Leitsatz (amtlich)
Ein Gleichordnungskonzern, bei dessen Vorliegen im Rahmen der Fusionskontrolle die Umsatzerlöse aller Konzerngesellschaften für die Ermittlung der Schwellenwerte des § 24 Abs. 8 GWB zusammenzurechnen sind, kann vorliegen, wenn die Begründung einheitlicher Leitung aus den Gesamtumständen, insbesondere aufgrund personeller Verflechtungen, einheitlicher Zielvorgaben und eines gleichgerichteten Verhaltens der Konzerngesellschaften, geschlossen werden kann.
Normenkette
GWB § 24 Abs. 8, § 23 Abs. 1 S. 2; AktG § 18 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerden gegen den Beschluß des Kartellsenats des Kammergerichts vom 12. März 1997 werden auf Kosten der Betroffenen zu 1 bis 8 zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5 Mio. DM festgesetzt.
Gründe
A.
Die Betroffene zu 2 (im folgenden: Deil KG) verlegt die „Pirmasenser Zeitung”, eine regionale Abonnement-Tageszeitung, die im wesentlichen in der Stadt Pirmasens und im östlichen Teil des Landkreises Pirmasens vertrieben wird. Die Betroffene zu 1 (im folgenden: Tukan), die zu diesem Zweck am 1. Dezember 1994 gegründet worden war, erwarb durch notariellen Vertrag vom 20. Dezember 1994 von den Betroffenen zu 6, 7 und 8 – Mitgliedern der Verlegerfamilie B. – sämtliche Gesellschafts- bzw. Geschäftsanteile an der Deil KG und ihrer Komplementär-GmbH.
Die Zustellung der „Pirmasenser Zeitung” wird von einer hundertprozentigen Tochter der Deil KG, der PZ-Vertriebsgesellschaft mbH, besorgt; ein weiteres Tochterunternehmen ist mit dem Verteilen von Werbedrucksachen befaßt. Die verkaufte Auflage der „Pirmasenser Zeitung” betrug im letzten Quartal 1994 15.523 Exemplare. Außer der „Pirmasenser Zeitung” gibt die Deil KG noch eine heimatgeschichtliche Zeitschrift und eine Wochenzeitung für US-Militärangehörige heraus. Gemeinsam mit der Betroffenen zu 4 verlegt sie die Stadtillustrierte „Pirmasens Illustriert”. Ihr Umsatz betrug im Jahre 1994 fast 14 Mio. DM, davon etwa 12,75 Mio. DM Presseumsatz.
Die Betroffene zu 4 (im folgenden: Rheinpfalz) bildet zusammen mit der Betroffenen zu 5 (im folgenden: Medien Union) die Konzernspitze der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe. Diese Gruppe betätigt sich auf dem Gebiet des Hörfunks und der Herausgabe von (Schul-)Büchern, Regionalzeitungen und Anzeigenblättern. Die Umsätze der Gruppe betrugen 1994 954 Mio. DM, davon 491 Mio. DM Presseumsätze. Nicht berücksichtigt sind dabei die Umsätze der PSA Stadtanzeiger GmbH & Co. KG (im folgenden: PSA) und der PVG Pressevertriebsgesellschaft mbH (im folgenden: PVG), zweier Unternehmen, die wirtschaftlich ebenfalls dieser Gruppe zuzurechnen sind.
Die Rheinpfalz verlegt die regionale Abonnement-Tageszeitung „Die Rheinpfalz”, die in der gesamten Pfalz einschließlich der Stadt und des Landkreises Pirmasens vertrieben wird. Im Verbreitungsgebiet der „Pirmasenser Zeitung” erscheint die „Rheinpfalz” als Lokalausgabe unter dem Titel „Pirmasenser Rundschau”. Die verkaufte Auflage der „Rheinpfalz” lag im vierten Quartal 1994 bei 247.117 Exemplaren, wovon 12.515 auf die „Pirmasenser Rundschau” entfielen. Die Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe verlegt außerdem eine weitere bedeutende regionale Abonnement-Tageszeitung, die „Freie Presse”, Chemnitz, mit einer verkauften Auflage von 495.885 Exemplaren im letzten Quartal 1994. Die Medien Union ist ferner mittelbar an dem Verlag der „Stuttgarter Zeitung” beteiligt.
An Rheinpfalz, Medien Union, Tukan, PSA und PVG sind jeweils Mitglieder der Familien S., L., W., N. und R. wirtschaftlich beteiligt, wobei die auf die jeweilige Familie entfallenden Anteile schon seit Jahrzehnten immer gleich sind.
Der Gesellschaftsvertrag der Rheinpfalz und die Satzung der Komplementär-GmbH enthalten ausführliche Regelungen für den Übergang von Geschäftsanteilen: Danach können nur Angehörige der fünf Gesellschafterfamilien ohne weiteres Gesellschafter werden, der Eintritt familienfremder Personen ist dagegen weitgehend ausgeschlossen (§§ 6 bis 11 des Gesellschaftsvertrags der Rheinpfalz und §§ 6 bis 13 der Satzung der Medien Union). Zwischen den Gesellschaftern von Rheinpfalz und Medien Union besteht des weiteren in Ergänzung zu den Gesellschaftsverträgen eine Vereinbarung vom 17. Dezember 1987, nach der die Aufteilung der Anteile an beiden Gesellschaften dauerhaft gleich zu halten ist; die Gesellschafter haben sich verpflichtet, alles Erforderliche zu unternehmen, um ständig gleiche Beteiligungsverhältnisse und eine gleiche Stimmrechtsverteilung bei beiden Gesellschaften und in bezug auf Beteiligungsgesellschaften zu gewährleisten bzw. herbeizuführen; zur Absicherung haben sie sich bestimmten, auch letztwillige Verfügungen erfassenden Regelungen unterworfen.
