzurteil VI R 288/66 dahin ausgelegt, daß "öffentliche Dienste" nicht nur die Personen leisten, die öffentlich-rechtliche (hoheitliche) Dienste erbringen, sondern auch die Personen, die Aufgaben der sogenannten "schlichten Hoheitsverwaltung" erfüllen. Der Senat hat an dieser Auffassung in dem von den Beteiligten erwähnten Sparkassen-Urteil VI R 391/69 festgehalten. Er hat sich dabei von der Erwägung leiten lassen, daß Aufwandsentschädigungen aus öffentlichen Kassen im allgemeinen nicht übersetzt sind und daß es nicht einleuchtet, warum die Steuerfreiheit nur bei Betätigung in Ausübung öffentlicher Gewalt gelten soll. Es ist aber nicht vertretbar, die Vorschrift auf den Bereich der fiskalischen Verwaltung gewerblicher Art anzuwenden. Wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft oder Anstalt sich gewerblich betätigt, so kann sie damit in Konkurrenz zu anderen Unternehmen treten, die in vollem Umfang den Grundsätzen des Privatrechts unterliegen und für deren Bedienstete eine dem § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG vergleichbare Steuerbefreiungsvorschrift nicht besteht. Es kann nicht unterstellt werden, der Gesetzgeber habe durch eine ungleiche Behandlung von Bediensteten von miteinander in Konkurrenz stehenden Unternehmen in den freien Wettbewerb wirtschaftlicher Betätigung eingreifen wollen. Diese Überlegung wird gestützt durch einen Vergleich mit Art. 34 GG, der die sogenannte Staatshaftung begründet, wenn jemand "in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes" die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Diese Vorschrift gleicht dem früheren Art. 131 der Weimarer Verfassung, der bei der Staatshaftung noch von der Ausübung "öffentlicher Gewalt" sprach. Nach der zu Art. 34 GG und zu Art. 131 der Weimarer Verfassung ergangenen Rechtsprechung fallen unter die Staatshaftung hoheitliche Tätigkeiten einschließlich der untergeordneten oder nur mittelbar der Verwirklichung hoheitlicher Aufgaben dienende Handlungen, nicht aber fiskalische Betätigungen des Staates oder der Gemeinden. Der Senat wies in der Entscheidung VI R 391/69 im übrigen darauf hin, daß auch das Körperschaftsteuerrecht zwischen Hoheitsverwaltung und fiskalischer Verwaltung unterscheidet, indem es in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG nur Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts der unbeschränkten Steuerpflicht unterwirft. Der Senat hat deshalb zur Beantwortung der Frage, welche Personen "öffentliche Dienste" i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG leisten, die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Auslegung des Art. 34 GG und § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG mit herangezogen, um auf diese Weise den Bereich der fiskalischen Verwaltung von dem der hoheitlichen und schlicht hoheitlichen Tätigkeit abzugrenzen.

Die in § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG gezogene Trennungslinie, nach der Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts der Körperschaftsteuer unterliegen, ist im übrigen nach § 2 Abs. 3 UStG 1967/1973 auch für die Umsatzsteuerpflicht solcher Unternehmen maßgebend. Die zu den Vorschriften des Körperschaftsteuergesetzes ergangene Rechtsprechung ist mithin nicht nur für § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG, sondern auch für diese Frage von Bedeutung, wenn auch keine unbedingte Bindung des Umsatzsteuerrechts an das Körperschaftsteuerrecht besteht (vgl. Sölch-Ringleb-List-Müller, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 2 Anm. 106).

b) Die Einwendungen des Klägers in diesem Verfahren und von Gemeinden in beim Senat anhängigen anderen Revisionsverfahren wegen der gleichen Streitfrage veranlassen den erkennenden Senat nicht zur Änderung seiner, inzwischen auch vom IV. Senat des BFH im Urteil vom 9. Mai 1974 IV R 160/71 (BFHE 112, 481, BStBl II 1974, 631) übernommenen Rechtsprechung. Er hat an diesen Grundsätzen, wie unten zu 4 b noch erläutert wird, auch in dem sogenannten Bundesbahn-Urteil VI R 309/68 festgehalten.

