Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Mindestzeitrente als entgeltliches Veräußerungsgeschäft - Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen grundsätzlich nur bei Zahlung der Versorgungsleistungen auf Lebenszeit - Ausgleichszahlungen an Miterben als Anschaffungskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Übertragen Eltern einem Kind einen Vermögensgegenstand gegen eine Leibrente, die jedenfalls für eine bestimmte Mindestdauer zu zahlen ist (sog. Mindestzeitrente oder verlängerte Leibrente), handelt es sich im Regelfall nicht um eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen mit den Rechtsfolgen der Abziehbarkeit von Sonderausgaben und der Steuerbarkeit von Einkünften aus wiederkehrenden Leistungen, sondern um ein entgeltliches Veräußerungs-/Anschaffungsgeschäft gegen Ratenzahlungen.
2. Dies gilt auch dann, wenn Leistung und Gegenleistung nicht nach kaufmännischen Grundsätzen gegeneinander abgewogen sind.
Orientierungssatz
1. Bei dem Vertragstypus "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" handelt es sich "um eine besondere Art von Versorgungsleistungen", die durch die Übergabe des Vermögens notwendig geworden sind, ohne daß deshalb ein Veräußerungsgeschäft vorliegt (vgl. BFH-Beschluß vom 15.7.1991 GrS 1/90). Hiernach ist für die als Sonderausgabe abziehbare Versorgungsrente typischerweise vorauszusetzen, daß die wiederkehrenden Versorgungsleistungen grundsätzlich auf die Lebenszeit des Versorgungsberechtigten gezahlt werden (zu Ausnahmen, die sich aus einer Änderung der --mutmaßlichen-- Versorgungssituation ergeben können, vgl. BFH-Urteil vom 24.1.1994 X R 54/92).
2. Der Senat hat im Streitfall offengelassen, ob die Auffassung des XI.Senats des BFH im Urteil vom 23.1.1992 XI R 6/87, die auszuschließen scheint, daß anläßlich einer Übertragung von Vermögen vereinbarte wiederkehrende Leistungen, die nicht wie unter fremden Dritten nach kaufmännischen Gesichtspunkten bemessen sind, ein Entgelt sein können, aus dem BFH-Beschluß vom 5.7.1990 GrS 4-6/89 folgt.
3. Soweit im Rahmen einer Auseinandersetzung über Nachlaßvermögen einem Erben das Alleineigentum an einem Gegenstand zugewiesen wird, erhält er mehr, als seiner Erbquote entspricht; in Höhe der an die Miterben fließenden Ausgleichszahlungen hat der übernehmende Miterbe Anschaffungskosten (vgl. BFH-Beschluß vom 5.7.1990 GrS 2/89).
Normenkette
EStG 1985 § 4 Abs. 4, § 10 Abs. 1 Nr. 1a, § 22 Nr. 1, § 6 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden für das Streitjahr 1985 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Die Klägerin war zusammen mit ihrer Mutter Inhaberin eines in der Rechtsform der OHG betriebenen Modehauses gewesen; ihre Mutter war mit einem Anteil von 5/6, sie selbst mit einem Anteil von 1/6 beteiligt. Mit Überlassungsvertrag vom 27. November 1984 übertrug die damals 69 Jahre alte Mutter ihren Gesellschaftsanteil mit Wirkung zum 1. Januar 1985 "unentgeltlich" auf die Klägerin. Das Betriebsvermögen des Modehauses enthielt nach Angaben der Kläger stille Reserven in Höhe von ca. 2 Mio DM. Die Mutter erhielt --"ohne Rücksicht auf den Wert des übernommenen Betriebsvermögens" sowie "in Anerkennung ihrer Verdienste um den Betrieb"-- eine als "Leibrente" bezeichnete wertgesicherte "lebenslängliche Versorgungsrente" in Höhe von 3 150 DM monatlich. Die Mindestlaufzeit der Rente betrug 13 Jahre; bei Ableben der Mutter vor Ablauf der Mindestzeit sollte die Rente auf die Dauer dieser 13 Jahre an die Erben weitergezahlt werden. Im Vertrag wird darauf hingewiesen, daß die Mutter den Betrieb aus Altersgründen übergebe und daß es sich um einen Generationenwechsel handele, der zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs erforderlich sei. Die Mutter durfte bis zum 31. Dezember 1984 eine "außerplanmäßige Privatentnahme" in Höhe von 150 000 DM tätigen. Mit Vertrag vom 14. Juni 1985 "ergänzten" die Klägerin und ihre Mutter den Überlassungsvertrag mit dem Zusatz: "Eine Änderung der Versorgungsrente nach § 323 ZPO ist nicht ausgeschlossen."
Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 1985 beantragten die Kläger, die in Erfüllung des Überlassungsvertrages geleisteten Zahlungen in Höhe von 37 800 DM zum Abzug als dauernde Last (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) zuzulassen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte nur einen Ertragsanteil von 20 v.H. (7 560 DM). Mit der hiergegen nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage machten die Kläger u.a. geltend, durch den nach § 305 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zulässigen Änderungsvertrag vom 14. Juni 1985 sei das von den Vertragsparteien wirklich Gewollte rückwirkend klargestellt worden. Jedenfalls sei durch den Abschluß des Ergänzungsvertrages eine neue rechtliche Situation entstanden, denn die Beteiligten hätten "auf das Rentenstammrecht verzichtet".
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage hinsichtlich der beantragten erhöhten Kinderfreibeträge stattgegeben. Zur Frage der dauernden Last hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) seien Versorgungsleistungen, die anläßlich der Übergabe von existenzsicherndem ertragbringendem Vermögen vereinbart würden, als Sonderausgaben abziehbar. Vorliegend seien im Überlassungsvertrag vom 27. November 1984 gleichmäßige Leistungen und damit eine Leibrente vereinbart worden. Dem stehe auch nicht die Vereinbarung einer Mindestlaufzeit entgegen. Die Abweichung der Mindestdauer von der mittleren Lebenserwartung sei nicht so wesentlich, daß dies die Annahme einer "Zeitrente" rechtfertigen könnte. Die Regelung im Ergänzungsvertrag könne nicht auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Vertragsschlusses zurückbezogen werden. Auch die nach Abschluß des Ergänzungsvertrages --also ab dem 1. Juli 1985-- erbrachten Versorgungsleistungen seien als Leibrente zu behandeln. Zwar bedeute der Hinweis des Ergänzungsvertrages auf § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) mehr als die Bezugnahme auf den prozessualen Gehalt dieser Vorschrift. Dennoch stehe einer Umwandlung der Leibrente in eine dauernde Last § 12 EStG insbesondere im Hinblick darauf entgegen, daß im Erstvertrag eine gleichmäßige Leibrente mit einer Mindestlaufzeit vereinbart worden sei. Die durch die Bezugnahme auf § 323 ZPO zum Ausdruck gekommene Abänderbarkeit der Leistungen begründe eine freiwillig übernommene Rechtspflicht, die nicht mehr im unmittelbaren Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsanteils stehe und deshalb ohne Gegenleistung erbracht worden sei. Die Vereinbarung einer Mindestlaufzeit spreche dafür, daß jedenfalls eine Gegenleistung in einer bestimmten Mindesthöhe Vertragsinhalt sei. Werde im Widerspruch hierzu später die Höhe der Versorgungsleistung mit der Leistungsfähigkeit der Vermögensübernehmerin und der Unterhaltsbedürftigkeit der Versorgungsempfängerin verknüpft, so werde dadurch der Zusammenhang zum ursprünglichen Überlassungsvertrag mit den Folgewirkungen des § 12 EStG gelöst.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Der Änderungsvertrag stehe in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übertragung des Geschäftsanteils. Es handele sich um eine Erläuterung des Übergabevertrages, durch die in das "Gesamtgefüge von Leistung und Gegenleistung" nur partiell eingegriffen worden sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Änderung des
angefochtenen Einkommensteuerbescheides die Einkommen-
steuer 1985 nach einem zu versteuernden Einkommen von
128 725 DM festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG sind Sonderausgaben die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernde Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Eine als Sonderausgabe abziehbare Rente oder dauernde Last setzt grundsätzlich voraus, daß Versorgungsleistungen auf die Lebenszeit des Beziehers gezahlt werden. Die auf eine festbestimmte Zeit zu zahlenden wiederkehrenden Leistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung eines Vermögensgegenstandes erbracht werden, sind nicht als Sonderausgaben (Rente oder dauernde Last) abziehbar, sondern nach den steuerrechtlichen Grundsätzen über entgeltliche Rechtsgeschäfte zu behandeln. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Zahlungen zwar für die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson, in jedem Fall aber für eine Mindestlaufdauer zu erbringen sind (sog. verlängerte Leibrente oder Mindestzeitrente) und wenn das Entgelt nicht nach kaufmännischen Grundsätzen bemessen worden ist.
2. Die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben --und korrespondierend beim Bezieher zu den Einkünften aus wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG)-- beruht auf dem Umstand, daß sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise die Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (Beschlüsse des Großen Senats in BFHE 161, 317, 328, BStBl II 1990, 847, und vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, 237 f., BStBl II 1992, 78). Die anläßlich der Übergabe von Vermögen vereinbarten Versorgungsleistungen sind Hauptanwendungsfall der in vollem Umfang abziehbaren dauernden Last (Beschluß in BFHE 165, 225, 238, BStBl II 1992, 78).
Die Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist seit jeher nicht als Gegenleistung für das übertragene Vermögen angesehen worden (Beschluß in BFHE 161, 317, 327 f., BStBl II 1990, 847, m.w.N.). Sie ist in einem spezifisch steuerrechtlichen Sinne unentgeltlich, weil dieses besondere Instrument der Nachfolgeregelung spezialgesetzlich dem Rechtsinstitut der Sonderausgaben zugewiesen ist (BFH-Urteil vom 24. April 1991 XI R 9/84, BFHE 164, 354, 356, BStBl II 1991, 794). Der Große Senat des BFH hat diesen Vertragstypus unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung dahin charakterisiert: Die ertragsteuerrechtliche Behandlung folge seiner familien- und erbrechtlichen Natur. Er bezwecke die Vorwegnahme der künftigen Erbregelung und die wirtschaftliche Sicherung der alternden Eltern. Die Rente werde nicht nach dem Wert der Gegenleistung, sondern nach dem Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bemessen. Die Beteiligten ließen sich von dem Gedanken leiten, das übertragene Vermögen --insbesondere einen übergebenen Betrieb-- der Familie zu erhalten (BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78, m.w.N. der Rechtsprechung).
3. Der im vorgenannten Sinne unentgeltliche Vertragstypus der Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen (private Versorgungsrente) ist abzugrenzen gegen das entgeltliche Rechtsgeschäft. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist bei der Übertragung von existenzsicherndem und ertragbringendem Vermögen von Eltern auf Kinder im Regelfall anzunehmen, daß Leistung und Gegenleistung nicht wie unter Fremden nach kaufmännischen Gesichtspunkten abgewogen werden; vielmehr wird widerlegbar vermutet, daß die Rente --unabhängig vom Wert des übertragenen Vermögens-- nach dem Versorgungsbedürfnis der Eltern und/oder nach der Ertragskraft des übertragenen Vermögens bemessen worden ist und insofern familiären, außerbetrieblichen Charakter hat (Senatsurteil vom 29. Januar 1992 X R 193/87, BFHE 167, 95, 98 ff., BStBl II 1992, 465, m.w.N. der Rechtsprechung).
4. Werden wiederkehrende Leistungen, die im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen vereinbart werden, auf eine festbestimmte Zeit gezahlt, können sie nicht dem Typus einer "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" zugerechnet werden. Sie sind nach den steuerrechtlichen Grundsätzen über wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung zu behandeln.
a) Beim Vertragstypus "Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen" handelt es sich "um eine besondere Art von Versorgungsleistungen", die durch die Übergabe des Vermögens notwendig geworden sind, ohne daß deshalb ein Veräußerungsgeschäft vorliegt (vgl. Beschluß des Großen Senats in BFHE 165, 225, 239, BStBl II 1992, 78, m.w.N. der Rechtsprechung). Der Große Senat des BFH (BFHE 165, 225, 238, BStBl II 1992, 78) hat anerkannt, daß mit der Vereinbarung der Abänderbarkeit von Versorgungsleistungen im Rahmen einer Vermögensübergabe eine Rechtslage hergestellt wird, "die dem Regelungswillen des Steuerneuordnungsgesetzes (StNOG) 1954 --grundsätzliche Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen-- entspricht". Mit der Erwähnung der Entstehungsgeschichte --insbesondere des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (StNOG) 1954-- und der Verweisung im Text nimmt der Große Senat in Bezug, daß es der Gesetzgeber abgelehnt hat, landwirtschaftliche Altenteilsleistungen als Leibrenten zu behandeln. Vor allem aufgrund dieser Entscheidung des Gesetzgebers hat sich das Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen am Modell der Hof- und Betriebsübergabe entwickelt, bei dem die Verrechnung mit dem Wert einer erbrachten Gegenleistung nicht in Betracht kommt (grundlegend BFH-Urteil vom 16. September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706; zur Fortentwicklung der Wertverrechnung s. Senatsurteil vom 27. Februar 1992 X R 136/88, BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609). Dies verdeutlicht, daß nicht jedwede Übergabe von Vermögen gegen wiederkehrende Leistungen zu deren Abzug als Sonderausgabe führt, sondern nur Vertragsgestaltungen, die dem vom Großen Senat des BFH umschriebenen Typus (oben 2.) zugeordnet werden können.
Hiernach ist für die als Sonderausgabe abziehbare Versorgungsrente typischerweise vorauszusetzen, daß die wiederkehrenden Versorgungsleistungen grundsätzlich auf die Lebenszeit des Versorgungsberechtigten gezahlt werden. Ausnahmen können sich aus einer Änderung der (mutmaßlichen) Versorgungssituation ergeben, so z.B. im Falle einer Wiederverheiratungsklausel oder bei zeitlicher Begrenzung bis zum Eintritt des Versorgungsberechtigten in den Bezug einer Sozialversicherungsrente (vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 1994 X R 54/92, BFHE 173, 360, 363 ff., BStBl II 1994, 633). Stets aber endet der Lauf der "typischen" privaten Versorgungsrente mit dem Tode des Bezugsberechtigten.
b) Ein durch eine andere Interessenlage geprägter Vertragstypus liegt vor, wenn die wiederkehrenden Leistungen jedenfalls einen festbestimmten Endtermin haben. Ist es übereinstimmender Wille der Vertragschließenden, daß die Zahlungen auch --sodann an die Erben-- zu erbringen sind, wenn der Berechtigte alsbald nach Eintritt in den Bezug stirbt, handelt es sich zivilrechtlich und wirtschaftlich um einen wertmäßigen Ausgleich für eine empfangene Leistung.
Im Streitfall ist eine Mindestlaufzeit vereinbart worden, die die Lebenserwartung der Bezugsberechtigten übersteigt (dazu unten 6.). Eine solche Vereinbarung bezweckt, dem Empfänger des übertragenen Vermögens eine mindestens zu erbringende Gegenleistung aufzuerlegen. Damit wollten die Vertragspartner sicherstellen, daß die Klägerin durch die vorweggenommene Übergabe vermögensmäßig nicht begünstigt und der später zu verteilende Nachlaß nicht zu Lasten von Miterben gemindert wurde. Der Vertrag wäre sinnlos, wenn die Klägerin erwarten konnte, Alleinerbin nach ihrer Mutter zu werden. Der wirtschaftliche Grund für eine "Verlängerung" der Leibrente war vielmehr darin zu sehen, daß die Vertragsparteien aus Gründen einer gerechten Verteilung des "Familienvermögens" das Risiko eines vorzeitigen Ablebens der Mutter verkleinern wollten. Das Veräußerungsentgelt sollte jedenfalls in Höhe eines als Mindestwert angenommenen Preises entrichtet werden.
Ein solcher Vertrag wird geprägt durch seine Funktion, eine Gleichstellung von (künftigen) Miterben zu gewährleisten. Dies wird deutlich in dem gedachten Fall, daß der Erbfall unmittelbar nach Vertragsschluß eintritt und dann die wiederkehrenden Leistungen an die Erben als Ausgleich für das vorweg Vermögen zu erbringen sind. Damit liegt in rechtlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht der Vergleich mit anläßlich einer vorweggenommenen Erbfolgeregelung vereinbarten Gleichstellungsgeldern ebenso nahe wie mit im Rahmen einer Erbauseinandersetzung übernommenen Ausgleichszahlungen. Gleichstellungsgelder führen zu Anschaffungskosten (Beschluß in BFHE 161, 317, 329 f., BStBl II 1990, 847). Soweit im Rahmen einer Auseinandersetzung über Nachlaßvermögen einem Erben das Alleineigentum an einem Gegenstand zugewiesen wird, erhält er mehr, als seiner Erbquote entspricht; in Höhe der an die Miterben fließenden Ausgleichszahlungen hat der übernehmende Miterbe Anschaffungskosten (Großer Senat des BFH, Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, 344 ff., BStBl II 1990, 837).
c) Die Zuordnung zu einem steuerrechtlich entgeltlichen Geschäft gilt unabhängig davon, ob die Vertragsparteien einen "marktgerechten" Preis vereinbart haben. Das Urteil des XI.Senats vom 23. Januar 1992 XI R 6/87 (BFHE 167, 86, BStBl II 1992, 526) scheint auszuschließen, daß anläßlich einer Übertragung von Vermögen vereinbarte wiederkehrende Leistungen, die nicht wie unter fremden Dritten nach kaufmännischen Gesichtspunkten bemessen sind, ein Entgelt sein können. Der erkennende Senat läßt offen, ob eine solche Auffassung aus dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847 folgt. Jedenfalls stellt sich die Frage nicht, wenn die Vertragsgestaltung nicht dem Vertragstyp Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen angeordnet werden kann und deshalb wie hier die wiederkehrenden Bezüge als Raten zu beurteilen sind.
Der Umstand, daß als Gegenleistung Rentenzahlungen vereinbart und geleistet wurden, erweist sich unter den gegebenen Umständen nur als Zahlungsmodalität.
d) Soweit die Vertragsparteien nach dem Wortlaut des Übergabevertrages ein "unentgeltliches" Rechtsgeschäft vereinbaren wollten, ist dies angesichts der rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der wiederkehrenden Leistungen eine, gemessen am erklärten und praktizierten Rechtsfolgewillen, steuerrechtlich unzutreffende Bezeichnung, die unbeachtlich ist und unter Berücksichtigung des tatsächlich Vereinbarten korrigiert werden kann (vgl. Senatsurteile vom 28. November 1990 X R 109/89, BFHE 163, 264, 273, BStBl II 1991, 327, und vom 21. Oktober 1992 X R 99/88, BFHE 170, 41, BStBl II 1993, 289, jeweils m.w.N.).
5. Mit der nachträglichen Ergänzung des Vertrages dahingehend, daß "eine Änderung nach § 323 ZPO nicht ausgeschlossen" sei, konnte eine Abziehbarkeit der wiederkehrenden Leistungen als dauernde Last nicht bewirkt werden. Die Kläger messen der "Bezugnahme auf § 323 ZPO" eine Bedeutung bei, die ihr rechtlich nicht zukommen kann. Nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 165, 225, 238, BStBl II 1992, 78, der sich mit der steuerrechtlich unentgeltlichen Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen befaßt hat, genügt für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel der "Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO", "weil dies so zu verstehen ist, daß der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll". Ob mithin --im Zusammenhang mit einer unentgeltlichen Vermögensübergabe vereinbarte-- wiederkehrende Leistungen abänderbar sind, ergibt sich nicht aus einer bloß formelhaften Bezugnahme, sondern aus den ggf. durch Auslegung des Übergabevertrages zu ermittelnden konkreten Rechten und Pflichten. Entsprechendes gilt, wenn wie vorliegend wiederkehrende Leistungen als Entgelt geschuldet werden: Sie sind nicht bereits aufgrund einer bloßen Bezugnahme auf § 323 ZPO abänderbar (vgl. BFH-Urteile vom 17. Dezember 1991 VIII R 80/87, BFHE 167, 344, BStBl II 1993, 15, und vom 25. November 1992 X R 148/90, BFH/NV 1993, 586, unter II. 1. c ee). Auch wird ein entgeltliches Rechtsgeschäft nicht allein dadurch zu einer Vermögensübergabe gegen steuerrechtlich als dauernde Last abziehbare Versorgungsleistungen, daß ein der Höhe nach abänderbares Entgelt vereinbart wird. Hiernach kann dahingestellt bleiben, welche steuerrechtliche Bedeutung die nachträgliche Änderung eines Entgelts hat.
6. Nach dem BFH-Urteil vom 29. Oktober 1974 VIII R 131/70 (BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173) sind wiederkehrende, als Entgelt für die Hingabe eines Vermögensgegenstandes zu erbringende Zahlungen, die der Erwerber in jeweils gleichbleibender Höhe bis zum Tode des Veräußerers, mindestens jedoch für eine Laufzeit zu gewähren hat, die erheblich über der durchschnittlichen Lebenserwartung des Veräußerers liegt, steuerrechtlich regelmäßig als Kaufpreisraten zu behandeln. Zu entscheiden war über die Frage, ob der Zinsanteil eines solchermaßen zeitlich gestreckten Entgelts nach den Grundsätzen über die Leibrente in gleichmäßiger Höhe (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG 1974) oder wie bei Kaufpreisraten jährlich fallend als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung anzusetzen war. Nach Auffassung des VIII.Senat des BFH kam es darauf an, ob die laufenden Zahlungen mehr von den begrifflichen Merkmalen einer Leibrente oder mehr "von denjenigen einer Zeitrente oder Rate" geprägt werden. Hierzu führte er aus, die Ermittlung des Ertragsanteils der laufenden Zahlungen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Ertragswerttabellen entspreche dann den Wertungen des Gesetzgebers, wenn die Laufzeit der Rente von der voraussichtlichen --durchschnittlichen, nicht tatsächlichen-- Lebenserwartung einer Person abhängig sei. Bleibe die Dauer dieser Lebenserwartung hinter der festbestimmten Mindestlaufzeit zurück, sei die Verpflichtung wesentlich von der Verpflichtung des Schuldners geprägt, die Zahlungen an die Erben des Berechtigten zu zahlen.
Im Streitfall geht es --anders als in dem vorstehenden Fall-- nicht um die Frage, wie der Zinsanteil einer sog. Gegenleistungs-"Rente" technisch ermittelt wird. Entscheidungserheblich ist vielmehr, ob die wiederkehrenden Leistungen dem Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen oder den wiederkehrenden Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung zuzuordnen sind. Letzteres ist hier deswegen anzunehmen, weil der Vertrag durch die Verpflichtung der Klägerin charakterisiert wird, eine (Mindest-)Gegenleistung zu erbringen.
7. Hiernach wurden die wiederkehrenden Leistungen entgeltlich --im Austausch mit einer Gegenleistung-- erbracht. Es handelte sich aus der Sicht der Klägerin um eine betriebliche Erwerbsrente, da sie Betriebsvermögen entgeltlich erworben hat. Die laufenden Zahlungen sind in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil zu zerlegen. Als zusätzliche Anschaffungskosten der im Betrieb vorhandenen Wirtschaftsgüter ist der Barwert der Verpflichtung anzusetzen; insoweit kommen weitere Beträge der Absetzung für Abnutzung als Betriebsausgaben in Betracht. Der als Betriebsausgabe zu berücksichtigende Zinsanteil ergibt sich aus der Differenz der jährlichen Zahlungen abzüglich der Minderung des Barwertes der zu passivierenden Zahlungsverpflichtung.
8. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück. Dieses wird die rechnerischen Folgerungen aus der Annahme einer betrieblichen Erwerbsrente ziehen. Es wird weiterhin berücksichtigen, daß ausweislich des Vertrages vom 27. November 1984 die Mutter der Klägerin das Recht zu einer "außerplanmäßigen Entnahme" von 150 000 DM hatte; hierdurch könnte sich das Entgelt für die Übernahme des Gesellschaftsanteils erhöht haben.
Fundstellen
Haufe-Index 64979 |
BFH/NV 1995, 34 |
BFHE 176, 333 |
BFHE 1995, 333 |
BB 1995, 606 |
BB 1995, 606-608 (LT) |
DB 1995, 655-658 (LT) |
DStR 1995, 523-524 (KT) |
DStZ 1995, 342-343 (KT) |
HFR 1995, 318-319 (LT) |
StE 1995, 202 (K) |