Die Verteilung der Anteile an der Rheinpfalz und an der Medien Union auf die Familienstämme S., L., W., N. und R. hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht verändert. So waren 1974 an den beiden Gesellschaften folgende Personen beteiligt:
(i) |
Dr. Dieter S. |
47,7 % |
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|
Josef S. |
2,8 % |
50,5 % |
(ii) |
Arthur L. |
7,2 % |
|
|
Gunter L. |
6,3 % |
|
|
Volker L. |
6,3 % |
19,8 % |
(iii) |
Hans W. |
|
9,9 % |
(iv) |
Michael N. |
|
9,9 % |
(v) |
Frank Xaver R. |
|
9,9 % |
|
|
|
100,0 % |
Heute sind an der Rheinpfalz folgende Personen beteiligt:
(i) |
Dr. Dieter S. |
561.000 DM |
50,5 % |
(ii) |
Gunter L. |
110.000 DM |
|
|
Volker L. |
110.000 DM |
19,8 % |
(iii) |
Ilka F.-W. |
110.000 DM |
9,9 % |
(iv) |
Erbengemeinschaft nach Theo N. bestehend aus Hedwig und Michael N. |
44.000 DM |
|
|
Erbengemeinschaft nach Maria N. bestehend aus Rudolf N. und der Erbengemeinschaft nach Theo N. |
22.000 DM |
|
|
Rudolf N. |
44.000 DM |
9,9 % |
(v) |
Jürgen R. |
49.500 DM |
|
|
Erben nach Maria R. (Mutter von Jürgen R. und Gerda H., Nachlaß noch nicht geklärt) |
11.000 DM |
|
|
Gerda H. geb. R. |
5.500 DM |
|
|
Miteigentümergemeinschaft H. bestehend aus Gerda H. und ihren Söhnen Bernd und Manfred H. |
44.000 DM |
9,9 % |
|
Kommanditkapital |
1.111.000 DM |
100,0 % |
An der Medien Union (Stammkapital ebenfalls 1.111.000 DM) sind dieselben Personen beteiligt. Ein Unterschied besteht nur insoweit, als die Erbengemeinschaften nach Theo N. und nach Maria N. auseinandergesetzt sind, so daß Rudolf N. einen Anteil von 55.000 DM sowie Hedwig und Michael N. einen Anteil von jeweils 27.500 DM direkt an der Gesellschaft halten.
Alleinige Kommanditistin der Tukan und Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH ist Anja K., die zum Familienstamm L. gehört. Frau K. hat diese Gesellschafterstellung aber nur als Treuhänderin für die fünf Familienstämme inne, die je für sich in dem gleichen Verhältnis Treugeber sind, wie dies bei Rheinpfalz und Medien Union der Fall ist. Abweichungen ergeben sich allerdings insofern, als teilweise andere Angehörige der einzelnen Familien als Treugeber auftreten: Bei der Tukan und ihrer Komplementär-GmbH sind anstelle von Dr. Dieter S. dessen Söhne Peter S. und – in Form einer Unterbeteiligung – Dr. Thomas S. sowie anstelle von Volker L. dessen Töchter Britta L. und Anja K. beteiligt. Gesellschafteridentität besteht bei Gunter L. und Ilka F.-W.. Bei den Familienstämmen N. und R. sind die Söhne Michael N. sowie Bernd und Manfred H. nicht beteiligt; die entsprechenden Anteile werden zusätzlich von ihren Müttern Hedwig N. und Gerda H. gehalten. Damit ergeben sich bei Tukan folgende Beteiligungsverhältnisse:
|
|
Tukan |
Komplementär-GmbH |
% |
(i) |
Peter S. |
50.490,00: |
25.245,00 DM |
50,5 % |
|
(Unterbeteiligung Dr. Thomas S.: davon 49,9 %) |
(25.194,51:) |
(12.597,25 DM) |
|
(ii) |
Gunter L. |
9.900,00: |
4.950,00 DM |
|
|
Anja K. geb. L. |
4.950,00: |
2.475,00 DM |
|
|
Britta L. |
4.950,00: |
2.475,00 DM |
19,8 % |
(iii) |
Ilka F.-W. |
9.900,00: |
4.950,00 DM |
9,9 % |
(iv) |
Rudolf N. |
4.950,00: |
2.475,00 DM |
|
|
Hedwig N. |
4.950,00: |
2.475,00 DM |
9,9 % |
(v) |
Jürgen R. |
4.950,00: |
2.475,00 DM |
|
|
Gerda H. geb. R. |
4.950,00: |
2.475,00 DM |
9,9 % |
|
|
100.000,00: |
50.000,00 DM |
100,0 % |
Die Tukan-Gesellschaften, die über kein weiteres Personal verfügen, haben ihren Sitz unter der Wohnanschrift der Geschäftsführerin. Die Mittel zum Erwerb der Deil KG und ihrer Komplementärin wurde in der Weise aufgebracht, daß Tukan von den Treugebern im Verhältnis ihrer Anteile Gesellschafterdarlehen erhielt. Den Brüdern S. sowie den Schwestern Britta L. und Anja K. wurden die hierfür erforderlichen Mittel jeweils von ihren Vätern geschenkt.
