Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Einzelbekanntgabe nach Vollbeendigung der Gesellschaft bei Bestellung eines gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten; Heilung eines Bekanntgabemangels durch Zustellung der Einspruchsentscheidung; Qualifizierung eines stillen Gesellschafters als Mitunternehmer; Tätigkeitsvergütung des Geschäftsführers und stillen Gesellschafters einer GmbH & Still
Leitsatz (NV)
- Auch nach Vollbeendigung einer Personengesellschaft ist keine Einzelbekanntgabe des Gewinnfeststellungsbescheides und Einheitswertbescheides erforderlich, wenn ein gemeinsamer Empfangsbevollmächtigter bestellt ist.
- Ein Bekanntgabemangel eines Steuerbescheides kann jedenfalls dann durch die Zustellung der Einspruchsentscheidung geheilt werden, wenn der Einspruch nicht unzulässig war.
- Der stille Gesellschafter trägt das für die Annahme einer Mitunternehmerschaft erforderliche Mitunternehmerrisiko, wenn er am Gewinn und in beschränktem Umfang am Verlust beteiligt ist und bei Beendigung der Gesellschaft einen Anspruch auf Abfindung entsprechend dem Wert der Beteiligung hat. Auch wenn der gemeine Wert der Beteiligung nicht in vollem Umfang abzugelten ist, kann ein dementsprechend schwächer ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko durch eine stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative kompensiert werden.
- Die Tätigkeitsvergütung, die der atypisch stille Gesellschafter einer GmbH & Still als Geschäftsführer der GmbH, der tätigen Gesellschafterin, erhält, ist eine Sondervergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz EStG.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; BGB § 716; HGB §§ 166, 233 Abs. 1; AO 1977 § 122 Abs. 1 S. 3, § 124 Abs. 1, § 179 Abs. 1, § 183
Verfahrensgang
FG München (EFG 1998, 1120) |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) betrieb in der Rechtsform einer GmbH einen Fachgroßhandel. Am Stammkapital von 300 000 DM waren ursprünglich der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) mit 180 000 DM und seine Ehefrau, die Klägerin und Revisionsklägerin zu 3 (Klägerin zu 3), mit 120 000 DM beteiligt. Aufgrund einer mit Vertrag vom April 1988 vorgenommenen Schenkung an ihre beiden Söhne verminderte sich die Beteiligung der Klägerin zu 3 auf 60 000 DM. Geschäftsführer der Klägerin zu 1 waren der Kläger zu 2 und ab Mai 1988 auch die Klägerin zu 3. Der Kläger zu 2 war einzelvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit. Die Klägerin zu 2 war bereits vor ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin bei der Klägerin zu 1 angestellt gewesen.
In einem Vertrag vom 18. Dezember 1987 gründeten die Klägerin zu 1 und die Kläger zu 2 und 3 eine stille Gesellschaft, "und zwar als atypisch stille Beteiligung" auf unbestimmte Dauer. Die Kläger zu 2 und 3 leisteten als stille Gesellschafter eine Einlage von 108 000 DM bzw. von 72 000 DM. Die stillen Gesellschafter nahmen am Gewinn und Verlust teil, am Gewinn höchstens in Höhe von 35 v.H. ihrer Einlage, an Verlusten nur bis zur Höhe ihrer Einlage. Die Geschäftsführung stand allein der GmbH als der tätigen Gesellschafterin zu. Die stillen Gesellschafter hatten die Informations- und Kontrollrechte gemäß § 716 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Eine Kündigung der Gesellschaft war erstmals zum 31. Dezember 1992 vorgesehen. Eine Übertragung der stillen Beteiligung war nur mit Zustimmung aller Gesellschafter zulässig. Die stillen Gesellschafter konnten bei Beendigung der Gesellschaft eine Abfindung entsprechend dem Wert ihrer Beteiligung beanspruchen. Der Wert sollte durch Anwendung des Hundertsatzes auf das Einlagekonto errechnet werden, der für die Bewertung nichtnotierter Anteile gemäß Abschn. 76 ff. der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) zu bestimmen war.
