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BGH Beschluss vom 21.09.2006 - V ZB 76/06

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Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung aus Unterwerfungserklärung bei Handeln eines Vertreters

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Vertreter die Unterwerfung des Schuldners unter die sofortige Zwangsvollstreckung aus einer Urkunde erklärt, ist die Zwangsvollstreckung nur zulässig, wenn die Vollmacht des Vertreters oder - bei vollmachtlosem Handeln - die Genehmigung von dessen Erklärungen seitens des Vertretenen durch öffentlich oder öffentlich beglaubigte Urkunden dem Schuldner zugestellt worden sind oder mit dem Beginn der Vollstreckung zugestellt werden.

 

Normenkette

ZPO § 750 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Beschluss vom 10.05.2006; Aktenzeichen 4 T 349/06 (35))

AG Wolfenbüttel (Beschluss vom 21.03.2006; Aktenzeichen 23 K 15/04)

 

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Schuldner werden der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Braunschweig vom 10.5.2006 aufgehoben und der Beschluss des AG Wolfenbüttel vom 21.3.2006 abgeändert.

Den Erstehern wird der Zuschlag des Grundstücks versagt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 242.000 EUR.

 

Gründe

I.

[1] W., G., J., Dr. M. Wa. und ihre Schwestern E. Ge., C. K., J. G. und R. K. (im Folgenden: Geschwister Wa.) waren Eigentümer des im Grundbuch von Wo. Band 138 Blatt 4958 eingetragenen Grundstücks. Mit Notarvertrag vom 5.12.1991 verkauften sie das Grundstück an die Schuldner. Sie erklärten sich mit einer Belastung des Grundstücks zur Finanzierung des Kaufpreises einverstanden und ließen es den Schuldnern auf. Die Vertragsbeteiligen bevollmächtigten in der Vertragurkunde die Bürovorsteherin des Urkundsnotars, Frau C., "unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB ... die zur Kaufpreisfinanzierung erforderlichen Grundpfandrechte ... zu den von den Darlehensgebern verlangten Bedingungen zu bestellen, die Vertragschließenden der Zwangsvollstreckung hinsichtlich der persönlichen und dinglichen Haftung zu unterwerfen und die hierfür erforderlichen Eintragungsanträge in ihrem Namen zu bewilligen und zu beantragen." Für sechs der Geschwister Wa. gab Frau C. die notwendigen Erklärungen "aufgrund mündlich erteilter Vollmacht" mit dem Versprechen ab, "unverzüglich notarielle Vollmacht nachzureichen".

[2] Als Vertreterin der Geschwister Wa. und der Schuldner bestellte sie anschließend der C. bank AG (im Folgenden: C. bank) eine verzinsliche Buchgrundschuld, erklärte, die jeweiligen Eigentümer sollten der sofortigen Zwangsvollstreckung in das Grundstück unterworfen sein, und bewilligte und beantragte die Eintragung der Grundschuld. Die Erklärungen von Frau C. erfolgten wiederum "aufgrund mündlich erteilter Vollmacht" mit dem Versprechen "unverzüglich notarielle Vollmacht nachzureichen".

[3] Am 2.1.1992 erteilte der Notar der C. bank eine vollstreckbare Ausfertigung der Bestellungsurkunde. Die Grundschuld wurde am 24.3.1992 mit einem Vermerk gem. § 800 ZPO eingetragen. Am 5.4.1992 wurden die Schuldner als Miteigentümer des Grundstücks mit jeweils hälftigem Anteil eingetragen. Die C. bank trat die Grundschuld am 22.12.1992 an die Gläubigerin ab. Am 19.2.1993 schrieb der Notar die Vollstreckungsklausel auf die Gläubigerin um. Am 22.2.1993 wurde die Abtretung in das Grundbuch eingetragen. Am 22.3.1993 stellte die Gläubigerin den Schuldnern die vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde zu. Die Zustellung der von Frau C. als nachzureichen versprochenen Vollmachtsurkunden unterblieb.

[4] Die Gläubigerin betreibt aus der Grundschuld die Zwangsversteigerung des Grundstücks. Mit Beschluss vom 21.3.2006 hat das AG den Erstehern das Grundstück zugeschlagen. Die sofortige Beschwerde der Schuldner gegen den Zuschlag ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstreben die Schuldner weiterhin die Aufhebung des Zuschlags.

