Leitsatz (amtlich)
1. Eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung setzt auch nach der aufgrund des Bewertungsänderungsgesetzes 1965 geltenden Rechtslage voraus, daß es sich um die Berichtigung eines klarliegenden, einwandfrei feststellbaren Fehlers handelt.
2. Bei der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung sind grundsätzlich sämtliche dem FA bei der vorausgegangenen Wertfeststellung unterlaufenen Fehler zu korrigieren.
Normenkette
BewG 1965 § 22 Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines 1972 bezugsfertig erstellten Zweifamilienhauses. Die Grundstücksfläche beträgt 1 091 qm, die Wohnfläche 244 qm. Von der Wohnfläche der Erdgeschoßwohnung (152 qm) entfallen 51,5 qm auf ein Wohnzimmer, das mit einem offenen Kamin ausgestattet ist. Der Fußboden besteht im Wohn- und Eßzimmer aus Natursteinen, in den übrigen Wohnräumen aus schwimmendem Isolierestrich mit PVC oder Teppichbelag. Küche und Eßzimmer sowie Wohn- und Eßzimmer sind durch Raumteiler bzw. durch einen Wohnzimmerschrank voneinander getrennt. Die Fenster sind - abgesehen von zwei großen Fenstern, die aus Alu-Schiebetürelementen bestehen - in Fichten- bzw. Kiefernholz gehalten und mit Isolierglas versehen. Die Innentüren bestehen aus furniertem Kiefernholz. Im Keller befindet sich eine Schwimmhalle (52 qm) mit Schwimmbecken (31 qm), die vollständig gefliest sind. An der Decke der Schwimmhalle ist eine Be- und Entlüftungsanlage installiert, die mit Aluminiumpaneelen verkleidet ist. Das Schwimmbecken enthält alle Einrichtungen der modernen Schwimmbadtechnik einschließlich Gegenstromaggregat. Außer der Schwimmhalle befinden sich im Keller noch eine Sauna, eine Dusche, ein Tauchbekken sowie eine Kellerbar. Nach dem Bauantrag beträgt der gesamte umbaute Raum nach DIN 277 1530 cbm. Nach einer Mittilung der Stadt über die baulichen Veränderungen an den Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) vom 4. Dezember 1972 betrugen die Baukosten 250 000 DM.
Das FA bewertete das Grundstück zum 1. Januar 1974 durch Bescheid vom 28. September 1973 als Zweifamilienhaus und stellte den im Ertragswertverfahren ermittelten Einheitswert auf 94 100 DM fest. Das FA legte der Bewertung eine übliche Miete von 2,90 DM je qm monatlich zugrunde. Eine Grundstücksbeschreibung lag dem FA nicht vor.
Mit Schreiben vom 3. März 1976 teilte die Großbetriebsprüfungsstelle der Bewertungsstelle mit, die Baukosten hätten sich auf 481 668,60 DM belaufen. Zugleich wurde die Bewertungsstelle davon in Kenntnis gesetzt, daß Haus mit einem Hallenschwimmbad, Sauna und anderen "Extras" ausgestattet und deshalb zu prüfen sei, ob der Einheitswert angemessen sei.
Das FA kam nunmehr zu der Auffassung, daß das Grundstück nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sei. Durch Bescheid vom 2. September 1977 stellte es den Einheitswert im Wege der fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung zum 1. Januar 1977, dem hier streitigen Stichtag, nach dem Sachwertverfahren auf 220 300 DM fest.
Auf die Sprungklage hob das Finanzgericht (FG) diesen Bescheid auf. Zur Begründung führte es aus: Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung nur bei klarliegenden, einwandfrei feststellbaren Bewertungsfehlern zulässig. Hieran fehle es im Streitfall. Die Frage nach dem hier zutreffenden Bewertungsverfahren lasse sich nicht zweifelsfrei und eindeutig dahingehend beantworten, daß das streitbefangene Zweifamilienhaus nach dem Sachwertverfahren zu bewerten sei.
Das FA rügt mit seiner Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 22 Abs. 3, § 76 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG), § 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG in der für den hier streitigen Stichtag geltenden Fassung findet eine Wertfortschreibung auch zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung statt. Diese erstmals durch das Bewertungsänderungsgesetz 1965 ausdrücklich in das Bewertgungsgesetz aufgenommene Regelung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH, wonach eine Fortschreibung zur Beseitigung einer unrichtigen Feststellung als zulässig angesehen wird (so bereits RFH-Urteil vom 31. März 1938 III 303/37, RFHE 43, 325, RStBl 1938, 601). Fehler im Sinne dieser Rechtsprechung ist jede objektive Unrichtigkeit (BFH-Urteil vom 24. Januar 1952 III 110/50 S, BFHE 56, 209, BStBl III 1952, 84). Nach der Rechtsprechung setzt die Vornahme einer fehlerbeseitigenden Wertfortschreibung jedoch u. a. voraus, daß es sich um einen klarliegenden, einwandfrei feststellbaren Bewertungsfehler handelt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 7. Oktober 1955 III 77/54 U, BFHE 61, 453, BStBl III 1955, 375). An dieser Auffassung, der das Schrifttum gefolgt ist (vgl. z. B. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 22 BewG Anm. 51; Rössler/Troll/Langner, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 12. Aufl., § 22 BewG Anm. 21; Steinhardt, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 22 BewG Anm. 4), hält der Senat auch für den aufgrund des Bewertungsänderungsgesetzes 1965 geltenden Rechtszustand fest.