Mit Vereinbarung vom 15. April 1991 hoben die Kläger den Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1987 "mit Wirkung zum 31.12.1990" auf. Sie erklärten, daß die Einlagen von 108 000 DM und 72 000 DM zur sofortigen Rückzahlung an die stillen Gesellschafter fällig seien. Mit der Rückzahlung der Einlage seien alle gegenseitigen finanziellen Ansprüche der Vertragschließenden aus dem stillen Gesellschaftsvertrag abgegolten und erledigt.
In den Gewinnfeststellungsbescheiden für die Streitjahre 1988 und 1989, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) entsprechend den abgegebenen Erklärungen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt.
Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat das FA die Ansicht, daß die Einkünfte der stillen Gesellschaft aus Gewerbebetrieb höher Festzusetzen seien. Abweichend von den abgegebenen Erklärungen seien die Vergütungen, die die Kläger zu 2 und 3 von der Klägerin zu 1 erhalten hätten, als Sonderbetriebseinnahmen und damit als gewerbliche Einkünfte zu erfassen. Es erließ einen entsprechenden Sammelberichtigungsbescheid für die beiden Streitjahre. Darin sind die Kläger zu 1 bis 3 als Feststellungsbeteiligte genannt. Der Bescheid ist adressiert an die Bevollmächtigte, die in den abgegebenen Erklärungen als von allen Beteiligten bestellte Empfangsbevollmächtigte genannt ist. Er enthält den Hinweis, daß er die atypisch stille Gesellschaft betrifft und an den Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten ergeht.
Das FA erließ geänderte Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens, 1. Januar 1988, 1989 und 1990. Darin sind die Kläger zu 1 bis 3 jeweils als Feststellungsbeteiligte genannt; die Bescheide sind der jeweils in den Vermögensaufstellungen genannten Empfangsbevollmächtigten "mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten" bekanntgegeben worden.
Die Bevollmächtigte legte Einspruch ein. Sie wies darauf hin, daß die stille Gesellschaft zwischenzeitlich beendet sei und die Gesellschafter die geleisteten Einlagen zurückerhalten und weitere Vergütungen nicht bekommen hätten, also nicht an den stillen Reserven und insbesondere nicht an einem Geschäftswert der GmbH beteiligt seien. Im übrigen habe keine Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bestanden, weil die stillen Gesellschafter weder Mitunternehmerrisiko getragen noch Mitunternehmerinitiative entfaltet hätten. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Kläger die Aufhebung der Änderungsbescheide begehrten, ab. Es entschied, daß an einer GmbH als stille Gesellschafter Beteiligte, die zugleich Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH seien, dann Mitunternehmer seien, wenn ihnen die Informations- und Kontrollrechte gemäß § 716 BGB zustünden und ihnen neben der Beteiligung am laufenden Gewinn und Verlust im Fall der Beendigung der Gesellschaft ein Abfindungsanspruch entsprechend dem Wert ihrer Beteiligung eingeräumt sei, der nach dem sog. Stuttgarter Verfahren errechnet werde. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1120 veröffentlicht.
Die Kläger rügen mit ihrer Revision eine Verletzung der § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 97 Abs. 1 Nr. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG), der §§ 179, 180 Abs. 1 Nr. 1 und 2 a der Abgabenordnung (AO 1977) und einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Kläger ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, daß die Kläger Mitunternehmer einer atypisch stillen Gesellschaft gewesen sind. Entgegen der Auffassung der Revision sind die angefochtenen Bescheide auch an die richtigen Adressaten gerichtet und wirksam bekanntgegeben worden.
1. Die angefochtenen Bescheide sind inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO 1977). Sie lassen ihre Adressaten, d.h. diejenigen, für die sie bestimmt sind (§ 124 Abs. 1 Satz 1, § 179 Abs. 1 Satz 1 AO 1977), klar erkennen. Gewinnfeststellungsbescheide und Einheitswertbescheide für das gewerbliche Betriebsvermögen von Personengesellschaften sind ihrem Inhalt nach nicht an die Gesellschaft als solche, sondern an die Gesellschafter gerichtet; für die Wirksamkeit dieser Bescheide kommt es daher darauf an, daß sich aus ihrem gesamten Inhalt ergibt, für welche Personen bestimmte Anteile am Gewinn und gewerblichen Betriebsvermögen festgestellt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 8. Juli 1982 IV R 20/78, BFHE 136, 252, BStBl II 1982, 700, 702; vom 18. Dezember 1991 XI R 42, 43/88, BFHE 167, 347, BStBl II 1992, 585).