Es trifft zu, daß die Worte "öffentliche Dienste leistende Personen" in § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG an Rechtsbegriffe des Beamtenrechts anknüpfen. So heißt es insbesondere in § 2 des Beamtenrechtsrahmengesetzes, die Berufung in das Beamtenverhältnis setze voraus, daß von den zu Berufenden "öffentliche Dienste" zu leisten sind. Es kann dahingestellt bleiben, in welchem Sinn dort der Begriff "öffentliche Dienste" zu verstehen ist; denn der erkennende Senat hat im Streitfall eine steuerrechtliche Befreiungsvorschrift auszulegen. Hierfür sind in erster Linie nicht beamtenrechtliche Grundsätze, sondern der Sinn und Zweck des Steuerbefreiungstatbestandes maßgebend, die, wie dargelegt, ein Ausscheiden fiskalischer Tätigkeiten von Bediensteten der öffentlichen Hand unabweislich gebieten. Es ist deshalb für die Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG auch ohne Bedeutung, unter welchen beamtenrechtlichen Voraussetzungen die öffentliche Hand Aufwandsentschädigungen gewährt. Es gibt insbesondere keinen durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums, nach dem auf Beamte im Rahmen der fiskalischen Verwaltung alle Vorschriften des öffentlichen Dienstes anzuwenden sind. Sonst würden für sie auch die Grundsätze der Staatshaftung gelten, was, wie dargelegt, nicht der Fall ist. Es mag sein, daß es im Einzelfall oft schwierig ist, die fiskalische Tätigkeit von hoheitlichem oder schlicht hoheitlichem Handeln zu trennen, zumal die Grenze im öffentlichen Recht oft anders zu ziehen ist als im zivilen Haftungsrecht. Der Senat hat gerade deshalb im Hinblick auf die für die Handhabung in der Praxis notwendige Typisierung als Anhaltspunkte für die Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG die Rechtsprechung der Zivilgerichte zu Art. 34 GG und die der Steuergerichte zu § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG herangezogen. Soweit jemand teils fiskalisch und teils hoheitlich tätig wird, ist entscheidend, welche Art der Tätigkeit bei ihm überwiegt (vgl. BFH-Urteil vom 17. August 1962 VI 315/61 U, BFHE 75, 541, BStBl III 1962, 466).

Die nach Ansicht des Senats notwendige Differenzierung bei der Auslegung des Begriffs "öffentliche Dienste" im Rahmen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG führt nicht zu ungerechtfertigten Steuernachteilen. Es bleibt den in der fiskalischen Verwaltung tätigen Beamten und Angestellten unbenommen, die ihnen durch den Dienst erwachsenden Ausgaben im einzelnen als Werbungskosten geltend zu machen und zu belegen. Einen solchen Nachweis müssen auch alle anderen Arbeitnehmer führen, die in Unternehmungen tätig sind, die voll den Grundsätzen des Privatrechts unterliegen oder die mit Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts in Konkurrenz treten.

2. Die Tätigkeit von Leitern der in Eigenregie geführten kommunalen Versorgungs - und Verkehrsbetriebe

a) Versorgungsbetriebe wie Wasser-, Gas- und Elektrizitätswerke sowie Nahverkehrsbetriebe dienen stets öffentlichen Zwecken (vgl. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 143, sowie Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 23. Dezember 1957 Vf. 107, 114, 117 - VII - 56, Die Öffentliche Verwaltung 1958 S. 216 - DÖV 1958, 216). Sie erfüllen öffentliche Aufgaben der Daseinsvorsorge. Die Gemeinden können die Daseinsvorsorge nach herrschender Meinung sowohl hoheitlich als auch privatrechtlich ausüben (vgl. Juristische Kurzlehrbücher, Verwaltungsrecht, I, 9. Aufl.; von Wolff/Bachof, § 23 IV b, sowie Entscheidungen des BVerwG vom 23. Juli 1958 V C 328.56, BVerwGE 7, 180, und vom 21. Juli 1964 I C 60.61, DÖV 1964, 710). Das hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Werden Versorgungsbetriebe und Nahverkehrsbetriebe wie im Streitfall als kommunale Eigenbetriebe i. S. des § 69 Abs. 1 Satz 1 der im Streitjahr 1968 noch gültigen Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1952 (Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen 1945 bis 1956 S. 167), der wörtlich mit § 69 Abs. 1 Satz 1 GemO NW vom 11. August 1969 übereinstimmt, organisiert, so handelt es sich um "wirtschaftliche Unternehmen" der Gemeinden. Sie fallen in den Bereich der fiskalischen Verwaltung, da sie nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen zu führen sind. Sie sollen nach § 76 GemO NW vom 28. Oktober 1952 (§ 76 GemO NW vom 11. August 1969) "einen Ertrag für den Haushalt der Gemeinden abwerfen, soweit das mit der Erfüllung des dringenden öffentlichen Zwecks in Einklang zu bringen ist". Dementsprechend bestimmt § 9 Abs. 5 der Eigenbetriebsverordnung Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 1953, der Jahresgewinn des Eigenbetriebs "soll so hoch sein, daß außer dem notwendigen Rücklagekapital ... mindestens eine marktübliche Verzinsung des Eigenkapitals erwirtschaftet wird".

