Leitsatz (amtlich)
Werden von einer juristischen Person im Zusammenhang mit ihrer Veranlagung zur Vermögensabgabe Ostschäden geltend gemacht, die durch den Verlust einer unselbständigen Zweigniederlassung entstanden sind, so ist bei der Berechnung des Schadenshöchstbetrages die Vorschrift des § 13 Abs. 6 Nr. 2 des Feststellungsgesetzes zu beachten.
Normenkette
LAG §§ 39-41, 46-47, 47 a, 47 b; FestG § 12; FestG § 13; FestG § 19; 8. FestDV § 2
Tatbestand
Streitig ist die Vermögensabgabeveranlagung im Hinblick auf erlittene Ostschäden. Unmittelbare Geschädigte und Abgabepflichtige zum 21. Juni 1948 war die H-AG. Der Antrag gemäß § 39 Abs. 3 LAG auf Ermäßigung der Vermögensabgabe wegen erlittener Ostschäden wurde am 17. August 1950 von der M-AG gestellt. Nach Umwandlung der AG in eine GmbH ging die Firma schließlich im Zuge mehrfacher Fusionen im Jahre 1965 auf die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) über.
Da die M-AG bis März 1956 eine Vermögensabgabeerklärung nicht abgegeben hatte, hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) die Veranlagung zunächst aufgrund der vorliegenden Unterlagen, insbesondere eines Betriebsprüfungsberichts durchgeführt.
Der Einspruch, mit dem u. a. geltend gemacht wurde, daß auch Kriegs- bzw. Ostschäden zu berücksichtigen seien, die jedoch im einzelnen noch nicht spezifiziert werden könnten, blieb insoweit ohne Erfolg.
Auch die Klage war erfolglos. Das Finanzgericht (FG) hielt die Vorschrift des § 47 b LAG im Streitfall für anwendbar, es versagte deshalb die Ermäßigung der Vermögensabgabe schon aus diesem Grunde, weil die Klägerin mit ihren erheblichen Vermögenswerten die Vermögensgrenzen dieser Vorschrift weit übersteige. Im übrigen hielt das FG die Klägerin nicht für ermäßigungsberechtigt, da sie nicht die unmittelbar Geschädigte sei.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der fehlerhafte Anwendung der §§ 39, 40, 41, 46, 47 47 a und 47 b LAG sowie des § 13 Abs. 6 Nr. 2 des Feststellungsgesetzes (FestG) gerügt wird. Die Klägerin führt im wesentlichen aus, daß das FG zu Unrecht die Vorschrift des § 47 b LAG für anwendbar gehalten habe. Für Ostschäden gelte ausschließlich die Vorschrift des § 46 LAG, die aber keine Einschränkung für die Anwendung der Vergünstigungsvorschrift des § 13 Abs. 6 Nr. 2 FestG enthalte. Im Gegensatz zu den Vorschriften des § 47 LAG und des § 47 a LAG, letzterer durch § 1 Nr. 17 des Achten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vom 26. Juli 1957 (8. ÄndGLAG) neu eingefügt, die beide nicht nur Kriegssachschäden sondern auch Vertreibungs- und Ostschäden berücksichtigten, sei nach dem Wortlaut des § 47 b LAG eine zusätzliche Minderung der Vermögensabgabe nur für Kriegssachschäden vorgesehen.
Die Klägerin hält sich auch für ermäßigungsberechtigt gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 LAG, da sie die unmittelbar Geschädigte sei. Hierzu müsse auf die Verhältnisse des Währungsstichtages abgestellt werden. Der unmittelbar Geschädigte sei die H-AG gewesen, die eine unselbständige Zweigniederlassung in der Ostzone verloren habe. Im Jahre 1954 habe die H-AG lediglich ihren Firmennamen in M-AG geändert. Letztere habe auch den Ermäßigungsantrag nach § 39 Abs. 3 LAG am 17. August 1956 gestellt. Die Namensänderung der unmittelbar Geschädigten zwischen dem Entstehen der Vermögensabgabeschuld und der Stellung des Antrags auf Ermäßigung der Vermögensabgabe sei unbeachtlich, da die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft unverändert erhalten geblieben sei. Die unmittelbar geschädigte Gesellschaft sei erst nach Stellung des Antrags auf Berücksichtigung der Schäden aufgrund einer verschmelzenden Umwandlung untergegangen. Dies sei ebenso wie alle späteren Übertragungen des Betriebsvermögens für die Gewährung der Ermäßigung unbeachtlich. Die das Betriebsvermögen übernehmende Gesellschaft sei entweder als Gesamtrechtsnachfolger oder aufgrund entsprechender Einzelrechtsnachfolge mit Genehmigung des FA in das bereits von der unmittelbar geschädigten Gesellschaft eingeleitete Rechtsmittelverfahren eingetreten. Die Klägerin beantragt, den zu berücksichtigenden Schaden auf … DM festzusetzen.