Entgegen der Auffassung der Kläger genügen die angefochtenen Bescheide diesen Anforderungen. Denn in ihnen ist die atypisch stille Gesellschaft genannt, und es sind die einzelnen Gesellschafter als Feststellungsbeteiligte und damit als Adressaten eindeutig bezeichnet.
2. a) Die Bescheide sind auch ordnungsgemäß bekanntgegeben worden (§ 122 Abs. 1 Satz 3 AO 1977). Denn sie sind der steuerlichen Beraterin der Kläger als der von ihnen benannten Empfangsbevollmächtigten übersandt worden.
Zwar sind nach der Vollbeendigung einer Personengesellschaft solche Bescheide, die ihrem Inhalt nach an die Gesellschafter gerichtet sind, grundsätzlich allen früheren Gesellschaftern einzeln bekanntzugeben, und nur diese sind klagebefugt, soweit die Bescheide die Zeit ihrer Zugehörigkeit betreffen (vgl. BFH-Urteile vom 30. März 1978 IV R 72/74, BFHE 125, 116, BStBl II 1978, 503; vom 8. Oktober 1991 VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324). Eine Einzelbekanntgabe ist aber gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 AO 1977 dann nicht erforderlich, wenn die früheren Gesellschafter einen gemeinsamen Empfangsbevollmächtigten bestellt haben und die Bescheide diesem bekanntgegeben werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120; BFH-Beschluß vom 8. April 1997 IV B 82/96, BFH/NV 1997, 663, 664; vgl. auch BFH-Urteil vom 7. Februar 1995 IX R 3/93, BFHE 177, 22, BStBl II 1995, 357).
Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Denn das FG hat festgestellt, daß die Gesellschafter in ihrer an das FA gerichteten Anmeldung der atypisch stillen Gesellschaft ihre steuerliche Beraterin zu ihrer Empfangsbevollmächtigten bestellt haben. Die Revision hat diese Feststellung nicht mit zulässigen und begründeten Rügen angegriffen, so daß der Senat an sie gebunden ist (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Die privatrechtliche Vollbeendigung der Gesellschaft hat auf das Fortbestehen der von den betroffenen Gesellschaftern für die Vertretung ihrer eigenen Person erteilten Vollmachten keinen Einfluß (vgl. BFH-Beschluß vom 6. Mai 1998 IV B 108/97, BFH/NV 1999, 146, 148, unter 1. b bb der Gründe). Danach ist die Annahme des FG, daß im Streitfall die Bekanntgabe der Bescheide durch Übersendung an die steuerliche Beraterin ausreichend war, nicht zu beanstanden.
b) Darüber hinaus wäre selbst dann, wenn ein Bekanntgabemangel vorgelegen hätte, eine Heilung eingetreten. Das FG hat festgestellt, daß die angefochtenen Bescheide an die wirklichen Empfänger, die Kläger, gelangt seien. Die Rechtsauffassung des FG, daß auch außerhalb der förmlichen Zustellung (vgl. § 9 des Verwaltungszustellungsgesetzes) Bekanntgabemängel durch den tatsächlichen Zugang des Schriftstücks geheilt werden können, steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 8. Dezember 1988 IV R 24/87, BFHE 155, 472, BStBl II 1989, 346). Die Revision hat gegen die Annahme des FG, daß die angefochtenen Bescheide den Gesellschaftern tatsächlich zugegangen sind, keine Einwände erhoben.
c) Schließlich wäre ein eventueller Bekanntgabemangel auch durch die ordnungsgemäße Zustellung der Einspruchsentscheidung geheilt worden. Da gemäß § 44 Abs. 2 FGO Gegenstand einer Anfechtungsklage der ursprüngliche Bescheid in der Gestalt ist, die er durch Einspruchsentscheidung gefunden hat, kann nach der ständigen Rechtsprechung ein Bekanntgabemangel durch Zustellung der Einspruchsentscheidung geheilt werden (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 167, 347, BStBl II 1992, 585, 586, m.w.N.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Einspruch nicht unzulässig war (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1994 VIII R 45/92, BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603). Im Streitfall ist die Einspruchsentscheidung, durch die die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen worden sind, der Bevollmächtigten der Kläger zugestellt worden. Die Kläger haben die Bevollmächtigung für das Einspruchsverfahren nicht bestritten.