Die privatwirtschaftliche Wirtschaftsführung kommunaler Versorgungs- und Verkehrsbetriebe in Eigenregie der Gemeinden wird allerdings im Hinblick auf ihren öffentlich-rechtlichen Zweck der Daseinsvorsorge durch mancherlei öffentlich-rechtliche Bindungen und Verpflichtungen eingeschränkt. Ihre Tätigkeit ist deshalb aber nicht als schlicht hoheitliche Verwaltung anzusehen. Sie fällt vielmehr in den Bereich des sogenannten Verwaltungsprivatrechts (vgl. Wolff/Bachof, a. a. O., § 23 II b; Rüfner, a. a. O., S. 402 ff.). Das Verwaltungsprivatrecht umfaßt fiskalische Tätigkeiten von Trägern der öffentlichen Verwaltung, die im Hinblick auf öffentlich-rechtliche Ziele der zu bewältigenden Aufgaben zwar fiskalische Tätigkeiten bleiben, die aber nicht in den Vollgenuß rechtsgeschäftlicher Privatautonomie gelangen. Die öffentlich-rechtlichen Bindungen, die auch für Privatpersonen gelten können, können z. B. in einem Kontrahierungszwang, Kündigungsbeschränkungen, Betriebspflichten, Tarifgenehmigungen und anderen normativen Festlegungen von Vertragsinhalten bestehen. Gegenseitige vertragliche Rechtsbeziehungen kommen auch ohne individuellen vertraglichen Begründungsakt oder bei Mängeln im Abschluß des nicht frei aushandelbaren Vertrages, also auch bei fehlender Geschäftsfähigkeit oder Irrtum, zustande. Die privatrechtlichen Regeln über Willenserklärungen sind ebenfalls nur beschränkt und modifiziert anwendbar (Wolff/Bachof, a. a. O., § 23 II b Nr. 2 und 3; Rüfner, a. a. O., S. 393 ff.; Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., § 839 Anm. 28 und 29, und die dort zitierte Literatur).

b) Die Leiter von Versorgungs- und Verkehrsbetrieben als kommunale Eigenbetriebe leisten mithin keine "öffentlichen Dienste" i. S. des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Daß Betriebe dieser Art trotz ihrer gemeindlichen Aufgaben zum fiskalischen Bereich der öffentlichen Verwaltung gehören, hat der Senat bereits im sogenannten Sparkassen-Urteil VI R 391/69 erwähnt. Auf sie treffen auch die Abgrenzungsmerkmale fiskalischer Tätigkeit gegenüber der schlicht hoheitlichen Verwaltung zu, die der Senat in dieser Entscheidung hervorgehoben hat. So richten sich Haftungs- und Ersatzansprüche im Bereich des für kommunale Verkehrs- und Versorgungsbetriebe maßgebenden Verwaltungsprivatrechts allein nach privatrechtlichen Grundsätzen und nicht nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG; denn hier ist allein entscheidend, daß der Träger öffentlicher Verwaltung privatrechtlich vorgeht, nicht aber, ob damit unmittelbar öffentliche Zwecke verfolgt werden oder nicht (vgl. Wolff/Bachof, a. a. O., § 23 II b Nr. 4, und Soergel-Siebert, a. a. O., Anm. 29). Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts, "die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen", unterliegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG i. V. m. dem hierzu ergangenen § 2 KStDV auch ausdrücklich der Körperschaftsteuer.