Das FA beantragt kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
1. Nach § 39 Abs. 1 LAG können Kriegssachschäden, Vertreibungs- und Ostschäden durch Ermäßigung der Vermögensabgabe von dem nach § 40 LAG Ermäßigungsberechtigten in dem sich aus § 47 LAG ergebenden Ausmaß berücksichtigt werden. Gemäß § 46 LAG können Ostschäden auch bei juristischen Personen durch Ermäßigung der Vermögensabgabe berücksichtigt werden, wenn sie nicht als Vertriebene im Sinne des § 44 Abs. 1 LAG gelten. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 LAG ist nur der unmittelbar Geschädigte ermäßigungsberechtigt.
a) Entgegen der Auffassung des FG ist die Klägerin im vorliegenden Fall berechtigt, die Ostschäden der unmittelbar Geschädigten, der H-AG, geltend zu machen. Die H-AG hat im Jahre 1954 lediglich ihren Namen in M-AG geändert. Durch diese Namensänderung wird die Identität zwischen der unmittelbar Geschädigten und der späteren Abgabepflichtigen nicht berührt.
b) Der Antrag auf Berücksichtigung der Schäden ist gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 LAG bis zur Abgabe der Vermögensabgabeerklärung zu stellen. Im Streitfall ist der Antrag erst im Einspruchsverfahren gestellt worden. Die Versäumung dieser Frist hat jedoch nicht den Verlust des Antragsrechts zur Folge, da die in § 39 Abs. 3 Satz 2 LAG bestimmte Frist keine Ausschlußfrist darstellt und die Antragstellung damit noch im Rechtsmittelverfahren bis zum Abschluß der Tatsacheninstanz nachgeholt werden kann (vgl. Kühne-Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, § 39 LAG, Tz. 18 a; Erlaß des Bundesministers der Finanzen – BdF – vom 3. Januar 1955 IV C/4-LA 2459-3/54 zu Tz. 38, BStBl I 1955, 31 ff.).
c) Da sonach der unmittelbar Geschädigte und der Ermäßigungsberechtigte zum Zeitpunkt der Antragstellung identisch waren, wird diese Rechtsstellung durch spätere Fusionen nicht berührt. Der Übergang des Vermögens durch die späteren Fusionierungen erfolgte in dem Umfang und mit den Beschränkungen, die sich aus der noch von der Abgabepflichtigen selbst beantragten und geltend gemachten Schadensermäßigung ergaben. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausging, ist die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Das FG konnte die Ablehnung des geltend gemachten Ostschadens auch nicht mit dem Hinweis auf die Vorschrift des § 47 b LAG ablehnen. § 47 b LAG ist erst nachträglich durch das 17. ÄndGLAG in das Gesetz eingeführt worden. Im Gegensatz zu den Vorschriften der §§ 47 und 47 a LAG, die sich ausdrücklich auf Kriegssachschäden, Vertreibungs- und Ostschäden erstrecken, ist die Ermäßigung nach § 47 b LAG nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes auf eine Minderung der Vermögensabgabe wegen Kriegssachschäden beschränkt. Auch eine mittelbare Anwendung des § 47 b LAG über § 41 LAG kommt nicht in Betracht, weil § 41 LAG sich ebenfalls nur auf Kriegssachschäden beschränkt.
a) Ostschäden sind demgegenüber gemäß § 46 Abs. 2 LAG ausschließlich nach den Vorschriften des Feststellungsgesetzes zu berechnen (ebenso BdF-Erlaß vom 4. Januar 1965 IV C/4-LA 2319 b-1/65, Tz. 8, BStBl I 1965, 10). Das Verfahren richtet sich nach § 42 LAG, d. h., die Ermäßigung der Vermögensabgabe hat im Rahmen der Veranlagung zur Vermögensabgabe zu erfolgen.
Nach § 19 FestG finden für die Schadensberechnung bei Ostschäden die Vorschriften über die Schadensberechnung bei Vertreibungsschäden entsprechende Anwendung. Bei Betriebsvermögen ist der Schaden unter Zugrundelegung des zuletzt festgestellten Einheitswertes festzustellen (§ 12 FestG). Das nähere Verfahren hierzu ist in der Achten Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes (8. FeststellungsDV) geregelt. Diese Durchführungsverordnung ist in der Fassung vom 31. Juli 1970 anzuwenden, da die 8. FeststellungsDV vom 18. Dezember 1956 gemäß § 17 der 8. FeststellungsDV vom 31. Juli 1970 rückwirkend zum Währungsstichtag außer Kraft gesetzt wurde.
b) Die Geschädigte und Antragstellerin hatte ihre Geschäftsleitung im Zeitpunkt der Schädigung im Geltungsbereich des Feststellungsgesetzes. Für diesen Fall schreibt § 2 der 8. FeststellungsDV vor, daß dann, wenn teilweise Vertreibungs- oder Ostschäden geltend gemacht werden, Schäden an Betriebsgrundstücken und Schäden an übrigen Wirtschaftsgütern, also insbesondere auch am Betriebsvermögen getrennt zu berechnen sind. Schäden an Betriebsgrundstücken werden wie Schäden an wirtschaftlichen Einheiten des Grundbesitzes nach § 12 Abs. 1 oder 2 FestG berücksichtigt, Schäden am Betriebsvermögen nach den Grundsätzen des § 13 Abs. 3 Nr. 2 FestG. Die vorgenannten Schäden sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 8. FeststellungsDV höchstens mit dem Betrag festzustellen, „um den der für die wirtschaftliche Einheit auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor der Schädigung festgestellte Einheitswert, erhöht um die Hinzurechnungen nach § 13 Abs. 5 des Feststellungsgesetzes, den auf den Währungsstichtag festgestellten Einheitswert, vermindert um die Kürzungen nach § 13 Abs. 6 des Feststellungsgesetzes, übersteigt”. Nach § 13 Abs. 6 FestG können nach Nr. 1 dieser Vorschrift bei der Berechnung des Schadenshöchstbetrages auf Antrag bestimmte hier nicht interessierende Umstände berücksichtigt werden, während nach Nr. 2, ohne daß ein Antrag gestellt werden müßte, der maßgebende Endvergleichswert um 30 v. H. zu kürzen ist.
Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung auch aus diesem Grunde aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat, aus seiner Sicht zutreffend, keine Feststellungen über die Höhe der eingetretenen Ostschäden getroffen. Das FG wird diese Feststellungen unter Beachtung der vorgenannten Vorschriften des Feststellungsgesetzes nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 514524 |
BFHE 1976, 515 |