3. Das FG hat auch rechts- und verfahrensfehlerfrei entschieden, daß die Kläger nicht nur zivilrechtliche Gesellschafter, sondern auch gemeinsam Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG der durch Vertrag vom 18. Dezember 1987 gegründeten stillen Gesellschaft waren.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß sich der Gesellschafter einer GmbH an dieser still beteiligen kann (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BFHE 170, 345, BStBl II 1994, 702, 704, m.w.N.). Dementsprechend besteht auch kein Streit darüber, daß die Kläger zu 2 und 3 zivilrechtlich wirksam stille Gesellschafter der GmbH, der Klägerin zu 1, gewesen sind und daß aufgrund der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarungen nur eine stille Gesellschaft bestanden hat.
Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist der stille Gesellschafter einer zivilrechtlich wirksam begründeten stillen Gesellschaft aber nur dann, wenn er kumulativ Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 440, BStBl II 1984, 751). Das FG hat die Gesamtumstände des Streitfalles zutreffend dahin gewürdigt, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind.
a) Die stillen Gesellschafter konnten Mitunternehmerinitiative ausüben. Ihnen standen nach dem vom FG festgestellten Inhalt des Gesellschaftsvertrages (Nr. IX) die Informations- und Kontrollrechte gemäß § 716 BGB zu. Bereits diese Rechte, die über Informationsrechte eines stillen Gesellschafters nach § 233 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB) oder eines Kommanditisten nach § 166 HGB hinausgehen (vgl. § 233 Abs. 2 HGB), reichen nach der Rechtsprechung aus, um eine Mitunternehmerinitiative der Gesellschafter bejahen zu können (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1989 IV R 120/87, BFH/NV 1991, 319, unter 3. c der Entscheidungsgründe).
Darüber hinaus hat der BFH aber bei der Entscheidung, ob und in welchem Ausmaß einem Gesellschafter Mitunternehmerinitiative zusteht, nicht ausschließlich auf die dem Gesellschafter unmittelbar aufgrund des Gesellschaftsvertrags zustehenden Rechte abgestellt. Vielmehr sind entgegen der Auffassung der Kläger bei der Beurteilung des Ausmaßes der Unternehmerinitiative, die ein Gesellschafter entfalten kann, auch sonstige Umstände einzubeziehen. Deshalb hat der BFH einen im Rahmen der Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse erheblichen Einzelumstand darin gesehen, daß der (stille) Gesellschafter als der alleinige Geschäftsführer der (Komplementär-) GmbH aufgrund dieser Stellung tatsächlich in besonders großem Umfang Mitunternehmerinitiative entfalten konnte (BFH-Urteile vom 16. Dezember 1997 VIII R 32/90, BFHE 185, 190, BStBl II 1998, 480, 484; in BFHE 170, 345, BStBl II 1994, 702).
Im Streitfall konnten der Kläger zu 2 während des gesamten Zeitraums und die Klägerin zu 3 seit ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin im Mai 1988 in einem besonders starken Maße Mitunternehmerinitiative ausüben, weil sie als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH sämtliche unternehmerischen Entscheidungen zu treffen hatten.
b) Die Kläger haben auch Mitunternehmerrisiko getragen.
Der stille Gesellschafter hat ein ausreichendes Mitunternehmerrisiko in der Regel nur, wenn ihm bei Beendigung der Gesellschaft ein Anspruch auf Beteiligung am tatsächlichen Zuwachs des Gesellschaftsvermögens unter Einschluß der stillen Reserven und eines Geschäftswerts zusteht (vgl. BFH-Urteile vom 13. Juli 1993 VIII R 85/91, BFHE 172, 416, BStBl II 1994, 243, 246; in BFHE 170, 345, BStBl II 1994, 702).
aa) Im Streitfall hat das FG ein Mitunternehmerrisiko der stillen Gesellschafter angenommen, weil sie am Gewinn und Verlust ―wenn auch in beschränkter Höhe― beteiligt waren und im Fall der Beendigung der Gesellschaft einen Anspruch auf Abfindung entsprechend dem Wert der Beteiligung hatten. Diese Würdigung läßt keinen Fehler erkennen. Nach der im Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1987 unter Nr. XII getroffenen Vereinbarung sollte sich die Bewertung der Beteiligung nach Abschn. 76 ff. VStR und damit nach dem sog. Stuttgarter Verfahren richten. Der BFH hat die Ermittlung des Geschäftswerts nach dieser Methode zugelassen, wenn im Unternehmen nur durchschnittliche oder geringe Erträge zu erwarten sind (Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 79/88, BFH/NV 1991, 364). Er hat angenommen, daß der Geschäftswert bei einer Bewertung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren nur zu einem Drittel erfaßt sei, wenn die Unternehmensrendite den für die Bewertung angenommenen Normalzinssatz übersteigt (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 1988 II R 1/85, BFHE 154, 134, BStBl II 1988, 822). Nach dem Urteil vom 21. Januar 1993 XI R 33/92 (BFH/NV 1994, 12) kann die Wertermittlung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren, das auf vorsichtigen Annahmen und Schätzungen beruht, als Grundlage zur Bestimmung des für die Bemessung der Einkommensteuer relevanten gemeinen Werts herangezogen werden, soweit dies nicht aus besonderen Gründen im Einzelfall zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt. Auch in der Literatur wird angenommen, daß eine Abfindung, die nach dieser Methode errechnet worden ist, jedenfalls bis zum Jahr 1992 in der Nähe des vollen wirtschaftlichen Wertes des Anteils gelegen habe (vgl. Heller, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 1999, 594, 596).
bb) Letztlich kann im Streitfall die Frage, in welchem genauen Ausmaß der Geschäftswert bei der Wertermittlung nach dem sog. Stuttgarter Verfahren erfaßt worden wäre, dahingestellt bleiben. Denn die Rechtsprechung hat die Kompensation eines schwach ausgeprägten Unternehmerrisikos, wie es bei fehlender Beteiligung an den stillen Reserven vorliegt, durch eine stark ausgebildete Mitunternehmerinitiative für zulässig gehalten. Eine solche Kompensation hat der BFH beispielsweise angenommen, wenn der nicht an den stillen Reserven beteiligte stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG, der zugleich Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär GmbH war, als solcher auch die Geschäfte der KG führte (BFH-Urteil vom 20. November 1990 VIII R 10/87, BFHE 163, 336). Ebenso hat er für den alleinigen Anteilseigner und Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, der außerdem an der GmbH & Co. KG still beteiligt war und als GmbH-Geschäftsführer auch die Geschäfte der GmbH & Co. KG führte, eine Mitunternehmerstellung selbst dann bejaht, wenn er weder am Verlust noch an den stillen Reserven, noch am Geschäftswert der KG beteiligt war (Urteil vom 11. Dezember 1990 VIII R 122/86, BFHE 163, 346). Er hat an dieser Rechtsprechung in dem Urteil in BFHE 170, 345, BStBl II 1994, 702 festgehalten und bekräftigt, daß die Annahme einer atypisch stillen Gesellschaft nicht zwingend und ausnahmslos von der Beteiligung des Stillen an den stillen Reserven und am Geschäftswert abhängig sei. In dem Urteil in BFHE 185, 190, BStBl II 1998, 480 hat er trotz mangelnder Beteiligung des stillen Gesellschafters an den stillen Reserven und am Geschäftswert das Mitunternehmerrisiko bejaht, weil ein schwach ausgeprägtes Unternehmerrisiko durch eine stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative, wie sie dem stillen Gesellschafter als dem alleinigen Geschäftsführer der Komplemtär-GmbH zugestanden habe, kompensiert werde.