Außerdem sind die Mitglieder der fünf Familien an zwei weiteren Gesellschaften – PSA und PVG – wirtschaftlich beteiligt, bei denen ebenso wie bei Tukan ein Treuhandmodell verwirklicht worden ist. PSA betätigt sich im Anzeigenblattgeschäft und hat in den vergangenen Jahren nacheinander mehrere Verlage erworben, die mit Anzeigenblättern im Verbreitungsgebiet der „Rheinpfalz” tätig waren. Sie erwirtschaftete 1994 Umsätze in Höhe von knapp 10 Mio. DM, davon 9,7 Mio. DM Presseumsätze. Bei ihr und bei ihrer Komplementär-GmbH gibt es wiederum – wie bei Tukan – nur einen Kommanditisten bzw. Gesellschafter, der diese Position als Treuhänder für Mitglieder der Familien S. (50,5 %), L. (19,8 %), W. (9,9 %), N. (9,9 %) und R. (9,9 %) innehat. Auch hier bestehen hinsichtlich der beteiligten Familienangehörigen einige Unterschiede zu den anderen Gesellschaften: Treugeberin des Mehrheitsanteils von 50,5 % ist in diesem Fall eine BGB-Gesellschaft, an der die beiden Brüder Peter und Dr. Thomas S. je zur Hälfte beteiligt sind. Anstelle von Hedwig N. ist eine Erbengemeinschaft aus Hedwig N. und ihrem Sohn Michael N. beteiligt.
Die PVG ist mit der Zeitungszustellung befaßt. Sie entstand, als die Rheinpfalz ab 1988 die Zustellung ihrer Zeitung ausgliederte und auf rechtlich selbständige Unternehmen übertrug. Ab 1990 wurden die Vertriebsaufgaben auf 21 neugegründete Pressevertriebsgesellschaften übertragen, die in erster Linie die „Rheinpfalz”, daneben aber auch in geringem Umfang überregionale Abonnement-Tageszeitungen vertreiben. Die PVG hält an diesen Gesellschaften jeweils einen Anteil von 26 %; die restlichen 74 % werden zwar von den jeweiligen Geschäftsführern gehalten, doch räumen die Satzungen der Vertriebsgesellschaften der PVG einen beherrschenden Einfluß ein. Die 21 Pressevertriebsgesellschaften erreichten 1994 Umsatzerlöse in Höhe von 35 Mio. DM. PVG erzielte Umsätze aus Serviceleistungen in Höhe von 372.000 DM.
Was die Gesellschaftsanteile an der PVG angeht, ist eine Lösung gewählt, die im wesentlichen der bei der PSA entspricht: Auch hier werden die Gesellschaftsanteile der Mitglieder der Familien S. (50,5 %), L. (19,8 %), W. (9,9 %), N. (9,9 %) und R. (9,9 %) von einem Treuhänder gehalten. Der einzige Unterschied zur PSA besteht darin, daß bei der PVG die Söhne Bernd und Manfred H. anstelle ihrer Mutter Gerda H. Treugeber sind.
Die Beteiligungen an der PSA und der PVG ergeben sich aus der folgenden Aufstellung:
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|
|
PSA |
|
PVG |
(i) |
Peter S. und Dr. Thomas S. in BGB-Gesellschaft |
|
50,5 % |
|
50,5 % |
(ii) |
Gunter L. |
9,9 % |
|
9,9 % |
|
|
Anja K. geb. L. |
4,95 % |
|
4,95 % |
|
|
Britta L. |
4,95 % |
19,8 % |
4,95 % |
19,8 % |
(iii) |
Ilka F.-W. |
|
9,9 % |
|
9,9 % |
(iv) |
Rudolf N. |
4,95 % |
|
4,95 % |
|
|
Erbengemeinschaft nach Theo N. bestehend aus Hedwig N. und Michael N. |
4,95 % |
9,9 % |
4,95 % |
9,9 % |
(v) |
Jürgen R. |
4,95 % |
|
4,95 % |
|
|
Gerda H. geb. R. |
4,95 % |
9,9 % |
|
|
|
Bernd und Manfred H. |
|
|
4,95 % |
9,9 % |
|
|
|
100,0 % |
|
100,0 % |
Im Verbreitungsgebiet der „Pirmasenser Zeitung” gibt es für die Leser neben dieser Zeitung (Marktanteil 1994: 55,4 %) und der „Pirmasenser Rundschau” der Rheinpfalz (Marktanteil 1994: 44,6 %) keine weiteren regionalen Abonnement-Tageszeitungen. Für Anzeigenkunden besteht die Möglichkeit, statt in den beiden Tageszeitungen in mehreren kleineren Blättern, deren Verbreitungsgebiet sich allerdings nicht mit dem der beiden Tageszeitungen deckt, zu inserieren. Eine Anzeigenkombination, durch die diese Region abgedeckt werden könnte, steht nicht zur Verfügung.
Tukan hat das Bundeskartellamt durch ein am 2. Februar 1995 eingegangenes Anwaltsschreiben von dem Erwerb der Deil KG unterrichtet. Das Bundeskartellamt hat mit Beschluß vom 23. Februar 1996 den Zusammenschluß zwischen Tukan einerseits und der Deil KG sowie ihrer Komplementär-GmbH andererseits untersagt (BKartA AG 1996, 477).
Die Beschwerden der Betroffenen zu 1 bis 8 hat das Kammergericht zurückgewiesen (KG WuW/E OLG 5907). Mit den zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgen die Betroffenen ihren Antrag auf Aufhebung der Untersagungsverfügung weiter. Das Bundeskartellamt tritt den Rechtsbeschwerden entgegen.
B.
Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.
I. Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
Mit Recht habe das Bundeskartellamt den Erwerb sämtlicher Anteile an der Deil KG und an deren Komplementär-GmbH durch Tukan als einen der Zusammenschlußkontrolle unterliegenden Sachverhalt angesehen und nach § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GWB untersagt. Der Anteilserwerb erfülle den Zusammenschlußtatbestand des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. c GWB. Die Umsatzerlöse der beteiligten Unternehmen überstiegen den in § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 GWB festgelegten Schwellenwert von 500 Mio. DM. Denn nach der Verbundklausel (§ 24 Abs. 8 Satz 2, § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB) seien zu den Umsätzen der unmittelbar am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen Tukan und Deil KG die Umsätze anderer Unternehmen hinzuzurechnen.
