Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Steuerpflichtige mit Einkünften aus mehreren Einkunftsarten können bestimmen, bei welcher Einkunftsart die Vergünstigung gemäß § 7 c EStG 1955 gewährt werden soll.
Das gilt auch für Steuerpflichtige, die neben Einkünften, die gemäß §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG ermittelt werden, noch andere Einkünfte haben.
Normenkette
EStG § 7c/1; EStG § 7c/4
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) hatte 1955 als Gesellschafter einer KG einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 2.423 DM und als Geschäftsführer einer GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von 23.112 DM. Er verlangte die Steuervergünstigung nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1955 für ein zinsloses Darlehen von 7.000 DM. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab; es hielt die Vorschrift für nicht anwendbar. Da der Bg. 1955 Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen habe, könne ihm die Vergünstigung nur unter den Voraussetzungen des § 7 c Abs. 1 und 4 EStG 1955 gewährt werden; positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb, bei denen der nach § 7 c EStG 1955 abzugsfähige Betrag verrechnet werden könne, habe der Bg. im Jahre 1955 aber nicht gehabt; Gewerbetreibende, bei denen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG 1955 durch Vermögensvergleich ermittelt würden, könnten die Vergünstigung nach § 7 c EStG 1955 nur bei diesen Einkünften geltend machen; daß das im einzelnen Fall nicht oder nicht voll möglich sei, weil infolge Verlustes keine positiven Einkünfte aus Gewerbebetrieb entstanden seien oder die positiven Einkünfte geringer seien als der nach § 7 c EStG 1955 abzugsfähige Betrag, spiele keine Rolle; diese Auslegung der Vorschrift führe zwar zu einer gewissen Härte, sei aber nach dem Wortlaut des Gesetzes unvermeidlich. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Es nahm an, der Wortlaut des § 7 c Abs. 2 EStG 1955 stehe zwar dem Begehren des Bg. entgegen (vgl. Längsfeld, Der Betriebs-Berater 1956 S. 107). Die Auslegung des Finanzamts widerspreche aber dem Sinn und Zweck des Gesetzes. Steuerpflichtige mit Einkünften aus mehreren Einkunftsarten müßten ein Wahlrecht haben, bei welcher Einkunftsart sie die Vergünstigung nach § 7 c EStG 1955 geltend machen wollten. Das Finanzgericht zog demgemäß einen Betrag von (25 v. H. von 7.000 DM =) 1.750 DM bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ab.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist nicht begründet.
Nach § 7 c Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung nach §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG ermitteln - zu diesem Kreis gehört die KG, an der der Bg. als Mitunternehmer beteiligt ist -, einen Betrag von 25 v. H. der zinslos gegebenen Darlehen zur Förderung des Wohnungsbaus unter bestimmten Voraussetzungen außerhalb der Bilanz vom Gewinn absetzen. Nach § 7 c Abs. 4 Satz 4 EStG 1955 dürfen die abzusetzenden Beträge aber 30 v. H. des Gewinns nicht übersteigen. Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nicht nach §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG ermitteln, können nach § 7 c Abs. 2 EStG 1955 25 v. H. der erwähnten Darlehen wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen.
Der Streit geht darum, ob, wie das Finanzamt meint, Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende und selbständig Tätige, die den Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung nach §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG ermitteln, die Vergünstigung nur nach § 7 c Abs. 1 und 4 EStG 1955 in Anspruch nehmen können. Das Finanzgericht nimmt demgegenüber an, daß auch diese Steuerpflichtigen, wie alle anderen Steuerpflichtigen, die mehrere Einkunftsarten haben, bestimmen könnten, bei welcher Einkunftsart ihnen die Vergünstigung gewährt werde. Die Auffassung des Finanzamts führt zu einer Einengung des Anwendungsbereichs der Vorschrift. Denn Steuerpflichtige mit ordnungsmäßiger Buchführung, die Verluste ausweisen oder bei denen der berücksichtigungsfähige Betrag (25 v. H. des Darlehens) die Grenze von 30 v. H. des Gewinns übersteigt, können, wenn die Auffassung des Finanzamts richtig ist, die Vergünstigung nicht oder nur bis zur Höhe des ausgewiesenen Gewinns erhalten, auch wenn sie andere Einkünfte beziehen. Nach Auffassung des Finanzamts hat das Gesetz für Steuerpflichtige mit ordnungsmäßiger Buchführung die Gewährung der Vergünstigung des § 7 c EStG 1955 bei anderen Einkünften als denen, die auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermittelt werden, ausgeschlossen.
Diese Auffassung des Finanzamts hat das Finanzgericht zutreffend abgelehnt. Der Senat hat bereits in der Entscheidung VI 6/56 U vom 1. März 1957 (BStBl 1957 III S. 136, Slg. Bd. 64 S. 360) zu § 7 c EStG 1950 ausgesprochen, daß Steuerpflichtige mit mehreren Einkunftsarten ein Wahlrecht haben, bei welcher Einkunftsart sie einen 7c-Zuschuß verrechnen wollen. Bei dieser Auslegung hat insbesondere der Zweck des § 7 c EStG, durch steuerliche Maßnahmen zur Behebung der Wohnungsnot beizutragen, eine Rolle gespielt. Wenn auch § 7 c im EStG 1955 in mehreren Punkten geändert und eingeschränkt worden ist, so ist seine Zielsetzung doch unverändert geblieben.