2. a) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist es nicht zu beanstanden, daß das FG hier die Wertermittlung im Wege des Ertragswertverfahrens nicht als klarliegenden, einwandfrei feststellbaren Fehler angesehen hat. Mit zutreffender Begründung ist das FG davon ausgegangen, daß sich die Frage nach dem zutreffenden Bewertungsverfahren hier nicht zweifelsfrei und eindeutig dahingehend beantworten läßt, daß das streitbefangene Grundstück nach dem Sachwertverfahren zu bewerten ist. Denn nach § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG ist das Sachwertverfahren lediglich für die Bewertung solcher Zweifamilienhäuser anzuwenden, die sich durch besondere Gestaltung oder Ausstattung wesentlich von den übrigen, im Ertragswertverfahren zu bewertenden Zweifamilienhäusern unterscheiden. Im Streitfall hat das FG nur die Größe des Wohnzimmers (51,5 qm) als Merkmal einer besonderen Gestaltung sowie die Schwimmhalle als einziges Kennzeichen einer besonderen Ausstattung bewertet. Selbst wenn hier auch das Vorhandensein eines offenen Kamins oder die teilweise Ausstattung des Fußbodens von Wohnraum und Treppe mit Naturstein als weitere Kennzeichen einer besonderen Ausstattung anzusehen sein sollten, läßt sich hiermit - und zwar auch unter Berücksichtigung der Gestaltung des Gebäudes - nicht ohne weiteres die Annahme rechtfertigen, daß das streitbefangene Zweifamilienhaus wegen wesentlicher Abweichungen von den im Ertragswertverfahren zu bewertenden Grundstücken zweifelsfrei nach dem Sachwertverfahren zu bewerten ist.
b) Ein Fehler im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG könnte jedoch auch dann zu bejahen sein, wenn das FA der Bewertung des Zweifamilienhauses im Ertragswertverfahren mit 34,80 DM/qm klar und eindeutig feststellbar eine offensichtlich unzutreffende Jahresrohmiete zugrundegelegt haben sollte. Zwar stellt eine anderweitige Schätzung der Jahresrohmiete regelmäßig keinen ausreichenden Grund dar, die schätzweise Ermittlung dieser Bewertungsgrundlage anläßlich einer früheren Einheitswertfeststellung als fehlerhaft zu behandeln. Nach der Rechtsprechung des Senats darf ein Fehler, der eine Einheitswertfortschreibung im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG rechtfertigen kann, grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn die ursprüngliche Schätzung der Jahresrohmiete außerhalb jeder vernünftigen Überlegung gelegen hat (BFH-Urteil vom 22. April 1966 III 145/65, BFHE 86, 451, BStBl III 1966, 532). Ob dies hier der Fall ist, vermag der Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht abschließend zu entscheiden. Im Streitfall ist allerdings zusätzlich zu berücksichtigen, daß das FA bei dem Ansatz der üblichen Jahresrohmiete mit 34,80 DM von einer nur mittelmäßigen Ausstattung des Zweifamilienhauses ausgegangen ist und hierbei das Vorhandensein der Schwimmhalle sowie der übrigen den Mietwert erhöhenden Räume im Kellergeschoß (Sauna, Dusche, Tauchbecken, Kellerbar) außer acht gelassen hat. Bei einem solchen Irrtum des FA über tatsächliche Ausstattung und Gestaltung des zu bewertenden Grundstücks und damit über Schätzungsgrundlagen ist ein klarer und eindeutig feststellbarer Bewertungsfehler im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 BewG nicht erst dann zu bejahen, wenn die ursprüngliche Schätzung der Jahresrohmiete außerhalb jeder vernünftigen Überlegung gelegen hat. In einem solchen Fall reicht es aus, wenn die Jahresrohmiete unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse der Höhe nach offensichtlich unzutreffend geschätzt worden ist.
3. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil sie auf einer anderen Rechtsauffassung beruht. Da die Streitsache mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht spruchreif ist, war sie zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dieses wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen zur Höhe der üblichen Miete treffen. Sollte sich dabei nach den oben dargelegten Grundsätzen herausstellen, daß das FA seiner Bewertung des streitbefangenen Grundstücks bei der vorausgegangenen Feststellung eine Jahresrohmiete zugrunde gelegt hat, die klar und eindeutig feststellbar offensichtlich unzutreffend war, wird zu prüfen sein, ob die weiteren Erfordernisse einer fehlerberichtigenden Wertfortschreibung zu dem hier streitigen Stichtag erfüllt waren. Bejahendenfalls wird das FG abschließend entscheiden müssen, ob die Voraussetzungen für die Bewertung des Zweifamilienhauses im Sachwertverfahren gegeben sind. Denn bei der wegen eines Fehlers durchzuführenden Wertfortschreibung sind grundsätzlich sämtliche dem FA bei der vorangegangenen Wertfeststellung unterlaufenen Fehler zu korrigieren.
Fundstellen
Haufe-Index 74098 |
BStBl II 1982, 6 |
BFHE 1981, 164 |