II.

[5] Das Beschwerdegericht meint, der Zuschlag sei den Erstehern zu Recht erteilt worden. Aufgrund der Unterwerfungserklärung in der Urkunde vom 5.12.1991 hätten die Schuldner als Eigentümer des Grundstücks dessen Zwangsversteigerung zu dulden. In dem zuvor geschlossenen Kaufvertrag hätten alle Verkäufer und die Schuldner Frau C. zu ihrer Vertretung bevollmächtigt. Nach den Grundakten hätten diejenigen der Geschwister Wa., die an der Notarverhandlung nicht teilgenommen hätten, die von Frau C. in ihrem Namen abgegebenen Erklärungen genehmigt. Der Zustellung dieser Erklärungen und der der Frau C. erteilten Vollmachten an die Schuldner habe es zur Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in das Grundstück nicht bedurft.

[6] Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

III.

[7] Hat ein Vertreter die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erklärt, ist die Zwangsvollstreckung nur zulässig, wenn die Vollmacht des Vertreters oder die Genehmigung von dessen Erklärungen seitens des Vertretenen durch öffentlich oder öffentlich beglaubigte Urkunden dem Schuldner zugestellt worden sind oder mit dem Beginn der Vollstreckung zugestellt werden, § 750 Abs. 1, 2 ZPO.

[8] Das in § 750 Abs. 1 ZPO bestimmte Zustellungserfordernis findet seinen Grund in der Struktur der Zwangsvollstreckung nach der Zivilprozessordnung. Die Vollstreckung erfolgt hiernach in der Regel nicht durch das Prozessgericht, sondern durch ein anderes Vollstreckungsorgan. Dieses ist zur Prüfung der Frage, ob der Titel zu Recht ergangen ist, weder berechtigt noch in der Lage. Ihm wird vielmehr durch die auf dem Titel angebrachte Vollstreckungsklausel in formalisierter Form dessen Vollstreckbarkeit vorgegeben. Das Verfahren zur Erteilung der Vollstreckungsklausel sieht eine Beteiligung des Schuldners jedoch nicht in jedem Falle vor. Zur Sicherung des Anspruchs des Schuldners auf Gewährung des rechtlichen Gehörs schreibt § 750 Abs. 1 ZPO daher vor, dass die Zwangsvollstreckung nicht vor der Zustellung des Titels beginnen darf. Die Zustellung macht dem Schuldner unmissverständlich klar, dass der Gläubiger die titulierte Forderung zwangsweise durchsetzen wird, unterrichtet den Schuldner über die förmlichen Grundlagen der Zwangsvollstreckung, gibt ihm Gelegenheit, die Zulässigkeit der Zwangsvollsteckung zu prüfen und Einwendungen gegen die Vollstreckung geltend zu machen (Rosenberg/Gaul/Schilken, Zwangsvollstreckungsrecht, 11. Aufl., § 22 I, S. 363), und warnt ihn letztmals vor der zwangsweisen Durchsetzung des titulierten Anspruchs (Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 750 Rz. 1).

[9] Ist es auf Seiten des Schuldners oder des Gläubigers zu einer Rechtsnachfolge in den titulierten Anspruch gekommen oder hängt das Leistungsgebot aus dem Titel von Umständen außerhalb des Titels ab, folgt das Leistungsgebot nicht allein aus dem Titel. Zur Warnung des Schuldners reicht die Zustellung des Titels daher nicht aus. Gemäß § 750 Abs. 2 ZPO sind in diesem Fall deshalb auch die Vollstreckungsklausel und, sofern die Klausel aufgrund öffentlich oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt worden ist, diese Urkunden dem Schuldner zuzustellen.