Das Finanzamt meint, der Wortlaut des § 7 c EStG 1955 stehe einem solchen Wahlrecht entgegen. Bei rein formaler Betrachtung des Gesetzes kann der Wortlaut des § 7 c Abs. 1 EStG 1955 wohl so aufgefaßt werden. Die große Bedeutung, die nach der Rechtsprechung dem Wortlaut eines Gesetzes als Mittel zur Erkenntnis des Willens des Gesetzgebers zukommt, darf aber nicht zum Formalismus werden. Der Sinnzusammenhang des Gesetzes und die Ergebnisse, die bei einer bestimmten Rechtsauslegung eintreten, dürfen nicht außer Betracht bleiben. Auch diese sind für den Richter wesentliche Mittel, den Willen des Gesetzgebers zu erkennen.
Betrachtet man § 7 c EStG 1955 unter diesen Gesichtspunkten im ganzen, so kann das Gesetz zwanglos so ausgelegt werden, daß in § 7 c Abs. 1 und 4 EStG 1955 die Voraussetzungen und die Form geregelt sind, in der Steuerpflichtige, die als Einkunft den nach §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG ermittelten Gewinn versteuern, bei dieser Einkunftsart die Vergünstigung in Anspruch nehmen können. Daß sie aber, wenn sie auch andere Einkünfte haben, nur die Vergünstigung auf Grund von Abs. 1 und 4 in Anspruch nehmen könnten, braucht man dem Wortlaut des Gesetzes keineswegs zu entnehmen. Ein unbefangener Leser, der § 7 c EStG 1955 im ganzen betrachtet, wird das Gesetz nicht so auffassen, daß die theoretische Möglichkeit, die Vergünstigung nach Abs. 1 zu erhalten, die Vergünstigung bei jeder anderen Einkunftsart ausschließen soll. Eine solche Auslegung würde auch zu Ergebnissen führen, die nicht im Sinne des Gesetzgebers liegen können. In Abs. 1 werden nur Steuerpflichtige (Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende und selbständig Tätige) erwähnt, die ihren Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln. Land- und Forstwirte, Gewerbetreibende und selbständig Tätige, die den Gewinn nach Durchschnittsätzen oder in der vereinfachten Form des § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, werden in Abs. 2 zusammen mit den Steuerpflichtigen, die Einkünfte aus anderen Einkunftsarten haben, aufgeführt. Das Gesetz stellt sie also den Steuerpflichtigen mit anderen Einkunftsarten gleich; infolgedessen können sie auch wählen, bei welcher der mehreren Einkunftsarten sie die Vergünstigung in Anspruch nehmen wollen. Es ist aber kein einleuchtender Grund vorhanden, warum das Gesetz Steuerpflichtige, die ihren Gewinn auf Grund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln, hätte schlechter stellen sollen als Steuerpflichtige, bei denen der Gewinn in den erwähnten Formen vereinfacht festgestellt wird. Wenn das Gesetz dieses schwer verständliche Ergebnis gewollt hätte, so hätte es das, wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, klar zum Ausdruck bringen müssen. Bei der wohnungsbaupolitischen und steuerpolitischen Tendenz, die dem § 7 c EStG zugrunde liegt, hätte für den Gesetzgeber wohl kein Grund bestanden, die Vergünstigung im Sinne der Auffassung des Finanzamts einzuschränken. Es ist vielmehr anzunehmen, daß Fälle von der Art des Streitfalls nicht in den Gesichtskreis des Gesetzgebers getreten und deshalb im Gesetz auch nicht in diesem oder jenem Sinn entschieden worden sind. Im Normalfall werden, wenn ein Steuerpflichtiger Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten hat - darunter solche, die nach §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG ermittelt werden -, die letztgenannten Einkünfte positiv und so hoch sein, daß bei ihnen die Vergünstigung des § 7 c EStG voll zur Auswirkung kommt. In Ausnahmefällen wie dem vorliegenden wäre es aber nicht gerechtfertigt, aus den formalen Erwägungen des Finanzamts die Vergünstigung des § 7 c EStG 1955 zu versagen, obgleich der Steuerpflichtige insgesamt genügend hohe Einkünfte hat, bei denen die Vergünstigung sich auswirken kann.
Das Finanzamt gibt zu, daß seine Auslegung zu Härten führt, wenn Steuerpflichtige mit ordnungsmäßiger Buchführung nur geringe Gewinne oder gar Verluste ausweisen. Eine Auslegung, die allgemein zu unbilligen Härten führt, kann aber nicht im Willen des Gesetzgebers liegen, der, weil er das Recht will, naturgemäß bestrebt ist, die formalen Normen mit der Billigkeit in Einklang zu halten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist deshalb der Tatsache, daß eine bestimmte Rechtsauslegung für ganze Gruppen von Fällen zu unbilligen Härten führen würde, bereits bei der Auslegung eines in seinem Wortlaut und Sinn nicht eindeutigen Gesetzes Rechnung zu tragen. Es wäre eine unrichtige, mit dem Willen des Gesetzgebers unvereinbare Rechtsauslegung, in solchen Fällen die Steuerpflichtigen auf den Weg einer Billigkeitsmaßnahme im Einzelfall nach § 131 der Reichsabgabenordnung zu verweisen (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 241/52 U vom 3. Dezember 1953, BStBl 1954 III S. 72, Slg. Bd. 58 S. 417; VI 48/57 S vom 21. November 1958, BStBl 1959 III S. 69).
Fundstellen
Haufe-Index 409455 |
BStBl III 1959, 407 |
BFHE 1960, 392 |
BFHE 69, 392 |