Dies gelte für den Konzernumsatz von Rheinpfalz und Medien Union, weil Tukan mit diesen beiden Gesellschaften einen Gleichordnungskonzern bilde (§ 23 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V. mit § 18 Abs. 2 AktG). Der Tatbestand des Gleichordnungskonzerns sei im Lichte der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB auszulegen. Danach sei eine institutionalisierte gemeinsame Leitungseinrichtung zur Bejahung eines Gleichordnungskonzerns nicht unbedingt erforderlich. Vielmehr könne, wenn nur die Grundlage für den erforderlichen Einfluß und die nötige Autorität vorhanden sei, die Leitungsfunktion in effektiver Weise, aber nach außen unauffällig auch aus dem Hintergrund wahrgenommen werden. Wie sich aus einer Reihe von Umständen ergebe, geschehe dies im vorliegenden Falle, in dem der Mehrheitsgesellschafter von Rheinpfalz und Medien Union, Dr. Dieter S., obwohl nicht selbst an der Tukan beteiligt, dort als herausragende Unternehmerpersönlichkeit in wesentlichen Wettbewerbsangelegenheiten ersichtlich das Sagen habe. Alles spreche dafür, daß Tukan als ein wettbewerblich in die Tätigkeit der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe eingepaßter Geschäftsbetrieb von dort aus mitgeführt werde, zumal auf längere Sicht die Söhne Peter und Dr. Thomas S. in die Gesellschafterposition des Vaters einrückten und Tukan nahtlos in den Verbund eingehen werde.
Verneine man das Bestehen eines Gleichordnungskonzerns zwischen Tukan und der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe, sei jedenfalls – so hat das Kammergericht in einer Hilfserwägung ausgeführt – ein solcher Konzern zwischen Tukan auf der einen sowie PSA und PVG auf der anderen Seite anzunehmen; dabei seien der PVG die von ihr beherrschten 21 Pressevertriebsgesellschaften zuzurechnen. Dies folge daraus, daß bei diesen Gesellschaften die durchweg im selben Anteilsverhältnis der Familienstämme beteiligten Gesellschafter nahezu vollständig identisch seien. Alle drei Gesellschaften hätten mit Peter und Dr. Thomas S. im gesellschaftsförmigen Verbund dieselben Mehrheitsgesellschafter; auch die weiteren Gesellschafter aus den Familienstämmen L., W., N. und R. seien im wesentlichen personengleich. Da die wesentlichen unternehmensbezogenen Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung getroffen würden, hätten alle drei Gesellschaften aufgrund der nahezu identischen Zusammensetzung dieselbe Leitung. Lege man die Umsätze dieser drei Gesellschaften zugrunde, werde aufgrund der Presseklausel die Umsatzschwelle von 500 Mio. DM ebenfalls bei weitem überschritten.
Sei von dem Bestehen eines Gleichordnungskonzerns zwischen Tukan und der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe auszugehen, sei durch den Zusammenschluß im Verbreitungsgebiet der „Pirmasenser Zeitung” sowohl auf dem Lesermarkt für regionale Abonnement-Tageszeitungen als auch auf dem Anzeigenmarkt eine marktbeherrschende Stellung dieses Konzerns entstanden. Vor dem Zusammenschluß habe die Rheinpfalz auf diesen Märkten trotz überlegener finanzieller Ressourcen und trotz der Stärke ihrer Zeitung in den angrenzenden Regionen keine überragende Marktstellung eingenommen; aufgrund des Zusammenschlusses sei sie auf dem Leser- wie auf dem Anzeigenmarkt ohne Wettbewerber.
Werde dagegen mit der Hilfserwägung das Bestehen eines Gleichordnungskonzerns nur zwischen Tukan, PSA und PVG angenommen, habe der Erwerb zu einer marktbeherrschenden Stellung geführt, die sich daraus ergebe, daß die beiden vielfältig verbundenen Unternehmensgruppen ein Oligopol bildeten, das die fraglichen Leser- und Anzeigenmärkte im Verbreitungsgebiet der „Pirmasenser Zeitung” beherrsche. Denn die beiden Gruppen seien persönlich und geschäftlich derart verflochten, daß sie sich jedenfalls keinen wesentlichen Wettbewerb liefern würden.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Rechtsbeschwerden bleiben ohne Erfolg.
II. Mit Recht hat das Kammergericht die Rügen als unbegründet erachtet, mit denen sich die Rechtsbeschwerden gegen das Verfahren des Bundeskartellamts wenden.
1. Die Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts vom 23. Februar 1996, die den Betroffenen am 28. und 29. Februar 1996 zugestellt worden ist, ist nicht deswegen rechtswidrig, weil das Bundeskartellamt die Jahresfrist des § 24 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GWB überschritten hätte. Die am 2. Februar 1995 eingegangene Mitteilung der Tukan über den Erwerb der Anteile der Deil KG entsprach nicht den Anforderungen, die an eine vollständige Anzeige nach § 23 Abs. 5 Satz 2 GWB zu stellen sind. Dies ergibt sich schon daraus, daß die fragliche Mitteilung keine Angaben über den Geschäftsbetrieb und die Marktanteile der beteiligten Unternehmen, insbesondere der Deil KG, enthielt. Daß das Bundeskartellamt in den späteren Anforderungen weiterer Unterlagen nicht – wie sonst üblich – auf die Unvollständigkeit der ursprünglichen Anzeige hingewiesen hat, erklärt sich ohne weiteres daraus, daß Tukan die erste Mitteilung nicht als Anzeige nach § 23 GWB bezeichnet, sondern dementgegen zum Ausdruck gebracht hatte, eine Anzeigepflicht für den Zusammenschluß bestehe nicht.