[10] Hat ein Vertreter die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung erklärt, darf die vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn auch die Wirksamkeit der Erklärung des Vertreters gegen den Vertretenen durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen wird (hM, vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2004 - IXa ZB 326/03, MDR 2005, 113 = NotBZ 2004, 429 = BGHReport 2004, 1518 = NJW-RR 2004, 1718, 1719; BayObLGZ 1964, 75, 77; LG Bonn v. 13.2.1990 -- 4 T 70/90, Rpfleger 1990, 374; Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 794 Rz. 265; Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 794 Rz. 31; Walker in Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., § 797 ZPO Rz. 5; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde, 2. Aufl., Rz. 38.9; Wolfsteiner, MittRhNotK 1985, 113, 114; a.M. OLG Köln MDR 1969, 150 f., Musielak/Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 794 Rz. 36; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 797 Rz. 14; Münch, Vollstreckbare Urkunden und prozessualer Anspruch, S. 243). Folge hiervon ist, dass sich das in § 750 Abs. 2 ZPO bestimmte Zustellungserfordernis auf die Vollmachts- bzw. Genehmigungserklärungen erstreckt, aus denen die Wirksamkeit des Handelns des Vertreters gegen den Vertretenen folgt (LG Bonn v. 13.2.1990 - 4 T 70/90, Rpfleger 1990, 374; a.M. OLG Zweibrücken InVo 1999, 185, 186; LG Freiburg v. 31.8.2004 - 13 T 204/04, Rpfleger 2005, 100, 101; vgl. ferner BGH, Beschl. v. 14.4.2005 - V ZB 9/05, BGHReport 2005, 1219 = MDR 2005, 1072 = NJW-RR 2005, 1359, 1360). Ob die von dem Vertreter in Anspruch genommene Vertretungsmacht gegeben war oder ob die Erklärungen des Vertreters durch Genehmigung des Vertretenen gegen diesen wirksam geworden sind, ist insoweit ohne Bedeutung. Das Vollstreckungsverfahren ist formalisiert. Nur die Zustellung der von dem Vertreter behaupteten Vollmacht bzw. der zur Wirksamkeit der abgegebenen Erklärungen gegen den Vertretenen erteilten Genehmigungen in der von § 750 Abs. 2 ZPO vorgeschriebenen Form gewährleistet, dass der Schuldner vollständig und in derselben Weise wie das Organ, das die vollstreckbare Ausfertigung des Titels erteilt hat, über die Grundlagen und Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung unterrichtet und in die Lage versetzt ist, die Voraussetzungen der Vollstreckung zu prüfen.

[11] Das ist im Fall der Vollstreckung in ein Grundstück zur Durchsetzung eines mit einem Vermerk gem. § 800 Abs. 1 ZPO in das Grundbuch eingetragenen Rechts nur insofern anders, als gem. § 800 Abs. 2 ZPO der Erwerb des Eigentums als Voraussetzung der Erteilung der Vollstreckungsklausel gegen den als Eigentümer Eingetragenen nicht durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt werden muss und daher nicht von dem Zustellungserfordernis erfasst wird. Zu einer weiteren Erleichterung für den Gläubiger führt die von dem Grundbuchamt bei der Eintragung des Rechts und des Vermerks nach § 800 Abs. 1 ZPO vorzunehmende Prüfung der Voraussetzungen der Eintragung nicht.

IV.

[12] Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Gerichtskosten fallen weder für die sofortige Beschwerde noch für die Rechtsbeschwerde an (vgl. Nr. 2240 bis 2243 KV-GKG). Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Schuldner kommt nicht in Betracht, weil sich die Beteiligten des Zwangsversteigerungsverfahrens grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen (BGH, Beschl. v. 20.7.2006 - V ZB 168/05, zur Veröffentlichung bestimmt; ferner Beschl. v. 18.5.2005 - V ZB 142/05, BGHReport 2006, 1202 = WM 2006, 1727, 1730; OLG Hamburg MDR 1957, 590; Stöber, ZVG, 14. Aufl., § 99 Rz. 2 Anm. 2.5).

 

Fundstellen

Haufe-Index 1620399

BB 2006, 2717

BGHR 2006, 1553

FamRZ 2006, 1836

NJW-RR 2007, 358

DNotI-Report 2006, 194

MittBayNot 2007, 337

NZM 2006, 911

WM 2006, 2266

WuB 2007, 163

ZAP 2007, 326

ZfIR 2007, 110

DNotZ 2007, 33

InVo 2007, 70

MDR 2007, 297

Rpfleger 2007, 37

NotBZ 2006, 427

RENOpraxis 2007, 111

RENOpraxis 2007, 56

ZNotP 2007, 75

IGZInfo 2007, 23

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      (1) 1Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig ...

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