Das bedeutet für den Streitfall, daß selbst dann, wenn mit der vereinbarten Abfindung der Geschäftswert nur zu einem Bruchteil abgegolten worden wäre, dies bei der gebotenen Würdigung des Gesamtbildes der Verhältnisse nichts an dem Ergebnis des FG geändert hätte, daß die stillen Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind. Zwar wäre bei einer nur bruchteiligen Erfassung des Geschäftswerts das Mitunternehmerrisiko entsprechend niedriger einzustufen. Aber auch dieses niedrigere Risiko wäre ausreichend dadurch kompensiert worden, daß die beiden stillen Gesellschafter aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH tatsächlich eine besonders stark ausgeprägte Möglichkeit zur Entfaltung von Unternehmerinitiative hatten.
cc) Soweit die Kläger mit der Revision geltend machen, das FG habe seiner Gesamtwürdigung aller Umstände des Streitfalles zu Unrecht allein die unter Nr. XII des Gesellschaftsvertrages vom 18. Dezember 1987 getroffene Vereinbarung zugrunde gelegt, und nicht berücksichtigt, daß in einem Nachtrag vom 19. Dezember 1987 vereinbart worden sei, daß den stillen Gesellschaftern kein Anteil am Geschäftswert des Unternehmens zustehe, handelt es sich um neues Vorbringen der Kläger, das der Senat im Revisionsverfahren nicht berücksichtigen kann. Das Vorbringen ist neu, weil das FG nicht festgestellt hat, daß ein Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1987 existiert und welchen Inhalt er hat. Der Senat ist an die tatsächlichen Feststellungen des FG zum Inhalt des Gesellschaftsvertrages gebunden, weil diese Feststellungen nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden sind (§ 118 Abs. 2 FGO).
Das FG hat entgegen der Rüge der Kläger nicht gegen seine Verpflichtung zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 FGO) verstoßen. Denn es lagen für das FG keine Anhaltspunkte dafür vor, daß der Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1987 in einem entscheidungserheblichen Punkt eine Änderung erfahren haben könnte. Das FA hatte in der Einspruchsentscheidung ausschließlich auf den Gesellschaftsvertrag vom 18. Dezember 1987 Bezug genommen und festgestellt, daß der Wert der Abfindung für die stillen Gesellschafter nach dem "Stuttgarter Verfahren" berechnet werden sollte. Unter diesen Umständen wäre es allein Sache der Kläger gewesen, im Klageverfahren den ―ihrer Meinung nach vom FA unrichtig oder zumindest unvollständig festgestellten― Sachverhalt richtigzustellen oder zu ergänzen und den ―im übrigen auch mit der Revisionsbegründung nicht zu den Akten gereichten― Nachtrag vom 19. Dezember 1987 dem FG vorzulegen. Für das FG bestand nach Lage der Dinge zu einer weiteren Sachverhaltsaufklärung kein Anlaß. Demgegenüber ist nicht einsichtig, weshalb die Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung nicht auf den Nachtrag zum Gesellschaftsvertrag hingewiesen haben, obwohl ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung der Geschäftswert und die Wertermittlung gemäß Abschn. 76 VStR Gegenstand der Erörterung gewesen sind.
dd) Zu Recht hat es das FG auch für unerheblich gehalten, daß die stillen Gesellschafter bei Beendigung der stillen Gesellschaft aufgrund der Vereinbarung vom 15. April 1991 tatsächlich keine Abfindung entsprechend dem Wert der Beteiligung erhalten haben. Denn diese einvernehmliche Vertragsänderung im Jahre 1991 konnte steuerlich nicht auf die zu beurteilenden Streitjahre und Stichtage zurückwirken.
4. Die angefochtenen Bescheide sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.
Wie der Senat nach Ergehen der Vorentscheidung entschieden hat, handelt es sich dann, wenn der stille Gesellschafter Mitunternehmer einer GmbH & Still ist, bei der Tätigkeitsvergütung, die er als Geschäftsführer der GmbH, der tätigen Gesellschafterin, erhält, um eine Sondervergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz EStG im Rahmen der mitunternehmerischen Beteiligung an der GmbH & Still (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1998 VIII R 62/97, BFH/NV 1999, 773). Für die Vergütungen für die Überlassung von Wirtschaftsgütern gilt nichts anderes. Nach §§ 95, 97 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 BewG ist das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters als Betriebsvermögen der Gesellschaft zu erfassen. Sonstige Gründe, die die Höhe und Aufteilung der festgestellten Einheitswerte als fehlerhaft erscheinen lassen könnten, sind von den Klägern weder vorgetragen noch ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 424801 |
BFH/NV 2000, 554 |
HFR 2000, 403 |