2. Ebenfalls ohne Erfolg rügen die Rechtsbeschwerden, das Bundeskartellamt habe gegen das Gebot verstoßen, die Untersagungsverfügung zu begründen. Ob der Vorsitzende der Beschlußabteilung des Bundeskartellamtes in einem später veröffentlichten Bericht über die Verwaltungspraxis des Amtes Erwägungen als maßgeblich für die Entscheidung herangezogen hat, die sich – wie die Rechtsbeschwerden meinen – in der schriftlichen Begründung der Untersagungsverfügung nicht finden, ist ohne Bedeutung. Denn es ist allein anhand der angefochtenen Entscheidung zu beurteilen, ob eine kartellamtliche Verfügung hinreichend begründet ist, um den Anforderungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 GWB zu genügen. Dafür, daß insofern ein Begründungsmangel bestünde, konnten die Betroffenen weder im Beschwerde- noch im Rechtsbeschwerdeverfahren Beachtliches vorbringen.
III. Auch in der Sache haben die Rügen der Rechtsbeschwerden keinen Erfolg.
1. Das Kammergericht hat zutreffend angenommen, daß es sich bei dem Erwerb sämtlicher Anteile der Deil KG und ihrer Komplementär-GmbH durch Tukan um einen Zusammenschluß nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 lit. c GWB handelt und daß der Tukan die Umsatzerlöse der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe nach § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB zuzurechnen sind mit der Folge, daß die Umsatzschwelle des § 24 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 GWB überschritten ist, ohne daß es eines Rückgriffs auf die Presseklausel des § 23 Abs. 1 Satz 7 GWB bedarf. Die Anwendung der Verbundklausel des § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB hat das Kammergericht anhand der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zutreffend darauf gestützt, daß Tukan mit den Gesellschaften der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt ist und mit ihnen einen Gleichordnungskonzern i.S. von § 18 Abs. 2 AktG bildet.
a) Die Grundsätze, die in der Senatsrechtsprechung zur Anwendung der Verbundklausel im Falle eines faktischen Gleichordnungskonzerns entwickelt worden sind, hat das Kammergericht seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt.
Der Begriff des Gleichordnungskonzerns ist dadurch gekennzeichnet, daß mehrere Unternehmen, die vertraglich oder auch nur faktisch verbunden sind, unter einer einheitlichen Leitung zusammengefaßt sind, ohne daß dabei das eine Unternehmen zu dem anderen in einem Abhängigkeitsverhältnis steht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Der vorliegende Fall stellt sich – ebenso wie die vom Senat mit Beschluß vom 19. Januar 1993 entschiedene Sache WAZ/IKZ (BGHZ 121, 137, 146 ff. – Zurechnungsklausel) – in der Weise dar, daß die einheitliche Leitung nicht durch eigens geschaffene gemeinschaftliche Leitungsorgane, sondern von der Konzernspitze ausgeübt wird (vgl. Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 558 m.w.N.), im Streitfall also von der Person oder den Personen, die in der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe die wettbewerbsbezogenen Unternehmensentscheidungen treffen und nach Entscheidungskompetenz und tatsächlicher Ausübung dort die Leitung innehaben. Eine solche Zusammenfassung der Leitungsfunktion setzt nicht notwendig eine – u.U. auch konkludent getroffene (vgl. Hüffer, AktG, 3. Aufl., § 18 Rdn. 21) – vertragliche Absprache voraus. Ist eine derartige Absprache nicht festzustellen, kommt ein faktischer Gleichordnungskonzern dann in Betracht, wenn die Begründung einer einheitlichen Leitung der nicht abhängigen Unternehmen aus den Gesamtumständen, insbesondere aufgrund personeller Verflechtungen, einheitlicher Zielvorgaben und eines gleichgerichteten Verhaltens der Konzerngesellschaften, geschlossen werden kann (vgl. BGHZ 121, 137, 146 f. – Zurechnungsklausel, m.w.N.; Hüffer aaO § 18 Rdn. 13 u. 20; Brandes in Festschrift Odersky, 1996, S. 945, 952; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 18 AktG Rdn. 23; Lutter/Drygala aaO). Auch wenn im allgemeinen derartige Strukturen durch eine personelle Verflechtung auf der Gesellschafter- oder Organebene abgesichert sind (vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack aaO; Lutter/Drygala aaO), ist eine vollständige Identität für einen Gleichordnungskonzern nicht wesensnotwendig.
Die Verbundklausel des § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB soll – worauf das Bundeskartellamt in seiner Rechtsbeschwerdeerwiderung mit Recht hinweist – die Möglichkeit der Zusammenschlußkontrolle auch in bezug auf Unternehmen sicherstellen, die bei rechtlicher Selbständigkeit wettbewerblich als Einheit handeln (vgl. BGHZ 74, 359, 364 f. – WAZ). Würden hierbei – wie es die Rechtsbeschwerden in ihrer Kritik der in der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätze fordern – für die kartellrechtliche Beurteilung formalisierte Anforderungen etwa im Sinne einer institutionalisierten einheitlichen Leitung gestellt, läge es in der Hand der beteiligten Unternehmen, sich der Zusammenschlußkontrolle bei externer Expansion auch dann zu entziehen, wenn aufgrund vielfältiger sonstiger Anzeichen eine faktische Gleichordnung der betreffenden Unternehmen zu erkennen wäre.
Gegen die Möglichkeit, in Fällen, in denen eine vertragliche Vereinbarung über eine einheitliche Leitung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen nicht feststellbar ist, einen faktischen Gleichordnungskonzern anzunehmen und daraus die Anwendung der Verbundklausel des § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB herzuleiten, wenden sich die Rechtsbeschwerden vergeblich mit dem Einwand, es sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, wenn die – bußgeldbewehrte (§ 39 Abs. 1 Nr. 2 GWB) – Anzeigepflicht eines Zusammenschlusses von Indizien abhängig sei, die von Fall zu Fall unterschiedlich gewichtet werden könnten. Zwar ist die gesetzliche Regelung der Fusionskontrolle von dem Bemühen geprägt, möglichst klare Aufgreifkriterien zu formulieren. Im Falle der Verbundklausel, die an die aktienrechtlichen Bestimmungen über abhängige und herrschende Unternehmen sowie über Konzernunternehmen (§§ 17, 18 AktG) anknüpft, liegen jedoch keine meßbaren Kriterien vor. Der Gesetzgeber hat insofern Abgrenzungsschwierigkeiten in Kauf genommen, denen die Unternehmen in der Praxis in der Weise begegnen, daß sie in Fällen, in denen die Anwendung der Verbundklausel in Betracht kommt, von vornherein auch die Möglichkeit der Zusammenschlußkontrolle in die Erwägungen einbeziehen und sich – wie im Streitfall – schon aus Gründen der Planungssicherheit rechtzeitig mit dem Bundeskartellamt ins Benehmen setzen.
Ohne Erfolg verweisen die Rechtsbeschwerden schließlich darauf, daß nach ihrer Darstellung im Rahmen der europäischen Fusionskontrolle eine Umsatzzurechnung in einem Fall wie dem vorliegenden nicht in Betracht gezogen würde. Wie der Senat bereits in der Entscheidung „Backofenmarkt” zum Ausdruck gebracht hat, sind die Regelungen der Zusammenschlußkontrolle im nationalen und im europäischen Recht verschiedenen Funktionskreisen zuzuordnen (BGHZ 131, 107, 119 f.). Ungeachtet der bestehenden, von den Gerichten hinzunehmenden Unterschiede in den gesetzlichen Regelungen besteht keine Bindung in der Weise, daß die Bestimmungen des nationalen Rechts entsprechend den Vorschriften der europäischen Fusionskontrolle auszulegen wären. Soweit die Rechtsbeschwerden auf das im Rahmen der 6. GWB-Novelle verfolgte Ziel einer Anpassung der deutschen Bestimmungen an europäisches Kartellrecht verweisen, ist zu beachten, daß die Verbundklausel des § 23 Abs. 1 Satz 2 GWB in der Neufassung des Gesetzes in der Sache unverändert übernommen worden ist (vgl. § 36 Abs. 2 GWB –neu–).
b) Das Kammergericht hat angenommen, daß Tukan und die Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe unter der einheitlichen Leitung von Dr. Dieter S. zusammengefaßt seien, der als herausragende Unternehmerpersönlichkeit entscheidend zum Aufbau des umsatzstarken Medienkonzerns beigetragen habe und der aufgrund seiner Leistungen und seiner Erfolge ersichtlich Autorität als Führungskraft genieße. Ob diese – von den Rechtsbeschwerden als spekulativ angegriffene – Beurteilung sich auf hinreichende tatsächliche Feststellungen gründet, kann offenbleiben. Denn es kommt nicht darauf an, von welcher Person oder von welchen Personen die Funktion einer einheitlichen Leitung wahrgenommen wird. Für die Frage des Vorliegens eines Gleichordnungskonzerns ist allein von Bedeutung, daß Tukan hinsichtlich der wettbewerbsbezogenen Unternehmensentscheidungen auf Dauer unter der Leitung der Konzernspitze der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe zusammengefaßt ist. Daß dies der Fall ist, wird im Streitfall zunächst dadurch nahegelegt, daß an den zum Zwecke des Erwerbs der Deil KG gegründeten Tukan-Gesellschaften die fünf Gesellschafterfamilien nach dem für die Gesellschaften der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe typischen Muster beteiligt sind und sie sich damit ohne weiteres in den Kreis dieser Konzerngesellschaften einfügen. Im einzelnen lassen sich die Voraussetzungen eines faktischen Gleichordnungskonzerns den folgenden Umständen entnehmen:
aa) Wie bereits dargelegt, deuten die Beteiligungsverhältnisse bei Tukan darauf hin, daß sich diese Gesellschaft als Konzernunternehmen in die bestehende Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe einfügen soll. Die fünf Familien, die die Anteile an der Rheinpfalz und an der Medien Union halten, sind in demselben Verhältnis auch an Tukan wirtschaftlich beteiligt. Auch wenn – wie der Senat im Fall „WAZ/IKZ” ausgeführt hat (BGHZ 121, 137, 144 f. – Zurechnungsklausel) – die Familienzugehörigkeit der Gesellschafter einer Gesellschaft nicht ausreicht, um von einer Beherrschung durch eine andere Gesellschaft auszugehen, an der andere Mitglieder derselben Familien beteiligt sind, stellt die Übereinstimmung der Aufteilung auf die fünf Familien ein gewichtiges Indiz dafür dar, daß sich die neu gegründete Gesellschaft von vornherein in den Konzernverbund einfügen wird. Im Streitfall kommt hinzu, daß ein Teil der (wirtschaftlichen) Anteilseigner der Tukan mit den Gesellschaftern der Rheinpfalz und der Medien Union identisch ist und insofern ohne weiteres davon auszugehen ist, daß gleichgerichtete Interessen vertreten werden.