Es ist im Rahmen des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ohne Bedeutung, daß kleinere Versorgungsbetriebe u. U. deshalb nicht der Körperschaftsteuer unterliegen, weil nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil des RFH vom 9. Dezember 1932 I A 294/32, RStBl 1933, 53; BFH-Urteile vom 24. Oktober 1961 I 105/60 U, BFHE 73, 785, BStBl III 1961, 552, und vom 16. März 1965 I 277/62, StRK, Körperschaftsteuergesetz, § 1, Rechtsspruch 56) und Abschn. 4 Abs. 1 KStR eine Tätigkeit nur dann als Betrieb gewerblicher Art i. S. des Körperschaftsteuerrechts anzusehen ist, wenn sie von einigem Gewicht ist, d. h. in der Regel, wenn der durchschnittliche Jahresgewinn etwa 2 000 DM beträgt. Daraus folgt nicht, daß die Leiter körperschaftsteuerfreier Kleinbetriebe der öffentlichen Hand einkommensteuerfreie Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG beziehen können. Denn Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, wie dargelegt, nicht deshalb von der Körperschaftsteuer befreit, weil sie eine andere Art von Tätigkeit als größere kommunale Versorgungsbetriebe ausüben.

3. Abgrenzung zur übrigen höchstrichterlichen Rechtsprechung

a) Die Auffassung des Senats steht entgegen dem Vortrag einer Gemeinde in einem Parallelprozeß nicht in Widerspruch zum Urteil des BAG vom 29. Juli 1959 3 AZR 210/57 (BAGE 8, 84). Die Entscheidung betraf die ganz andere Frage, ob Arbeitnehmer privatrechtlich selbständiger Gesellschaften von Gemeinden und Gemeindeverbänder unter § 63 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 GG fallenden Personen fallen, eine Frage, die sich nicht nach der Art der Tätigkeit, sondern danach richtete, ob ein öffentlich-rechtlicher Dienstherr vorhanden war oder nicht.

b) Der Senat setzt sich mit seiner Entscheidung, daß kommunale Versorgungs- und Verkehrsbetriebe zum fiskalischen Bereich der Verwaltung zählen, die im Rahmen des Verwaltungsprivatrechts handeln, allerdings in Widerspruch zu den Urteilen des V. Senats des BFH V B 53/68 und des I. Senats des BFH I R 232/71, die dort ausgeführt haben, es sei "im öffentlichen Recht ... allgemein anerkannt", daß "Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen", "soweit sie nicht in Rechtsformen des Privatrechts tätig werden, öffentliche Gewalt ausüben und zur sogenannten 'schlichten Hoheitsverwaltung' gehören". Der Senat braucht deswegen jedoch nicht entsprechend dem Antrag des Klägers nach § 11 Abs. 3 FGO den Großen Senat des BFH anzurufen, weil diese Ausführungen für die dortigen Entscheidungen des I. und V. Senats des BFH nicht tragend waren. Es kam hierauf nicht an, weil § 2 KStDV und § 2 Abs. 3 UStG i. V. m. § 2 KStDV Betriebe dieser Art ausdrücklich der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer unterwirft.

c) Der Kläger meint, der Senat würde, wenn er kommunale Stadtwerke als Eigenbetriebe der Gemeinden zum fiskalischen Bereich der öffentlichen Verwaltung rechne, ebenfalls vom Urteil des I. Senats des BFH I 136/62 U und vom BGH-Urteil VI ZR 19/68 abweichen, weil es dort bezüglich kommunaler Regiebetriebe in Form von Versorgungs- und Verkehrsbetrieben heißt: "ein Eigenbetrieb lebt ... nicht nach privatem, sondern nach öffentlichem Recht" (BFH-Urteil I 136/62 U) bzw. "diese Betätigung der Gemeinden dient lebenswichtigen Bedürfnissen der Gemeinschaft, gehört daher zur Daseinsvorsorge und ist deshalb öffentliche Verwaltung und nicht privatwirtschaftliche Tätigkeit" (BGH-Urteil VI ZR 19/68).

