Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsaufwendungen für ,,gemischte" Kontokorrentschulden als Betriebsausgaben
Leitsatz (NV)
1. Ergibt sich aus der Revisionsbegründung eindeutig, daß die Verletzung des § 4 Abs. 4 EStG gerügt wird, so bedarf es zur Zulässigkeit der Revision nicht der besonderen Bezeichnung dieser Gesetzesvorschrift.
2. Zur Ermittlung des betrieblich veranlaßten Teils der Schuldzinsen bei einem ,,gemischten" Kontokorrentkonto (wie BFH-Urteil vom 15. November 1990 IV R 20/89, BFH/NV 1991, 731).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger betreibt ein Baugeschäft. Der Gewinn wird durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Im Jahre 1972 schloß der Kläger private Lebensversicherungen ab. Die Versicherungsbeiträge wurden über das betriebliche Kontokorrentkonto des Klägers bezahlt. Im Jahre 1973 gewährte der Kläger der Klägerin ein Darlehen über . . . DM zur Finanzierung eines Bauvorhabens der Klägerin. Der Kläger hatte sich die Darlehensmittel durch Erhöhung seines Kontokorrentkredits verschafft. Der Kläger zog die auf seine Kontokorrentschuld entfallenden Schuldzinsen in den Streitjahren (1975 und 1976) als Betriebsausgaben ab.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, durch die Darlehensaufnahme für das Bauvorhaben und die Zahlung der Versicherungsbeiträge vom Kontokorrentkonto seien außerbetriebliche Verbindlichkeiten des Klägers in Höhe von . . . DM (Darlehen an Ehefrau) und von . . . DM im Jahre 1975 und . . . DM im Jahre 1976 (Versicherungsbeiträge) entstanden. Die auf diese Verbindlichkeiten entfallenden Schuldzinsen wurden für 1975 mit 8,8 v. H. und für 1976 mit 5,9 v. H. der genannten Beträge ermittelt und nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen. Der Einspruch dagegen wurde als unbegründet zurückgewiesen. Auch die Klage blieb im Streitpunkt ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen und der Beschwerde dagegen nicht abgeholfen.
Zur Begründung der vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen Revision verweisen die Kläger auf das Senatsurteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80 (BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725), ,,hier insbesondere auf die Ausführungen im letzten Absatz dieses Urteils". Die Kläger beanstanden die Berechnung des als nicht abzugsfähig angesehenen Teils der Kontokorrentzinsen. Sie hätten auf den in Frage kommenden Bankkonten Umsätze in Millionenumfang getätigt, nämlich 1975 . . . DM auf der Sollseite und . . . DM auf der Habenseite und 1976 . . . DM auf der Sollseite und . . . DM auf der Habenseite des Kontos bei der Stadtsparkasse. Es müsse deshalb davon ausgegangen werden, daß durch Zahlungseingänge jeweils nach kurzer Zeit auch die privat veranlaßten Kredite (anteilig) getilgt worden seien. Genauere Feststellungen dazu müßten durch das FG getroffen werden.
Das FA ist der Auffassung, die Revisionsbegründung entspreche nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
I. Die Revision ist zulässig.
Nach § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO muß die Revisionsbegründung oder die Revision u. a. einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen. Dem wird die Revisionsbegründung der Kläger gerecht. Diese enthält einen bestimmten Antrag. Aus dem Sachzusammenhang ergibt sich auch eindeutig, daß die Verletzung des § 4 Abs. 4 EStG gerügt wird, so daß es der besonderen Bezeichnung dieser Gesetzesvorschrift durch Anführung des entsprechenden Paragraphen nicht bedurfte (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juli 1986 VII R 113/82, BFH/NV 1986, 748). Denn es wird unter Berufung auf ein genau bezeichnetes Urteil des BFH einerseits und unter Hinweis auf die Berechnungsmethode des FA andererseits die Auffassung vertreten, durch die eingegangenen Zahlungen seien nach kurzer Zeit anteilig auch die als privat angesehenen Verbindlichkeiten getilgt worden. Mit diesen Ausführungen genügen die Kläger auch dem sich aus § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ergebenden Erfordernis (vgl. z. B. Senatsbeschluß vom 28. November 1988 IV R 9/87, BFH/NV 1989, 790), daß es in der Revisionsbegründung einer wenigstens kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung bedarf.