Aber auch dort, wo keine Identität der Gesellschafter besteht – also namentlich bei dem 50,5%-Anteil von Dr. Dieter S. und dem 9,9%-Anteil von Volker L. an der Rheinpfalz und der Medien Union, denen bei Tukan die (wirtschaftlichen) Beteiligungen der beiden in einer BGB-Innengesellschaft verbundenen S.-Söhne, Peter und Dr. Thomas S., sowie der beiden Töchter von Volker L., Anja K. und Britta L., entsprechen –, ist zu erwarten, daß sich auf längere Sicht eine Identität der Gesellschafter einstellen wird. Denn der Gesellschaftsvertrag der Rheinpfalz und die Satzung der Medien Union enthalten Bestimmungen, mit denen ein Eintreten von familienfremden Gesellschaftern verhindert werden soll. Außerdem besteht zwischen den Gesellschaftern der Rheinpfalz und der Medien Union eine Vereinbarung, nach der alles Erforderliche zu unternehmen ist, um ständig gleiche Beteiligungsverhältnisse und eine gleiche Stimmrechtsverteilung bei beiden Gesellschaften zu gewährleisten bzw. herbeizuführen.
Dafür, daß die beiden Brüder Peter und Dr. Thomas S. auf längere Sicht den Anteil ihres Vaters an der Rheinpfalz und an der Medien Union übernehmen werden, sprechen indirekt auch die Beteiligungsverhältnisse bei PSA und PVG. Bei beiden Gesellschaften, die – wie sogleich auszuführen ist – in den Konzernverbund der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe fallen und an denen – über ein Treuhandmodell – wiederum Mitglieder der fünf Familien S. (50,5 %), L. (19,8 %), W. (9,9 %), N. (9,9 %) und R. (9,9 %) mit den auch bei den anderen Gesellschaften üblichen Anteilen wirtschaftlich beteiligt sind, wird der – über die Treuhand – auf die Familie S. entfallende Anteil bereits heute (in BGB-Gesellschaft) von Peter und Dr. Thomas S. gehalten. Diese Beteiligungsverhältnisse zeigen, daß innerhalb des Konzernverbundes der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe die beiden Brüder S. teilweise schon in die Gesellschafterstellung ihres Vaters eingerückt sind.
Daß es sich bei PSA und PVG um Konzerngesellschaften handelt, ergibt sich auch aus folgenden Erwägungen: Hinsichtlich der PSA hat das Kammergericht ohne Rechtsfehler angenommen, daß auch dieses Unternehmen, das im Verbreitungsgebiet der „Rheinpfalz” mehrere Anzeigenblätter übernommen hat und herausgibt, unter der einheitlichen Konzernleitung der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe steht. Dies hat das Kammergericht daraus geschlossen, daß PSA und ein mit der Herausgabe von Anzeigenblättern befaßtes Tochterunternehmen der Medien Union (SÜWE … GmbH & Co. KG) ihr Vorgehen in den Bereichen koordiniert haben, in denen beide mit Anzeigenblättern präsent waren. So hat die SÜWE ihr Blatt dort, wo ein von PSA erworbener „Stadtanzeiger” seine Stärke hat, eingestellt. Beide Unternehmen haben ihr Angebot zum „Anzeigenring Pfalz” mit erheblich erweiterten Kombinationsmöglichkeiten für den Anzeigenkunden vereinigt. Die als Vertriebsunternehmen der „Rheinpfalz” tätige PVG ist ebenfalls – wie nicht zweifelhaft ist – in den Konzernverbund der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe durch eine einheitliche Leitung eingebunden.
bb) Den vom Kammergericht getroffenen Feststellungen ist zu entnehmen, daß die Mittel für den Erwerb sämtlicher Anteile der Deil KG und der Komplementär-GmbH von den an den Gesellschaften der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe beteiligten Familienangehörigen stammen. Dies gilt auch insoweit, als keine personelle Identität besteht. Denn die Töchter von Volker L., Anja K. und Britta L., sowie der Sohn von Dr. Dieter S., Peter S., haben die erforderlichen Millionenbeträge von ihren Vätern geschenkt erhalten, und zwar im Falle von Peter S. mit der Maßgabe, den Bruder Dr. Thomas S. durch eine Unterbeteiligung einzubinden. Auch dieser Umstand läßt es als naheliegend erscheinen, daß die Beteiligten bei der Konzeption des Erwerbs der Deil KG durch Tukan davon ausgegangen sind, diese werde gleichgerichtete Interessen wie die Gesellschaften der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe verfolgen.
cc) Daß sich die unternehmerische Tätigkeit der Tukan darin erschöpft, die Gesellschaftsanteile an der Deil KG und der Komplementär-GmbH zu verwalten, ohne eigene Leitungsfunktionen auszuüben, ergibt sich aus der mangelnden Ausstattung dieses Unternehmens, das seinen Sitz unter der Wohnanschrift der Geschäftsführerin und Treuhänderin Anja K. hat und über kein weiteres Personal verfügt. Hinzu kommt, daß zugunsten der Treugeber ein weitreichender Katalog an Zustimmungsvorbehalten besteht und die Treugeberversammlung darüber hinaus Entscheidungen an sich ziehen kann. Der Umstand, daß Tukan kaum in der Lage ist, Grundsatzentscheidungen hinsichtlich des Unternehmens der Pirmasenser Zeitung zu treffen, deutet darauf hin, daß Tukan darauf angewiesen ist, die Leitungsmacht der Konzernspitze für sich zu aktivieren.
dd) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden können sich auch aus dem Verhalten der Beteiligten nach dem Anteilserwerb Hinweise darauf ergeben, ob Tukan und damit die „Pirmasenser Zeitung” unter der einheitlichen Konzernleitung der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe steht. Dabei kann – umgekehrt – daraus, daß im Verbreitungsgebiet der „Pirmasenser Zeitung” nach wie vor auch die „Pirmasenser Rundschau” (Rheinpfalz) erscheint, nicht etwa auf ein Fehlen einer einheitlichen Konzernleitung geschlossen werden. Denn auch im Falle der Konzernverbundenheit sind die Verfahrensbeteiligten während der laufenden kartellrechtlichen Auseinandersetzungen im allgemeinen bemüht, den Anschein zu vermeiden, daß nunmehr die Interessen des einen Unternehmens denen des anderen untergeordnet werden. Anders als im Falle „WAZ/IKZ” bedürfte es für spätere Maßnahmen auch keiner Kooperationsvereinbarungen, die dort einen Hinweis auf die Verfolgung gleichgerichteter Interessen darstellten (vgl. BGHZ 121, 137, 141, 147 f. – Zurechnungsklausel). Denn im Hinblick darauf, daß Tukan sämtliche Anteile an der Deil KG hält, könnte die Konzernspitze ihre Leitungsmacht jederzeit durchsetzen.