Diese Rechtsprechung deckt sich insoweit mit der Ansicht des Senats, als - wie oben hervorgehoben wurde - die Tätigkeit kommunaler Versorgungs- und Verkehrsbetriebe in vieler Hinsicht öffentlich-rechtlichen Beschränkungen und Verpflichtungen unterworfen ist. Sollte hierin trotzdem eine Abweichung des Senats von den genannten Urteilen gesehen werden können, so entfällt gleichfalls eine Anrufung des Großen Senats des BFH bzw. (im Hinblick auf das BGH-Urteil VI ZR 19/68) eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, weil die oben wörtlich wiedergegebenen Sätze für die Urteile des I. Senats des BFH und des VI. Senats des BGH nicht entscheidungserheblich waren. Der BFH entschied durch das Urteil I 136/62 U, daß beim Verkauf eines nichtselbständigen Versorgungsbetriebs (Regiebetriebs) durch die Stadt an eine AG die nicht auf den Erwerber übergegangenen Gegenstände in das allgemeine Gemeindevermögen zurückfallen, weil das gesondert festzustellende Vermögen eines solchen Eigenbetriebs Vermögen der Gemeinde bleibt. Der BGH hatte im Urteil VI ZR 19/68 über die Frage zu befinden, ob eine AG, die den Personenverkehr mit Straßenbahnen und Omnibussen betreibt und deren Aktien sämtlich einer Stadt gehörten, bei der Gestaltung ihrer Tarife die die öffentliche Verwaltung bindenden Grundsätze, wie vor allem den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, zu beachten hat, was der BGH bejahte.

4. Zu den sonstigen Einwendungen des Klägers

a) Der Kläger räumt selbst ein, daß es sich bei den Stadtwerken A. bei denen er im Streitjahr 1968 angestellt war, um einen Eigenbetrieb gewerblicher Art handelt. Dem steht nicht entgegen, daß kommunale Eigenbetriebe auch dringende öffentliche Zwecke zu erfüllen haben und daß die Gemeinden nach § 69 Abs. 1 Satz 1 GemO NW vom 28. Oktober 1952 (§ 69 Abs. 1 Satz 1 GemO NW vom 11. August 1969) wirtschaftliche Unternehmen ohnehin nur gründen dürfen, "wenn ... ein dringender öffentlicher Zweck das Unternehmen erfordert". Denn Gemeinden können gemäß den obigen Ausführungen Aufgaben der Daseinsvorsorge auch auf privatrechtlicher Basis wahrnehmen. Aufgaben der Wasserbeschaffung gehören nach der körperschaftsteuerlichen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile I 277/62 und vom 15. März 1972 I R 232/71, BFHE 105, 27, BStBl II 1972, 500) zwar zur Ausübung öffentlicher Gewalt, da "die Wasserbeschaffung der Bevölkerung ... zweifellos keine Sache für jedermann" ist. Nach dem BFH-Urteil I R 232/71 gilt das hingegen nicht für die Durchführung der Wasserversorgung, da diese Aufgabe einer Körperschaft des öffentlichen Rechts als Trägerin der öffentlichen Gewalt weder eigentümlich noch vorbehalten ist. Entgegen dem Vortrag des Klägers sind auch die Versorgung der Bevölkerung mit Strom, Gas und Wärme sowie der öffentliche Nahverkehr keine der Gemeinde eigentümlichen und vorbehaltenen Aufgaben. Das zeigen die örtlichen und überörtlichen privatwirtschaftlich organisierten und mit Gewinn arbeitenden Elektrizitäts- und Gasversorgungsunternehmen (wie z. B. die RWE-Aktiengesellschaft, die Ferngasunternehmen im rheinisch-westfälischen Industriegebiet) und die im städtischen Nahverkehr tätigen privaten Verkehrsunternehmen mit Autobussen und Fähren, die teilweise sogar im Auftrag der Bundesbahn fahren.

