Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Berechnung der erheblichen Zeitersparnis im Seine der Entscheidung IV 453/53 U vom 3. März 1955 (BStBl III S. 104) ist in der Regel nur eine Fahrt zur und von der Arbeitsstätte täglich zu berücksichtigen.

 

Normenkette

EStG § 9 Ziff. 4, § 12 Nr. 1; LStDV § 20/2/2

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist kaufmännischer Angestellter. Wohnung und Arbeitsstätte liegen innerhalb der Stadtgemeinde S. Die regelmäßige Arbeitszeit geht von 8 bis 12 Uhr und von 14 bis 18.30 Uhr. Der Bf. nimmt die Mittagsmahlzeit zu Hause ein. Er benutzt für die täglichen vier Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Motorrad und will die dadurch entstehenden Kosten als Werbungskosten berücksichtigt haben. Das Finanzamt erkannte nur die Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel (Zeitkarte) als Werbungskosten an. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte aus, der Bf. könne mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ohne besonders großen Zeitaufwand seine Arbeitsstätte erreichen. Bis Oktober 1953 habe er bei Benutzung der Straßenbahn unter Zurechnung der Zeit für Anmarsch und Abmarsch jeweils für einen Weg etwa 50 Minuten benötigt. Seit Oktober 1953 sei durch Einschaltung einer O-Bus-Linie die Verbindung noch günstiger geworden. Dem Bf. sei darum nach den Verhältnissen seines Wohnbezirks die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel zuzumuten, auch wenn er bei Benutzung des Motorrads täglich etwa eine Stunde - bei Hin- und Rückfahrt auch während der mittäglichen Arbeitspause etwa zwei Stunden - an Zeit erspare.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) erstrebt der Bf. weiterhin die Anerkennung der Motorradkosten. Er müsse als leitender Angestellter auch außerhalb der üblichen Dienstzeit verfügbar sein.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. ist nicht begründet.

Im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 453/53 U vom 3. März 1955 (Bundessteuerblatt - BStBl. - III S. 104) hat der Senat über die bisherige Rechtsprechung hinaus die Kosten für ein Kraftfahrzeug, das ein Arbeitnehmer statt der öffentlichen Verkehrsmittel für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt, als notwendig im Sinne des § 9 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1951 - § 20 Abs. 2 Ziff. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) - anerkannt, wenn der Arbeitnehmer bei Benutzung des Kraftfahrzeugs eine erhebliche Zeitersparnis erzielt. Eine solche wird in der Regel angenommen, wenn der Arbeitnehmer bei Benutzung des Kraftfahrzeugs für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück insgesamt etwa 1 1/2 bis 2 Stunden erspart; unter besonderen Umständen kann auch schon eine geringere Zeitersparnis als erheblich angesehen werden.

Im vorliegenden Fall erzielt der Bf. nach der nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellung des Finanzgerichts bei einer Hin- und Rückfahrt täglich eine Zeitersparnis von etwa einer Stunde. Daß die Zeitersparnis nicht wesentlich größer sein kann, ergibt sich daraus, daß der Bf. bei Benutzung des Motorrads, wie er angibt, den Fahrweg auf 3,2 km abkürzen kann; die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist demnach nicht sehr groß. Besondere Umstände, die auch eine geringere Zeitersparnis als 1 1/2 - 2 Stunden als erheblich erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor. Die Behauptung des Bf., er müsse auch außerhalb der Dienstzeit dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, ist jedenfalls zu allgemein gehalten und nicht durch Anführung von Tatsachen gestützt. Es kann davon ausgegangen werden, daß die Dienstbereitschaft außerhalb der allgemeinen Dienstzeit keinen größeren Umfang gehabt hat und im übrigen in etwaigen Ausnahmefällen auch die öffentlichen Verkehrsmittel benutzt werden könnten.

Wird allerdings nicht nur eine Hin- und Rückfahrt täglich, sondern auch die Hin- und Rückfahrt während der Mittagspause berücksichtigt, so erzielt der Bf. eine Zeitersparnis von etwa zwei Stunden täglich. Für die Berechnung der Zeitersparnis im Sinne der erwähnten Entscheidung vom 3. März 1955 kann indes in der Regel nur eine Hin- und Rückfahrt berücksichtigt werden. Arbeitnehmer in größeren Städten wohnen überwiegend nicht in unmittelbarer Nähe der Arbeitsstätte. Sie können gewöhnlich nicht zur Einnahme der Mittagsmahlzeit nach Hause fahren, sei es, weil sie die durchgehende Arbeitszeit haben, sei es, weil die Entfernung zu groß ist, sei es, weil ihnen die Heimfahrt zu anstrengend oder unbequem ist. Benutzen einzelne Arbeitnehmer ein eigenes Kraftfahrzeug, um in der Mittagspause nach Hause zu fahren und zu essen, so tun sie es überwiegend aus Gründen persönlicher Annehmlichkeit. Die dadurch entstehenden Aufwendungen gehören zu den Kosten der Lebensführung ( § 12 Ziff. 1 Satz 2 EStG; § 20 Abs. 2 Satz 3 LStDV); sie sind keine Werbungskosten im Sinne des § 9 Ziff. 4 EStG.

Da demnach der Bf., wenn nur eine Hin- und Rückfahrt täglich berücksichtigt wird, keine erhebliche Zeitersparnis erzielt, konnten die Kraftfahrzeugkosten nicht als Werbungskosten zugelassen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408157

BStBl III 1955, 156

BFHE 1955, 407

BFHE 60, 407

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