II. Die Revision ist auch begründet.
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß eine Aufteilung der Zinsen in betrieblich und privat veranlaßte geboten war und daß nur die betrieblich veranlaßten Zinsen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abgezogen werden können. Der Große Senat des BFH hat inzwischen entschieden, daß eine solche Aufteilung stets geboten ist, wenn ein Negativsaldo auf einem betrieblichen Kontokorrentkonto sowohl durch betrieblich als auch durch privat veranlaßte Auszahlungen entsteht oder sich erhöht (Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817). Die zivilrechtlich einheitliche Kontokorrentschuld muß dann für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung in eine Betriebs- und eine Privatschuld aufgeteilt werden. Die Kontokorrentzinsen sind Betriebsausgaben, soweit sie anteilig auf den betrieblich veranlaßten Teil der Kontokorrentschuld entfallen. Der betrieblich und der privat veranlaßte Teil der Schuldzinsen sind grundsätzlich nach der Zinszahlenstaffelmethode zu errechnen. Dies gilt auch, wenn, wie im Streitfall, der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 EStG ermittelt wird. Das FG hat auch zutreffend erkannt, daß die Aufnahme der Mittel für das private Bauvorhaben der Klägerin und die Zahlung der Lebensversicherungsbeiträge privat veranlaßte Zahlungen waren und zu einer Aufteilung der Kontokorrentzinsen in diesem Sinne führen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig.
2. Nicht gefolgt werden kann der Vorinstanz hingegen bei der Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Kontokorrentzinsen. Wie sich nunmehr aus dem angeführten Beschluß des Großen Senats, auf den insoweit verwiesen wird, ergibt, führen Habenbuchungen, insbesondere auch eingehende Betriebseinnahmen, grundsätzlich zu einer anteiligen Tilgung der negativen Salden auf dem betrieblichen wie auf dem privaten Unterkonto. Darüber hinaus kann der Steuerpflichtige nach dem Rechtsgedanken des § 366 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch abweichende Verbuchung in seiner Buchführung bestimmen, daß vorrangig der Schuldsaldo auf dem privaten Unterkonto getilgt wird. Demgegenüber haben FA und FG unterstellt, die durch die privaten Zahlungen entstandenen Verbindlichkeiten hätten während des Streitjahrs ununterbrochen in ihrer ursprünglichen Höhe fortbestanden. Das Urteil des FG mußte deshalb aufgehoben werden.
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird bei seiner erneuten Verhandlung Feststellungen darüber treffen müssen, in welchem Umfang die entstandenen privaten Verbindlichkeiten während der Streitjahre durch eingehende Zahlungen getilgt worden sind. Dabei wird das FG dem Kläger auch Gelegenheit geben, noch nachträglich eine den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 entsprechende Zinszahlenstaffelrechnung mit getrennten Unterkonten vorzulegen. Wird eine Zinszahlenstaffelrechnung dieser Art nicht vorgelegt und sind bei einem umfangreichen Zahlungsverkehr über das Kontokorrentkonto mit zahlreichen teils betrieblich, teils privat veranlaßten Sollbuchungen Buchführung und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen nicht so beschaffen, daß eine zu zutreffenden Ergebnissen führende Zinszahlenstaffelrechnung vom FA oder FG noch nachträglich ohne unzumutbaren Zeit- und Arbeitsaufwand erstellt werden kann, so ist der betrieblich veranlaßte Teil der Schuldzinsen unter Beachtung der Grundsätze des Beschlusses in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 durch Schätzung nach § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ermitteln.
Fundstellen
Haufe-Index 417596 |
BFH/NV 1992, 447 |