b) Der Kläger beruft sich zu Unrecht auf das sogenannte Bundesbahn-Urteil des Senats VI R 309/68. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des FA handelt es sich bei der dortigen Entscheidung nur um eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern, nämlich um die im Rangierdienst tätigen Bediensteten der Deutschen Bundesbahn. Das Urteil kann daher nicht ohne weiteres auf alle Bediensteten der Bundesbahn (vgl. hierzu den im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen und den obersten Finanzbehörden der Länder ergangenen Erlaß des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25. April 1974 S 2332-9-V B 3, LSt-Kartei NW Anweisung 45 zu § 4 Nr. 1 und 2 LStDV) und erst recht nicht auf die kommunalen Verkehrsbetriebe angewandt werden. Die Deutsche Bundesbahn nimmt, wie der Senat damals ausführte, eine Sonderstellung ein, da sie mit ihrem Bahnnetz einen wesentlichen Bestandteil der verkehrsmäßigen Infrastruktur der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Sie ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 KStG von der Körperschaftsteuer befreit, und ihr Betrieb ist ohne die verantwortungsvolle Tätigkeit der Rangierbediensteten nicht denkbar. Anders liegen hingegen die Verhältnisse bei den Werkleitern kommunaler Verkehrs- und Versorgungsbetriebe. Diese Betriebe unterliegen nach § 2 KStDV ausdrücklich der Körperschaftsteuer. Ein Streik von Rangierbediensteten der Bundesbahn würde den Verkehrsbetrieb lahmlegen, der von Werkleitern kommunaler Verkehrsbetriebe hingegen nicht.

Der Senat hat im übrigen im Urteil VI R 309/68 ausdrücklich Betont, er halte an den Grundsätzen seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG fest. Die Ausführungen des Senats über den Monopolcharakter der Bundesbahn können nicht isoliert für sich gesehen werden. Monopolbetriebe, wie sie unstreitig auch kommunale Versorgungsbetriebe für ihren regionalen Bereich darstellen, sind für sich allein noch kein Indiz dafür, daß ihre Bediensteten hoheitlich oder schlicht hoheitlich tätig sind. So ist z. B. nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile VI 315/61 U und vom 18. Februar 1970 I R 157/67, BFHE 99, 42, BStBl II 1970, 519, und die im erstgenannten Urteil erwähnte Entscheidung des BVerfG vom 27. Oktober 1959 2 BvL 5/56, BVerfGE 10, 141) bei öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten die Eigenschaft als gewerblicher Betrieb nicht deshalb zu verneinen, weil eine solche Versicherungsanstalt mit Zwangs- oder Monopolrechten für ein Gebiet des Bundes ausgestattet ist.

Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, daß trotz Zusammenarbeit der Bundesbahn mit anderen Verkehrsbetrieben in einem Verkehrsverbund zwecks Bewältigung des großstädtischen Nahverkehrs die Bediensteten der angeschlossenen kommunalen Verkehrsbetriebe in Eigenregie der Gemeinden für vom Arbeitgeber gewährte Zulagen nicht die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG genießen. Der Kläger übersieht, daß das sogenannte Bundesbahn-Urteil VI R 309/68, wie dargelegt, nicht so verallgemeinernd angewandt werden kann. Im übrigen sind in einem solchen Verkehrsverbund oft auch private Verkehrsunternehmen eingeschlossen, deren Arbeitnehmer ohnehin keine steuerfreie Aufwandsentschädigung erhalten können.

5. Zusammenfassung

Der Kläger erhielt zwar im Streitjahr 1968 eine Aufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse. Sie ist jedoch nicht nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG einkommensteuerfrei, da der Kläger als technischer Leiter der für die Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung sowie für den öffentlichen Nahverkehr und die Straßenbeleuchtung zuständigen Stadtwerke jedenfalls nicht überwiegend "öffentliche Dienste" i. S. dieser Vorschrift leistete. Das FA hat daher zu Recht die Aufwandsentschädigung nicht als steuerfrei behandelt. Es kommt mithin nicht mehr darauf an, ob mit ihr ihm Streitfall tatsächlich Ausgaben mit Werbungskostenqualität abgegolten worden sind. Dem Kläger hätte es freigestanden, betrieblich veranlaßte Aufwendungen als Werbungskosten im einzelnen geltend zu machen, falls sie den Werbungskostenpauschbetrag von 564 DM übersteigen sollten. Das hat er jedoch unterlassen.

Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 71409

BStBl II 1975, 563

BFHE 1975, 118

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Finance Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge