Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. Mai 2001 wird nicht angenommen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 117.068,11 DM (= 59.855,97 EUR) festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Sache wirft entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf; das in OLG-Report Karlsruhe/Stuttgart 2002, 77 veröffentlichte Berufungsurteil ist in Ergebnis und Begründung richtig (§ 554 b ZPO a.F.).
1. Der Kläger hatte an der gepfändeten und eingezogenen Forderung kein die Veräußerung hinderndes Recht (§ 771 ZPO); insoweit ist das beklagte Land durch den Forderungseinzug auch nicht auf seine Kosten ungerechtfertigt bereichert (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).
a) Die Forderung aus einem Oder-Konto kann bei jedem Gesamtgläubiger gepfändet und an den Pfändungsgläubiger überwiesen werden (BGHZ 93, 315, 320 f.; 95, 185, 187). Das berührt die übrigen Gläubiger ebensowenig wie die Abtretung des Forderungsrechts von seiten eines Gesamtgläubigers (§ 429 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Einzelwirkung der Pfändung ermöglicht es der Bank, ungehindert durch § 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO weiterhin befreiend Guthaben an die übrigen Gläubiger auszuzahlen (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1979 – VIII ZR 215/78, NJW 1979, 2038, 2039) oder ihnen gegenüber Gutschriften auf einen Schuldsaldo des Oder-Kontos zu verrechnen (vgl. BGHZ 95, 185, 188). Eine Widerspruchsbefugnis der übrigen Gläubiger gegen die Pfändung aus ihrem Außenverhältnis zur Bank kommt somit nicht in Betracht.
b) Das OLG Koblenz (WM 1990, 1532, 1534 f = NJW-RR 1990, 1385) hat versucht, eine Widerspruchsbefugnis der übrigen Gläubiger gegen die Forderungspfändung aus dem Innenverhältnis der Gesamtgläubiger heraus zu begründen. So wie der Zessionar des einen Gesamtgläubigers dessen Forderung nur belastet mit der Ausgleichspflicht zugunsten der übrigen Gläubiger erwerben könne, dürfe auch nur der (Netto-)Anteil dieses Gesamtgläubigers (Vollstreckungsschuldners) dem effektiven Gläubigerzugriff offenstehen.
Diese Ansicht hat das Berufungsgericht zu Recht abgelehnt. Die Widerspruchsbefugnis der übrigen Gläubiger würde zwangsläufig auch dann, wenn sie aus dem Innenverhältnis herkäme, das Gesamtrechtsverhältnis umgestalten. Die Gesamtgläubigerschaft bleibt jedoch bei einer nur einzelwirkenden Pfändung aufrechterhalten (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urt. v. 30. Oktober 1990 – XI ZR 352/89, WM 1990, 2067, 2068).
c) Die behauptete Abrede zwischen dem Kläger und der Vollstreckungsschuldnerin, nach welcher letztere sich verpflichtet haben soll, über das Guthaben des Oder-Kontos nicht zu verfügen, hat nicht die Kraft eines Veräußerungsverbotes i.S. der §§ 135, 136 BGB, welches gemäß § 772 ZPO eine Widerspruchsbefugnis begründet. Die Nichtverfügungsabrede hat vielmehr gemäß §§ 137 BGB, 851 Abs. 1 ZPO im Grundsatz nur schuldrechtliche Wirkung. Selbst als Forderungsvinkulierung (§ 399 BGB 2. Fall) würde sie einer Pfändung gemäß § 851 Abs. 2 ZPO nicht entgegenstehen.
Eine zum Widerspruch berechtigende, treuhänderische Gläubigerposition der Vollstreckungsschuldnerin ist in den Tatsacheninstanzen nicht hinreichend dargetan worden. Die mögliche Alleinberechtigung des Klägers an dem eingezogenen Guthaben im Innenverhältnis und die behauptete Nichtverfügungsabrede genügen dafür nicht. Die von der Revision herangezogenen Entscheidungen (BGH, Urt. v. 7. April 1959 – VIII ZR 219/57, NJW 1959, 1223, 1225; v. 16. Dezember 1970 – VIII ZR 36/69, WM 1971, 220, 221; siehe außerdem noch Urt. v. 1. Juli 1993 – IX ZR 251/92, NJW 1993, 2622; v. 8. Februar 1996 – IX ZR 151/95, NJW 1996, 1543) betreffen andere Fälle.