Das Kammergericht hat die Vergabe des Druckauftrags für die „Pirmasenser Zeitung” an die Druckerei der Rheinpfalz als einen deutlichen Hinweis darauf angesehen, daß die in derselben Druckerei gedruckte „Pirmasenser Rundschau” der Rheinpfalz nicht mehr als konkurrierendes Blatt angesehen wurde. Ein im Wettbewerb stehendes Unternehmen hätte sich hierauf – so das Kammergericht – nicht eingelassen, sondern geprüft, ob die eigene überalterte Druckanlage durch eine gebrauchte modernere Maschine hätte ersetzt werden können. Gegen diese auf tatrichterlichem Gebiet liegende Würdigung wenden sich die Rechtsbeschwerden ohne Erfolg.
Die weiteren Umstände, die das Bundeskartellamt zum Beleg der Leitungsmacht der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe angeführt hatte – teilweise Kooperation im Vertrieb von „Pirmasenser Zeitung” und „Pirmasenser Rundschau”, Berufung eines langjährigen leitenden Mitarbeiters der Rheinpfalz zum Geschäftsführer der Deil KG, Kündigung von Verbandsmitgliedschaften durch die Deil KG, Einstellung der Abonnentenwerbeaktion „Leser werben Leser” der Rheinpfalz im Verbreitungsgebiet der „Pirmasenser Zeitung” –, hat das Kammergericht zutreffend als für sich betrachtet wenig aussagekräftig angesehen. Es hat aber mit Recht darauf hingewiesen, daß diese Umstände das Bild einer konsequenten wettbewerblichen Einpassung des erworbenen Verlages in die Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe vervollständigten.
ee) Schließlich spricht vieles dafür, daß die vorliegende Gestaltung – Erwerb der Anteile an der Deil KG und ihrer Komplementär-GmbH durch die zu diesem Zweck gegründete Tukan – von den Beteiligten vor allem deshalb gewählt worden ist, weil ein Erwerb unmittelbar durch die Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe aus kartellrechtlichen Gründen von vornherein ausscheiden mußte. Daß die Deil KG mit der „Pirmasenser Zeitung” für die Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe ein lohnendes Erwerbsobjekt gewesen wäre, hat das Kammergericht überzeugend dargelegt. Die Betroffenen zu 6 bis 8 haben sich mit ihrer Vorstellung, ihre Anteile an der Deil KG zu veräußern, zunächst auch an Dr. Thomas S., einen der Geschäftsführer der Medien Union, gewandt.
c) Danach sind der Tukan die Umsatzerlöse der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe zuzurechnen. Die vom Kammergericht angestellte Hilfserwägung, zumindest seien der Tukan die Umsatzerlöse von PSA und PVG zuzurechnen, bedarf unter diesen Umständen keiner weiteren Erörterung.
2. Die materiellen Voraussetzungen der Untersagungsverfügung hat das Kammergericht zutreffend bejaht.
a) Die vom Kammergericht in Übereinstimmung mit dem Bundeskartellamt vorgenommene Marktabgrenzung begegnet weder hinsichtlich des Leser- noch hinsichtlich des Anzeigenmarktes rechtlichen Bedenken. Der Einwand der Rechtsbeschwerden, die enge Marktabgrenzung negiere die Existenz potentiellen nachbarschaftlichen Wettbewerbs, ist schon deswegen unbehelflich, weil im Streitfall nichts dafür ersichtlich ist, daß ein Wettbewerber in einem angrenzenden Verbreitungsgebiet bereit und in der Lage wäre, sein Erscheinen auf das Verbreitungsgebiet der „Pirmasenser Zeitung” auszudehnen.
b) Daß im Falle der Bejahung eines Konzernverbundes der Tukan mit der Rheinpfalz/Medien-Union-Gruppe dieser Anbieter auf den in Rede stehenden Märkten nunmehr über eine beherrschende Stellung verfügt, die durch den Zusammenschluß – so das Kammergericht – entstanden oder – so das Bundeskartellamt – verstärkt worden ist, wird von den Rechtsbeschwerden nicht in Abrede gestellt.
c) Ohne Erfolg wenden sich die Rechtsbeschwerden dagegen, daß das Kammergericht keine Feststellungen zu einer Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen durch den Zusammenschluß getroffen habe. Mit Recht weist das Bundeskartellamt darauf hin, daß der Sachverhalt, insbesondere das Vorbringen der Betroffenen, in dieser Hinsicht zu Ermittlungen keinen Anlaß gegeben hat.
C.
Danach sind die Rechtsbeschwerden der Betroffenen gegen die Entscheidung des Kammergerichts zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Satz 2 GWB.
Unterschriften
Geiß, Melullis, Ball, Tepperwien, Bornkamm
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 08.12.1998 durch Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609943 |
BB 1999, 335 |
DB 1999, 421 |
NJW-RR 1999, 1047 |
GRUR 1999, 524 |
NZG 1999, 254 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 293 |
WuB 1999, 501 |
ZIP 1999, 331 |
AG 1999, 181 |
WRP 1999, 235 |
K&R 1999, 276 |
WuW 1999, 265 |