2. Dem Kläger steht gegen das beklagte Land auch kein Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung (§ 805 ZPO) zu.
Das OLG Koblenz (aaO) verdinglicht das Innenverhältnis zwischen Gesamtgläubigern ohne eine gesetzliche Grundlage. Der sachenrechtliche numerus clausus läßt eine solche Lösung nicht zu. Die Vorschriften der §§ 756, 755 Abs. 2 BGB (vgl. auch §§ 51 KO, 84 Abs. 1 InsO) sind bei der Gesamtgläubigerschaft nicht anwendbar. Sie beruhen auf einem anderen Außen- und Innenverhältnis. Auch anderweitig ist ein gesetzliches Pfandrecht an der Forderung gegen den Schuldner zugunsten der ausgleichsberechtigten übrigen Gesamtgläubiger nicht vorgesehen.
3. Zutreffend hat das Berufungsgericht ferner verneint, daß das beklagte Land infolge der Einziehung des gepfändeten Guthabens dem Kläger – wie ein Zessionar – nach § 430 BGB zum Ausgleich verpflichtet sei. Denn eine solche Ausgleichspflicht besteht entgegen dem OLG Koblenz (aaO) weder zu Lasten eines Zessionars noch zu Lasten des Pfändungsgläubigers.
Das Gesetz hat in § 429 Abs. 3 Satz 2 BGB bestimmt, daß die Rechte der übrigen Gläubiger unberührt bleiben, wenn ein Gesamtgläubiger seine Forderung auf einen anderen überträgt. Damit sollte klargestellt werden, daß der abtretende Gesamtgläubiger über die Ansprüche seiner Mitgläubiger insoweit nicht verfügen kann, die übrigen Gesamtgläubiger also nicht zugunsten des Zessionars ausgeschlossen werden (Motive BGB II S. 161). Der Wortlaut der Vorschrift deckt aber auch die Rechte der übrigen Gläubiger im Innenverhältnis (§ 430 BGB) und entspricht in dieser Hinsicht ebenfalls Sinn und Zweck des Gesetzes. Ein denkbarer gesetzlicher Schuldbeitritt des Zessionars oder Pfändungsgläubigers zum Innenverhältnis mit den übrigen Gläubigern wäre mit § 429 Abs. 3 Satz 2 BGB unvereinbar.
Entscheidungsgründe
II.
Das Berufungsurteil verletzt entgegen der Meinung der Revision weder Art. 6, 17 EMRK noch Art. 101 Abs. 1 GG oder § 17 a Abs. 1, 3 Satz 2 GVG. Der Senat hat die Rügen der Revision geprüft aber nicht für durchgreifend erachtet. Dem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen insoweit erhobener Verfassungsbeschwerden ist schon deshalb nicht zu entsprechen, weil der Kläger nicht darlegt, daß er selbst Verfassungsbeschwerdeführer ist.
Auch der noch schwebende finanzgerichtliche Vollstreckungsrechtsschutz ist für die Widerspruchs- oder Vorzugsklage und die schuldrechtlichen Ansprüche des betroffenen Dritten (§§ 771, 805 ZPO, 430, 812 BGB) nicht vorgreiflich, sondern diese Rechtsschutzmöglichkeiten stehen nebeneinander (vgl. in diesem Zusammenhang MünchKomm-ZPO/K. Schmidt, 2. Aufl. § 771 Rn. 9 zum Verhältnis von § 771 und § 766 ZPO). Die Widerspruchsklage ist auch bei nichtiger oder unwirksamer Zwangsvollstreckung in das Vermögen gegeben (BGH, Urt. v. 11. Juli 1962 – VIII ZR 125/61, WM 1962, 1177). Nur ausnahmsweise kann, wenn der Vollstreckungsrechtsschutz erfolgreich ist oder hohe Erfolgsaussicht bietet, das Rechtsschutzinteresse der Drittwiderspruchsklage fehlen (vgl. RGZ 81, 190, 191 f). Solche Umstände sind hier nicht erkennbar.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Raebel, Kayser
Fundstellen
Haufe-Index 779198 |
BGHR 2003, 50 |